Beteiligung an zwei Softwarefirmen

Siemens ICN will Tempo im US-Markt beschleunigen

03.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Mit zwei strategischen Beteiligungen will der Siemens-Geschäftsbereich Information Communication Networks (ICN) seine Position im US-Markt stärken. Das Engagement ist Teil der Strategie, das Internet-Segment auszubauen, gleichzeitig aber die Produktkonzentration voranzutreiben. In drei Jahren wollen die Münchner weltweit zu den drei großen Netzausrüstern gehören.

Die Siemens-Sparte ICN befindet sich in den USA auf Aufholjagd. Erst vor wenigen Tagen gaben die Münchner bekannt, sich an dem kalifornischen Customer-Relationship-Management-(CRM-) Anbieter Quintus Corp., Fremont, zu beteiligen. Vor der Presse in München erläuterte Roland Koch, Vorsitzender des Bereichsvorstands von ICN, Details dieser Transaktion. ICN will 72 Millionen Dollar in die auf so genannte Contact-Center-Software spezialisierte Company investieren und erhält im Gegenzug Anteile in Höhe von 19,9 Prozent an dem US-Unternehmen. Quintus, seit November 1999 an der Nasdaq gelistet, erzielte im letzten Geschäftsjahr 50 Millionen Dollar Umsatz, gehört aber im Vergleich zu Wettbewerbern wie Siebel Systems oder Nortel Networks/Clarify zu den noch kleinen Anbietern im Zukunftsmarkt CRM.

Auf Einkaufstour befand sich auch die Siemens-Tochter Unisphere Networks, die die Übernahme des US-Unternehmens Broadsoft Inc., Gaithersburg, Maryland, ankündigte. Mit Broadsoft, einem Anbieter von Internet-basierten Telefonlösungen, will der Siemens-Ableger das Geschäft mit integrierten Lösungen für die Übertragung von Daten via Internet weiter ausbauen. Neben klassischen Routern entwickelt Unisphere auch Produkte für IP-basierte Netze. Finanziert werden soll der Merger - Siemens will Unisphere noch in diesem Jahr in New York an die Börse bringen - über einen Aktientausch.

Beide Übernahmen sind, wie Koch in München unterstrich, im Rahmen des neuen Strategieprogramms "ICN 4P" zu sehen. Die Initiative zielt ab auf die Steigerung der Profitabilität und die Stärkung des Produktportfolios - mit den Schwerpunkten Internet-basierte Konvergenzlösungen und Breitband-Zugangstechnologien. Bei IP-Konvergenzprodukten im Carrier- und Enterprise-Segment liegt ICN laut Koch bereits heute weltweit auf Platz eins - und damit vor den großen Playern Cisco Systems, Nortel Networks und Lucent Technologies. Aufholpotenzial sieht der Siemens-Manager jedoch noch bei Breitband-Access-Lösungen, wo im Moment Alcatel Marktführer ist, ICN dagegen mit einem der hinteren Ränge vorlieb nehmen muss.

Forcieren wollen die Münchner in Zukunft auch den Absatz von Internet-Routern - somit das Kerngeschäft der US-Tochter Unisphere. "Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen", gab Koch zu. Gute Wachstumsperspektiven haben dem ICN-Chef zufolge auch optische Transportnetze - auf diesem Gebiet ist Siemens in den USA mit dem Tochterunternehmen Optisphere vertreten - sowie das Integrations- und Lösungsgeschäft mit Carriern und Enterprise-Kunden. Produktbereiche wie die Übertragungstechnik ATM sollen dagegen in Zukunft zurückgefahren werden. Weitere Details wollte Koch jedoch nicht nennen.

Auch in Zukunft haben die Münchner vor, "schneller als der Markt" wachsen - also die von den Marktforschern prognostizierten elf Prozent zu übertreffen. ICN erzielte in den ersten neun Monaten des abgelaufenen Geschäftsjahres 1999/00 (Ende: 30. September) mit 54 700 Mitarbeitern einen Umsatz von acht Milliarden Euro. Der Anteil des Auslandsgeschäfts lag laut Koch zuletzt bei 75 Prozent, wovon jedoch erst 15 Prozent auf den US-Markt entfielen. Mit weiteren Akquisitionen soll das US-Geschäft in Zukunft gesteigert werden. Ziel sei es, die Einnahmen bei einem organischen Wachstum von deutlich über 50 Prozent in den nächsten drei Jahren zu verdoppeln.