Deutsch-holländische Milliardenkooperation soll Weltspitze sichern:

Siemens/Philips - Spurt bei Chipentwicklung

19.10.1984

MÜNCHEN (ru) - Als die "Kooperation auf dem Gebiet der Siliziumtechnologie schlechthin" wird bei der Münchner Siemens AG der jüngste Zusammenschluß mit der NV Philips Gloeilampeniabrieken bei der Entwicklung und Fertigung von 4-MB-DRAM- und 1-MB-SRAM-Chips gewertet. Siemens wird in den kommenden drei bis vier Jahren etwa 1,4 Milliarden Mark in dieses Vorhaben investieren, das in dem firmeninternen "Mega-Projekt" eingebettet ist. Die reinen Entwicklungskosten des Elektronikkonzerns liegen für diesen Zeitraum bei 800 Millionen Mark.

Man wäre kaum bereit, verlautet aus dem Siemens-Konzern, eine so gewaltige Summe zu investieren, stünde der Markterfolg in Frage. Das Ziel der deutsch-holländischen Zusammenarbeit ist somit klar abgesteckt: Überproportional mit dem Markt möchten die beiden größten europäischen Halbleiterhersteller wachsen. Dabei richten sich die Anstrengungen gegen die Dominanz der Japaner und Amerikaner auf dem Chipmarkt.

Zugegeben wird dies bei Siemens nur indirekt. Ein Sprecher: "Beide Unternehmen wollen bei der nächsten Technologie-Generation, die zum Ende dieses Jahrzehnts zu erwarten ist, Weltspitze sein." Bei dem (....)jekt habe man eben die qualitative Zielsetzung, von der Leistungsfähigkeit her ganz vorne zu stehen.

Siemens, heute in Europa der einzige Lieferant von höchstintegrierten 64-KB-Speichern, wird in Regensburg für die Produktion der Chips ein neues Werk errichten. Der Grundstein ist bereits gelegt; im ersten Fertigungsabschnitt entstehen 350 neue Arbeitsplätze. Mit der Markteinführung der 1-MB-Speicher wird 1989 gerechnet. Die 4-MB dynamischen Speicher hingegen könnten nach Siemens-Einschätzungen schon ab 1987 verfügbar sein.

Da die Aufholjagd europäischer Elektronikunternehmen auf dem Schaltkreisesektor gewaltige finanzielle Anstrengung erfordert, hat das Bundesforschungsministerium eine Förderung des Projektes zugesagt. 300 Millionen Mark will Bonn unter dem Titel "4-MB-Entwicklung" aus dem Steuersäckel für die Phase I lockermachen, heißt es bei Siemens. Allerdings seien die Gelder noch nicht genehmigt, beträfen zum Teil aber auch Philips. Über die staatlichen Unterstützungen der zweiten Phase, die am 1. April des kommenden Jahres anläuft, ist bislang noch nichts bekannt.

Das Mega-Projekt wurde vom Siemens-Vorstand am 6. Februar dieses Jahres genehmigt. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat es Gespräche zwischen dem deutschen Unternehmen und seinem Partner in Eindhoven über Möglichkeiten der Zusammenarbeit gegeben. Im August schließlich kam an die Öffentlichkeit, daß beide Konzerne eine Kooperation bei Submicron-Chips mit einer Gesamtinvestition von drei Milliarden holländischen Gulden planen.

Das jetzige technische Tìta-ß-tìte will auch die niederländische Regierung unterstützen. 200 Millionen Gulden sollen an Subventionen fließen. Philips kostet der Spurt zur Weltspitze der Chip-Technologie ebenfalls Milliarden. Genaue Zahlen waren bei Redaktionsschluß nicht bekannt. In Eindhoven plant das niederländische Unternehmen die Einrichtung eines Zentrums für die Grundlagenforschung sowie angewandte Forschung höchstintegrierter Schaltkreise.

In EG-Kreisen gilt als ausgeschlossen daß Brüssel die holländische Spritze von 200 Millionen Gulden aus dem Esprit-Forschungsprogramm finanziert. Presseberichte hatten die Diskussion zu diesem Thema ausgelöst. Bei Esprit-Projekten ist keine nationale Unterstützung vorgesehen.

Die jetzt vereinbarte Kooperation von Siemens und Philips ist nicht die erste zwischen den beiden europäischen Elektrokonzernen. Schon in der Vergangenheit hatte es Gemeinsamkeiten bei der Bauelementeentwicklung gegeben, allerdings nie in der jetzt vereinbarten intensiven Form.