Portfolio reicht wieder vom Kühlschrank bis zum Mainframe

Siemens tritt die Flucht nach vorn an

01.05.1998

Im Zuge dieser Reorganisation zieht sich Siemens aus der PC-Produktion zurück. Das Augsburger Werk wird zum Juni dieses Jahres an den taiwanischen PC-Hersteller Acer verkauft, der Siemens künftig als Auftragsfertiger beliefern soll. Die Münchner wollen jedoch Vertriebs- und Marketing-Organisation sowie die Produktplanung weiter betreiben und die Spezifikationen für Rechnerlinien definieren. Acer produziert bereits für eine Reihe von PC-Anbietern, allen voran die IBM. Das Unternehmen hat aufgrund der großen Einkaufsvolumina und der ausgefeilten Logistik Vorteile gegenüber kleineren Anbietern.

Die Rückkehr von SNI in den Schoß der Mutter begründet Siemens-Vorstand Volker Jung damit, daß es falsch sei, in Zeiten "technologischer Konvergenz" Kommunikations- und IT-Geschäft länger voneinander zu trennen. Siemens besitze in beiden Bereichen hohe Kompetenz und genieße daher eine Sonderstellung im Markt, die dem Unternehmen vor allem im Dienstleistungs- und Outsourcing-Geschäft weiterhelfen werde.

Konkret wird Siemens künftig die Produkte und Dienstleistungen auf dem Gebiet Information und Kommunikation (IuK) in drei Bereichen zusammenführen.

Die Einheit "IuK-Dienstleistungen" soll Beratung, Betrieb und Lösungen anbieten. Wichtigster Bestandteil dieser Division, deren Geschäftsvolumen heute bei etwa acht Milliarden Mark liegt, ist der ehemalige SNI-Bereich Solutions and Business Services (SBS). In diesen hatte SNI bereits im vergangenen Jahr Lösungs- und Dienstleistungsgeschäft integriert.

Der neue Sektor "IuK-Netze" ist rund 23 Milliarden Mark schwer. Er setzt sich aus den Siemens-Abteilungen Öffentliche Netze (ÖN) und Private Netze (PN) sowie den Netz- und zugehörigen Service-Aktivitäten von SNI zusammen. Sämtliche Endgeräte von PN und SNI werden von der Siemens-Division "IuK-Produkte" angeboten, einschließlich der zugehörigen Service-Aktivitäten. Das Umsatzvolumen liegt bei zirka 19 Milliarden Mark.

Allerdings räumt Jung ein, daß noch nicht ganz klar sei, welche Produkte wo angeboten würden. Beispielsweise sei denkbar, daß große Server nicht von der Produkt-, sondern von der Netz-Division offeriert würden. Drei Projektgruppen untersuchten gegenwärtig, wie die Neuaufstellung des Konzerns am besten erfolge.

Siemens-Nixdorf-Chef Gerhard Schulmeyer geht nach der zum 1. Oktober 1998 abzuschließenden Eingliederung in die USA zurück, wo er neuer President und CEO der Siemens Corp. mit Sitz in New York werden soll. Im CW-Gespräch (siehe Seite 9) zeigte er sich davon überzeugt, daß Siemens durch die Verschmelzung von Kommunikations- und Informationstechnik eine "einmalige Marktposition" einnehmen werde.

Das Unternehmen habe sich entscheiden müssen, ob es durch die Fusion mit einem externen Unternehmen zu einer marktfähigen Größe wachsen oder durch die Integration in den Konzern ein einmaliges Profil gewinnen wollte. Aktionäre und Vorstand seien in ihrer Einschätzung übereingekommen, daß der zweite Weg der bessere sei.

Möglicherweise spielten bei dieser Entscheidung die schlechten Erfahrungen eine Rolle, die Siemens vor acht Jahren bei der Verschmelzung des Unternehmensbereichs Daten- und Informationssysteme (DI) mit der Nixdorf AG gemacht hatte.