Hauptversammlung soll die Zusammenführung billigen

Siemens und Nixdorf legen jetzt die Karten auf den Tisch

13.07.1990

MÜNCHEN/PADERBORN (ciw) - Zumindest was die finanziellen Verhältnisse betrifft, wollen Nixdorf und Siemens Klarheit schaffen. Auf der Nixdorf-Hauptversammlung am 23. August sollen die Aktionäre einer Erhöhung des Stammkapitals - gegen Sacheinlage in Form des Siemens-Bereichs Daten- und Informationstechnik - um 1,316 Milliarden Mark auf 1,876 Milliarden zustimmen.

Darüber hinaus werden die stimmberechtigten Anteilseigner (51 Prozent Siemens) aller Voraussicht nach der Umbenennung des Unternehmens in Siemens Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) zustimmen und Ergänzungswahlen zum Aufsichtsrat vornehmen. Nach Abschluß der Hauptversammlung sollen die drei Nixdorf-Aufsichtsräte Gerhard Krüger, Wolfgang Reitzle und Klaus Schwab ihre Sessel räumen und für die Siemens-Vorstandsmitglieder Karl-Hermann Baumann, Hermann Franz und Claus Kessler Platz machen.

Das neue Aufsichtsgremium wird dann voraussichtlich den Vorstand der Siemens Nixdorf Informationssysteme (SNI) bestellen. Als Vorstandsvorsitzender des neuen Unternehmens ist der bisherige DI-Geschäftsbereichsleiter Hans-Dieter Wiedig im Gespräch. Die "Financial Times" vermutet weiter, daß der bisherige Nixdorf-Chef Horst Nasko als stellvertretender Vorsitzender des Unternehmens bleibt.

Die Kapitalerhöhung wird durch die Ausgabe von Inhaber-Stammaktien im Nennwert von je 50 Mark erfolgen. Nach Einschießen der Grundkapital der neuen AG in 1,596 Milliarden aus Stammaktien und in 280 Millionen Mark aus Vorzugaktien auf. Die Siemens AG besitzt dann 91 Prozent der Stamaktien und 78 Prozent des Gesamtkapitals, die Vorzugsaktionäre halten 14,92 Prozent, und die in Familien- beziehungsweise Stiftungsbesitz befindlichen restlichen Stammaktien repräsentieren etwa sieben Prozent.

Der vorgeschlagenen Kapitalerhöhung liegen Unternehmensbewertungen der Nixdorf Computer AG und des Siemens-Bereichs DI durch zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zugrunde, die auf sogenannten Ertragswertberechnungen basieren. Da der DI-Bereich inzwischen durch die Unternehmensteile PC-Vertrieb und Laserdrucker - bisher Peripherie und Endgeräte - ergänzt wurde, flossen diese genauso in das Gutachten ein wie die Tochtergesellschaften der Wiedig-Abteilung. Demnach werden die Sacheinlage mit 7,1 Milliarden und Nixdorf selbst mit 3,017 Milliarden Mark bewertet. Das entspricht einem Wertverhältnis von 2,35 zu 1. Außerdem hat sich Siemens verpflichtet, die Vertriebsaktivitäten des DI-Bereichs im Ausland im Wert von 150 Millionen Mark ebenfalls an die SNI zu übertragen.

Die unterschiedlichen Größenordnungen spiegeln sich auch in den Umsätzen der beiden Partner wider. DI setzte nach Siemens-Angaben im vergangenen Geschäftsjahr 5,4 Milliarden Mark um und brachte es auf einen Auftragseingang im Wert von sechs Milliarden Mark. In den ersten fünf Monaten des laufenden Geschäftsjahres steigerte der Bereich seinen Absatz um 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr und wird, so die Einschätzung von Siemens, im gesamten Fiskaljahr 89/90 (30.9.90) bei gut sieben Milliarden liegen. Das Wachstum betreffe die gesamte Breite des Produktspektrums. Allerdings habe weiterhin die Mainframe-Rechnerlinie 7500/BS 2000 mit den Zentraleinheiten H60 und H90 besonderen Anteil daran.

So heißt es bezüglich der Umsatzerwartungen in einer Presseerklärung des Konzerns selbstbewußt: "Unter Einbeziehung der zum 1. April dem Bereich DI zugeordneten PC- und Laserdrucker-Aktivitäten wer, den Umsatz und Auftragseingang einen Wert von jeweils acht Milliarden Mark erreichen."

