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Siemens strebt Spitzenrang bei RFID an

13.07.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Technologiekonzern Siemens hat sich im Geschäft mit Funketiketten (RFID) hohe Ziele gesteckt. Die Münchner streben die weltweite Spitzenposition an. "Wir wollen Marktführer werden", sagte der Leiter des Geschäfts mit Informationstechnik-Lösungen des Konzernbereichs Siemens Business Services (SBS), Winfried Holz, der Finanznachrichten-Agentur dpa-AFX in München am Rande einer Tagung. "Derzeit sind wir einer der führenden Player, was die Zahl der Projekte und das Geschäftsvolumen angeht."

Auf den winzigen RFID-Chips (Radio Frequency Identification) können Informationen gespeichert und per Funk über eine Entfernung bis zu wenigen Metern ausgelesen werden. Als Anwendungsfelder nennt Siemens unter anderem die Bereiche Warenlager, Logistik, Transport, Produktion und Medizin, aber auch biometrische Pässe. Bei Einzelhändlern beispielsweise könne der Einsatz der Warenmarkierungstechnik Lieferzeiten verkürzen und Kosten senken. Derzeit steckt die Funketiketten-Technologie laut Experten allerdings noch in den Kinderschuhen.

Hemmfaktoren sind Kosten sowie die "optimierungsfähige Technologie". "Wir befinden uns an einem ziemlich frühen Punkt, so viel läuft eigentlich noch nicht", sagte Analyst Martin Haas vom Marktforschungsinstitut IDC der dpa-AFX. "Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend für den Erfolg von RFID", betont er. "Der Markt ist noch nicht reif genug, das Interesse ist aber da." Bremsend wirkten die derzeit noch relativ hohen Kosten für die Funketiketten, die zwischen ab etwa 0,25 Euro pro Stück zu haben seien. Zudem müssten Erfahrungen aus Pilotprojekten in die Technikentwicklung einfließen. Auch müsse sich die Branche um eine Standardisierung bei Frequenzen oder Codierungen bemühen.

IDC hatte Anfang dieses Jahres Unternehmen in Westeuropa zum Thema Funketiketten befragt. 82 Prozent planten derzeit nicht, RFID zu testen oder einzusetzen, wie die Umfrage ergab. 2005 wollen den Ergebnissen zufolge drei Prozent der Befragten diese Technologie anwenden, sieben Prozent planen Pilotprojekte. Bei fünf Prozent liefen gegenwärtig bereits Pilotprojekte. Die Unternehmen, die Funketiketten einsetzen, führen nach Aussage der Marktforscher vor allem folgende Gründe an: Bestands- und Warenverwaltung, Steuerung und Verbesserung der Zulieferung oder Schadensvermeidung. In den USA sehe die Lage ähnlich aus, sagte der Analyst.

Siemens ist unterdessen zuversichtlich. "Die RFID-Technologie-Testphase läuft noch, aber es gibt auch schon einige Anwendungen", sagte SBS-Manager Holz. "Ein reifer Markt ist es aber noch nicht - das wird wohl erst in etwa fünf Jahren so sein." Holz misst dem RFID-Markt kurzfristig ein Milliardenpotenzial bei und verweist auf Expertenschätzungen. Der Branchenverband BITKOM erwarte für Europa ein Marktvolumen von 2,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2008. Frost & Sullivan sehe bereits nächstes Jahr ein weltweites Volumen von 3,6 Milliarden US-Dollar, das bis 2011 auf 11,7 Milliarden Dollar anschwellen werde.

Für Siemens stehe nicht nur der RFID-Markt allein im Fokus, sondern auch der Markt für die nötigen Infrastrukturen sowie Dienstleistungen. Vier Siemens-Bereiche seien in diesem Geschäft aktiv: SBS, Automation & Drives (A&D), Logistics and Assembly Systems (L&A) sowie der umsatzstärkste Konzernbereich Communications (Com). "RFID ist bereits heute ein wichtiges Standbein der SBS-Strategie", sagt Holz. Noch steuere dieses Geschäftsfeld aber noch keinen gewichtigen Teil zum Umsatz bei.

Die Kosten für die Funketiketten müssten sinken. "Deutlich unter einem Cent sollte das Ziel sein", sagte der SBS-Manager mit Blick auf die günstigsten RFID-Chips. Derzeit würden noch Siliziumchips eingesetzt, künftig sollten es Polymerchips sein. Ein weiteres Thema, dem sich die Branche stellen muss, ist die Datensicherheit. "Reine technische Daten sind nicht kritisch", sagt Holz. Kritischer würde es bei personenbezogenen Daten. Hier gelte es, Verschlüsselungs- und Codierungstechniken einzusetzen. "Diese Frage ist noch kein Bremsschuh, denn der breite Einstieg ist noch nicht da."

Nicht alle sehen dies so locker. "Missbräuchlich genutzt, haben RFIDs ein großes Potential zur Gefährdung der Privatsphäre von Konsumenten, zur Verringerung oder bis hin zum Verlust der Käuferanonymität und zur Bedrohung bürgerlicher Freiheiten", heißt es beispielsweise in einem Positionspapier von FoeBuD. Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs berät nach eigenen Angaben Firmen, Institutionen sowie Verbände und vergibt seit 2000 den Datenschutz-Negativpreis "BigBrotherAwards". 2003 erhielt ihn der Einzelhandelskonzern Metro in der Kategorie Verbraucherschutz für sein Projekt "future store", mit dem die RFID-Technik in Deutschland propagiert werden sollte. Vorstandsmitglied Rena Tanges betont: "Mit Gesetzen allein ist es nicht getan." Ihre Forderung: Die Unternehmen müssen schon bei der RFID-Technikentwicklung auf Datenschutzfragen achten. (dpa/tc)