Das Rechenzentrum im Wandel

Sieben neue Trends im Data Center

14.08.2012
Von 
Ariane Rüdiger ist freie Autorin und lebt in München.

Trend 5: Rechenzentren werden abgespeckt und modularisiert

„Das wichtige an einem Rechenzentrum ist die Rechenleistung“, sagt Microsoft-Mann Belady. Das gesamte Drumherum aus Kühlung, Klimatisierung, Schränken etc. sollte weitestgehend abgespeckt werden. „Am Ende steht flächendeckend Tier 1!“, fordert der Manager, also ein RZ mit minimalen Klima-, Redundanz- und Sicherheitsvorkehrungen. Zur Ballastreduzierung gehört auch, dass Komponenten weitestgehend standardisiert und modularisiert werden. Microsoft setzt dieses Prinzip in seinen neueren Rechenzentren mit selbst entwickelten Modulen um, den sogenannten IT Pre-Assembled Containern (IT PAC). Modularität werde zum wichtigen Lösungskonzept für viele Rechenzentrums-Neubauten oder Erweiterungen bestehender Anlagen, sagt nicht nur Belady. Kritiker wie Ashley Davis, Geschäftsführer des Londoner Rechenzentrumsbetreibers Infinity, wenden ein, dass Modularität sich vor allem für überschaubare Rechenzentren lohne. Große Rechenzentren ließen sich nach wie vor günstiger aus einem Guss bauen.

„Das Elektronikschrott-Recycling-Problem steht jetzt auf der Agenda von The Green Grid“, sagt Jack Pouchet, Director Energy Initiatives, Emerson Network Power, und Europa-Koordinator im Vorstand von The Green Grid
„Das Elektronikschrott-Recycling-Problem steht jetzt auf der Agenda von The Green Grid“, sagt Jack Pouchet, Director Energy Initiatives, Emerson Network Power, und Europa-Koordinator im Vorstand von The Green Grid
Foto: Ariane Rüdiger

In Zukunft werde der Ausfall eines einzelnen Servers oder Speichers durch intelligente Selbstheilungsmechanismen und besonders robuste Anwendungen kompensiert, erwartet Belady. Die Last werde bei Problemen automatisch woanders hin verschoben, die Komponente bei nächster Gelegenheit ausgetauscht. Mit der Frage, was dann mit dem Müll geschieht, will sich The Green Grid beschäftigen. „Wir machen Recycling von Elektroschrott zu unserem Thema“, sagt Jack Pouchet, Direktor Energieinitiativen bei Emerson Power und für Europa-Koordinierung zuständiges Vorstandsmitglied bei The Green Grid.

Trend 6: Neue Netze fürs Cloud-RZ

Auch in den Netzwerken in und zwischen Rechenzentren stehen große Veränderungen an. Mindestens zwei bis drei GBit/s Durchsatz müssen es heute schon sein. Und fünf bis zehn Prozent des Data Center-Budgets sollten in die Verkabelung fließen, empfiehlt jedenfalls der RZ-Ausrüstungsspezialist Anixter in einem Informationsfilm. Maßgebliche Richtlinie ist hier die aus den USA stammende TIA 942A respektive das Pendant ISO/IEC 24764. Für Kupferkabel auf der Horizontalebene werden Cat-6- oder -6A-Kabel vorgeschlagen, bei Glasfaser die Kabelklassen OM3 oder OM4. Standardgeschwindigkeit ist heute 10G. Für 40/100 GBit/s gibt es zwar inzwischen mit 802.3ba eine Norm, doch dürften diese Transportmechanismen wohl vorläufig eher selten eingesetzt werden. Switche sollten entweder in der Serverreihe (End/Middle of the Row) oder aber auf dem Rack sitzen, beispielsweise bei bestimmten Blade-Architekturen. Letzteres bringt allerdings eine hohe Herstellerabhängigkeit mit sich.

Software Designed Networking (SDN) im RZ

Ein wichtiger neuer Trend in diesem Kontext heißt Software Designed Networking (SDN). Gemeint ist die routerunabhängige, über einen Controller außerhalb des Datenpfades laufende Definition von Netzverbindungen, die auch parallel für mehrere Anwendungen über dieselbe Leitung laufen können. Gerade haben Brocade und NEC auf diesem Sektor eine enge Kooperation angekündigt, was Cisco in seiner Rolle als führender Anbieter von Netzwerkinfrastruktur herausfordern dürfte. Brocade will eine Koexistenz klassischen Networkings mit SDN auf derselben Infrastruktur ermöglichen. NEC hat mit dem Programmable Flow Controller den ersten Controller für die derzeit populärste SDN-Technologie OpenFlow im Programm. Auch die Gemeinde der Metro-Ethernet-Provider wünscht sich OpenFlow, um schneller als bisher Verbindungen über die Grenzen einzelner Providernetze hinweg anzubieten. Dann können beispielsweise leichter Lasten zwischen einzelnen Cloud-Rechenzentren verschoben werden.

Trend 7: Die RZ-Branche organisiert sich europaweit

In Nizza gegründet: Die EUDCA (European Data Center Association)
In Nizza gegründet: Die EUDCA (European Data Center Association)
Foto: EUDCA

Auf der europäischen IT-Messe Datacentres 2012 in Nizza, die vom britischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Broad Group organisiert wird, gründete sich die EUDCA (European Datacenter Association), die sich als Lobby der Interessen von RZ-Betreibern, -Nutzern und –Lieferanten versteht. Um unter anderem EU-Regulierungsinitiativen, etwa zum Energieverbrauch, zu beeinflussen, hat der Verband ehemalige hochkarätige Europapolitiker angeworben. EUDCA konnte zum offiziellen Start im Mai 2012 bereits auf 50 Mitglieder verweisen, rund 200 aus ganz Europa werden in den ersten zwei Jahren angestrebt. Wichtigste Ziele der neuen Industrieorganisation neben dem Lobbying: Europäische Zertifizierungsnormen für Data Center, damit hiesige Betreiber nicht mehr für viel Geld Zertifizierungen vom amerikanischen Uptime-Institut einkaufen müssen. Darüber hinaus geht es auch um Austausch und Ausbildung. (wh)

Lesen Sie mehr zur Gründung der EUDCA in unserem Interview: Data Center-Verband EUDCA: “Die RZ-Branche in Europa braucht eine Stimme“