Die Nixdorf Computer AG dagegen mußte im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang um zwei Prozent auf 5,96 Milliarden und einen Verlust von gut einer Milliarde Mark hinnehmen. Außerdem rechnen die Paderborner für das im September zu Ende gehende Rumpf-Geschäftsjahr "noch mit hohen Verlusten" (siehe COMPUTERWOCHE Nr. 24 vom 15. Juni 90, Seite 1, "Nixdorf ist noch immer auf Talfahrt").

Auch die Überschneidungen im Segment der Unix-Rechner, die immer noch nicht aus der Welt geschafft sind, werden dem schwächeren Partner Nixdorf eher schaden als der Siemens AG, die diesen Bereich noch erweitern will. Die Paderborner beteuern zwar immer wieder, daß die Targon-Reihe auch nach der Fusion weitergeführt werde, aber ob die angestrebte Kundschaft diesen Zusicherungen Glauben schenkt und sich nicht gleich für ein anderes Produkt entscheidet, ist eine andere Frage.

Wenig Sinn für leise Töne

Trotz der desolaten Lage, in der sich Nixdorf befindet, haben die Paderborner wenig Sinn für leise Töne. Schließlich hätten die eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen zu einer "nennenswerten" Verbesserung der Ertragsentwicklung in den ersten fünf Monaten des Rumpf-Geschäftsjahres geführt.

Wohl deshalb setzen die Nixdorfer in einer Presseerklärung den nach der Fusion erwarteten SNI-Umsatz hoch an: Mit 13 Milliarden Mark will das neue Unternehmen zur Nummer Eins unter den europäischen DV-Unternehmen werden. Der Einfachheit halber hat man die Zielsetzungen des Siemens-DI-Bereichs für das laufende Geschäftsjahr (knapp acht Milliarden Mark) und den letztjährigen Nixdorf-Umsatz (5,26 Milliarden) zur Grundlage dieser Schätzung gemacht. Siemens Chef Karlheinz Kaske knüpfte an die Umsatzprognose auf einer Pressekonferenz in London auch eine Gewinnerwartung für SNI bereits im ersten Geschäftsjahr. Der Verlustvortrag auf der Nixdorf-Seite der Fusion werde gleichwohl die Ausschüttung einer Dividende noch verhindern, schätzte der Vorstandsvorsitzende.

Nicht nur das Konstrukt SNI, auch der Siemens-Konzern wird an der Nixdorf-Last zu tragen haben. Eine wesentliche Verbesserung des Unternehmensgewinnes der Münchener und Berliner ist Kaske zufolge nicht zu erwarten. Zwar werde die 40-Prozent-Beteiligung an der englischen Plessey bereits im ersten Konsolidierungsjahr 1990/91 positive Ergebnisse liefern, diese jedoch drohten, im SNI-Verlustvortrag aufzugehen.

Als augenfälligste Auswirkung der Beteiligungen an Nixdorf und Plessey erwartet Siemens im kommenden Geschäftsjahr 1990/91 einen Umsatzsprung um rund zehn Milliarden auf 74 Milliarden Mark. Damit würde der Elektrokonzern in die Größenordnung des deutschen Umsatzprimus Daimler-Benz vorstoßen.

Nicht allzu optimistisch scheinen dagegen die 7000 DI-Mitarbeiter in München-Perlach zu sein. Der Betriebsrat und die IG-Metall organisierten jedenfalls am Donnerstag letzter Woche eine Informationsveranstaltung zum Thema: "Was bedeutet der Zusammenschluß der Firmen Siemens und Nixdorf für die Beschäftigten?" Die Betriebsrätin und Sprecherin des Personalausschusses am Siemens-Standort München-Perlach, Elisabeth Suhr, formulierte die Angst der Belegschaft um ihre Arbeitsplätze: "Wegen der wirtschaftlichen Lage bei Nixdorf befürchten wir in den nächsten zwei Jahren auch bei uns einen Personalabbau. Deshalb haben wir eine fünfjährige Sicherheitsgarantie oder eine vertraglich zugesicherte Möglichkeit gefordert, um bei Schwierigkeiten in die Siemens AG zurückkehren zu können." Beides habe der Arbeitgeber bisher abgelehnt.