Siemens bläst zur Aufholjagd

15.02.2005
Die Kommunikationssparte des Konzerns gibt sich im Handy-Geschäft nicht geschlagen und forciert zugleich die Bemühungen im Bereich Infrastrukturtechnik.

Lothar Pauly, Chef der Siemens-Konzernsparte Communications, blieb auf dem "3GSM World Congress" in Cannes eine Antwort auf die Zukunft der angeschlagenen Handy-Einheit von Siemens schuldig. Er bekräftigte nur, was zuletzt Heinrich von Pierer Ende Januar bei seiner Abschiedsrede als Vorstandsvorsitzender auf der Hauptversammlung gesagt hatte. Die vier Optionen Schließung, Verkauf, Partnerschaft oder Fortbestand seien alle weiter denkbar. Eine Abwicklung wolle der Konzern aber unbedingt verhindern, weil dadurch enorme Werte vernichtet würden.

Handys bringen rote Zahlen

Pauly ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass die Konzernmutter mit ihrem neuen CEO Klaus Kleinfeld an der Spitze auf Dauer keine Verluste akzeptieren werde. Alle Anstrengungen seien darauf gerichtet, eine rasche Lösung zu finden. Derzeit, so Pauly, laufe ein weiteres Programm zur Kostenreduzierung, um das Minus einzudämmen. Gleichwohl werde Siemens auch im aktuellen Quartal im Handy-Geschäft rote Zahlen schreiben.

Der Boss der gesamten Kommunikationssparte wollte in Cannes auch zu den Gerüchten um eine Partnerschaft mit dem japanischen Hersteller NEC nicht Stellung nehmen. Eine Kooperation im Stile des Joint Ventures Sony Ericsson wäre durchaus denkbar, weil Siemens mit NEC auch bei der Errichtung von Mobilfunknetzen erfolgreich zusammenarbeitet. Vieles deutete in Cannes aber darauf hin, dass Konzernchef Kleinfeld eine Sanierung des Handy-Business ohne externen Partner verordnet hat. Paulys Worte lassen sich so interpretieren: "Bei den Handsets haben wir eine Aufholjagd vor uns, die jetzt gestartet wurde."

Indiz für einen Alleingang könnte ferner die Ankündigung des UMTS-Handys "SXG 75" zur CeBIT sein. Dieses Modell ist eines von zwei Endgeräten, die das Münchner Unternehmen in diesem Jahr für die dritte Mobilfunkgeneration auf den Markt bringen wird. Auf die Frage, ob zwei UMTS-Produkte im Vergleich zu den Wettbewerbern nicht zu wenig seien, entgegnete Pauly: "Ich gebe zu, dass wir mit unseren UMTS-Handys zu spät dran sind." Er sehe aber auch keinen Sinn darin, zu viele Modelle im Angebot zu haben.

Erfolge mit Infrastruktur

Da das Handy-Geschäft zurzeit wenig Anlass zur Freude gibt, versuchte Pauly in Cannes, die führende Rolle von Siemens im Bereich Netzinfrastrukturtechnik in den Vordergrund zu stellen. Von weltweit 29 im vergangenen Jahr vergebenen 3G-Netzprojekten habe Siemens ein Viertel gewonnen - und damit mehr als jeder Mitbewerber. Die Münchner verbuchen 35 Prozent aller international installierten Mobilfunkbasisstationen auf ihr Konto. Um in Sachen UMTS neben dem für die CeBIT angekündigten Mobiltelefon ein weiteres Zeichen zu setzen, präsentierte Pauly auf der Messe eine HSDPA-Datenkarte (HSDPA = High Speed Downlink Packet Access). Siemens will bei der Verbreitung des Turbo-UMTS mit Transferraten zwischen 2 und 3 Mbit/s einer der Vorreiter sein und End-to-End-Lösungen anbieten. Die Datenkarte soll in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen und wird von dem Unternehmen selbst mit einem Chipsatz von Qualcomm gefertigt.

Pauly rechnet rasch mit einer Einführung des Standards, weil die Mobilfunknetzbetreiber damit einen schnelleren Zugriff auf das Internet ermöglichen und den Nachteil gegenüber DSL-Festnetzanschlüssen ausgleichen können. Bis 2008 werden die Mobilfunk-Provider in Westeuropa nach Ansicht des Siemens-Managers 30 Prozent ihrer Umsätze mit Datendiensten erwirtschaften. Dabei werde sich der Anteil von SMS zunehmend verringern, und andere Services wie MMS und Video, die derzeit nur drei Prozent zum gesamten Datenvolumen beitragen, würden auf 22 Prozent zulegen. Ende 2006 rechnen die Experten weltweit mit rund 150 Millionen 3G-Nutzern, derzeit sind es laut UMTS Forum 16 Millionen.

Neben dem 3G-Engagement verwies Pauly auch auf die Wimax-Entwicklungen aus dem Hause Siemens. Die Kommunikationssparte will ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte eine Wimax-Produktfamilie unter der Bezeichnung "Skymax" auf den Markt bringen. Auch hier wird der Konzern ein End-to-End-Portfolio an Carrier vermarkten.

Gut aufgestellt sieht Pauly seinen Bereich auch in Sachen Konvergenz zwischen Festnetz und Mobilfunk. Das Unternehmen adressiert diesen aufkommenden Markt mit seinem "IP-Multimedia Subsystem" (IMS). Dabei handelt es sich um eine Steuerungsplattform für Multimedia-Dienste in paketorientierten Netzen, für die Siemens in Cannes eine Reihe von Anwendungen auf Basis des Session Initiation Protocol (SIP) demonstrierte, wie zum Beispiel Push and Talk oder Animated Instant Voice Messaging.

Konvergente Netze

Den Beweis, dass IMS auch Dienste in konvergenten Netzen beherrscht, trat Siemens auf der 3GSM World mit Voice-over-IP-Telefonaten aus dem Mobilfunknetz auf PCs und auf Festnetztelefone sowie Push-and-Talk-Verbindungen zwischen Handy und PC an. Auf einem Notebook mit UMTS-Datenkarte liefen dabei gleichzeitig IMS-Services wie Whiteboarding, Videotelefonie sowie File-Transfer ab.

IMS wurde bereits bei dem Mobilfunkanbieter Orange und dem Internet-Service-Provider Wanadoo eingeführt. Beides sind Töchter von France Télécom, mit der Siemens 2004 eine Partnerschaft geschlossen hat. MMO2 will die Plattform 2007 installieren.