Notes-System hilft bei der Pflege von Kundenbeziehungen

Shell-Netz orientiert sich am Vorbild der Wasserwerke

07.03.1997

In bezug auf einen Großabnehmer ist die herkömmliche Art der Anbieter-Kunde-Beziehungen wenig effizient: Jede einzelne Lieferung separat zu ordern beziehungsweise in Rechnung zu stellen, kostet Zeit und Geld. Zudem ist ein solches System nicht besonders flexibel. Kurzfristige Änderungen oder Bestellungen in letzter Minute bringen die Produktionsplanung und die Abrechnungsstellen durcheinander.

Shell Chemical war diese Umstände leid. Der Anbieter besann sich auf die Art und Weise, wie beispielsweise die Wasserwerke ihre Kundenbeziehungen handhaben: Abnehmer und Lieferant treffen sozusagen eine Ausschließlichkeitsvereinbarung. Das Wasserwerk stellt die Ware bereit, der Kunde entnimmt soviel er braucht, und einmal im Monat überweist er die Rechnung.

Diesen Ablauf will Shell Chemical imitieren. Anstatt darauf zu warten, daß der Kunde nachbestellt, planen die Texaner, selbst tätig zu werden und vorausschauend eine Order zu plazieren. Einmal im Monat stellt das Unternehmen jedem Abnehmer den tatsächlichen Verbrauch in Rechnung.

Rund 200000 Dollar und zwei Monate Arbeit investierte Shell in ein umfassende Kundenbestandssystem. Dieses Shell Inventory Management Order Network (Simon) basiert auf einer Reihe von Datenbanken, die unter der Workgroup-Software "Notes" von Lotus Development laufen und für die Kommunikation mit den Serversystemen der Kunden offenstehen.

Die Entscheidung zugunsten von Notes ist erstaunlich, da sich die chemische Industrie eigentlich darauf geeinigt hatte, für den Austausch kaufmännischer Daten strikt den Quasi-Standard Electronic Data Interchange (EDI) zu nutzen. Doch das EDI-Protokoll erwies sich als nicht flexibel genug, um beispielsweise die Definition von Ausnahmeregeln zuzulassen.

Mit Simon können die Kunden ihren voraussichtlichen Bedarf und ihre Bestandsdaten, aber auch eventuelle Abweichungen vom regulären Verbrauch lokal eingeben. Ein Server in seiner Einkaufsabteilung kommuniziert mit den Notes-Datenbanken bei Shell und überträgt eventuelle Änderungen in die eigenen Systeme. Dieser Vorgang heißt Replikation.

Die Vertriebsmitarbeiter von Shell Chemical können über ein Token-Ring-Netz ebenfalls auf diese Daten zugreifen, so daß sie in der Lage sind, den Bedarf des Kunden zu erkennen und darauf zu reagieren. Jeden Monat berechnet Simon die aufgelaufenen Abnahmemengen und verschickt eine exakte Rechnung.

Shell Chemical hofft, durch diese direkte Kundenbeziehung seinen Umsatz derart zu steigern, daß sich die Implementierungskosten innerhalb kürzester Zeit amortisiert haben werden. Eigenen Schätzungen zufolge kann der Konzern auf diese Weise zehnmal mehr einnehmen, als er dafür ausgeben muß. Möglicherweise wird er das System auch an andere Unternehmen lizenzieren.