Studie über den (unterbewerteten) technischen Kundendienst:

Serviceleiter: Vom Wasserträger zum Manager

05.06.1987

MÜNCHEN(CW)-Gemessen an den Wachstumsprognosen für den Kundendienstsektor wird die Bedeutung des technischen Serviceleiters weitgehend unterbewertet. Zu diesem Schluß gelangt das Münchner Beratungsunternehmen Atlantic Consultants GmbH in einer Studie, die in Abstimmung mit dem Deutschen Kundendienstleiter-Verband e.V. durchgeführt wurde.

Die Leiter des technischen Kundendienstes beherrschen ihr Metier gut und befinden sich auch in der Berichterstattung mit Marketing- und Vertriebsleitern auf der zweiten Hierarchieebene des Unternehmens: Über die Hälfte berichten unmittelbar der Geschäftsführung. Hinsichtlich ihres Entscheidungsspielraumes rutschen sie jedoch auf die dritte Stufe ab.

Bis auf die mehrheitliche Autonomie bei der Anschaffung von Material und Meßmitteln sind sie in mehr als der Hälfte der anfallenden Entscheidungen lediglich mitbestimmend. Das Leistungsangebot gestalten sie immerhin zu knapp 50 Prozent allein, bei weniger als 40 Prozent der Serviceleiter liegt die Entscheidungsfreiheit in den Bereichen Preiskalkulation und Personal. Nur knapp zehn Prozent haben die Alleinentscheidung bei Organisationsänderungen.

Aus diesen Daten zieht die Atlantic-Consultants-Studie den Schluß, daß "die Position des TKD-Leiters gegenüber seiner Bedeutung und Verantwortung unterbewertet ist". Erhärtet wird diese These angesichts einer IDC-Quelle über -den Zuwachs im europäischen Software- und EDV-Dienstleistungsmarkt: Von 1985 bis Anfang der 90er Jahre wird eine Verdoppelung des Servicemarktes prognostiziert. Nach Angaben von Atlantic Consultants beurteilen auch annähernd 80 Prozent der Kundendienstleiter die Zukunftsaussichten ihres Bereiches als positiv.

Angesichts des erwarteten Wachstums sind nach Ansicht der Münchner Berater die technischen Serviceleistungen "noch nicht in dem für den Kunden ausschlaggebenden Rahmen in die Marketing-Konzeption eingebunden". Bei gleichförmiger werdenden Produkten könne eine Differenzierung im Wettbewerb häufig nur noch über den Service erfolgen.

Der Studie zufolge sind jedoch nur knapp 60 Prozent der Kundendienstleiter der Meinung, daß ihr Service voller Bestandteil des Marketing-Konzeptes ihres Unternehmens ist. Bei allen Erkenntnissen über die mit dem Service verbundenen Möglichkeiten beurteilt dies die Softlab-Tochter als "schlichtweg unverständlich".

Die zunehmende Bedeutung des Services impliziert im wachsenden Maße Management-Know-how der Kundendienstleiter. Doch gerade sie sind aufgrund ihrer technisch orientierten Aufgabenstellung häufig noch sehr weit davon entfernt. Diese einseitige Qualifikation bereitet ihnen Schwierigkeiten, sich der Bedeutung ihres Aufgabenbereiches angemessen zu präsentieren.

So empfinden mehr als zwei Drittel der Befragten ihre Verantwortung als Bürde, fast ebenso viele beklagen sich mit 50 Wochenstunden über Zeitdruck. Auch die Informationsschaffung gilt einem Drittel als Last, zusätzlich nervt ein Drittel die Auseinandersetzung mit unternehmensinternen Personen. Auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe, folgert Atlantic Consultants, sind die Kundenmstleiter nicht umfassend und sinnvoll vorbereitet worden, darüber hinaus sind sie nicht von in den Informationsfluß ihrer Unternehmen eingebunden.

Das Leistungsreservoir ließe sich gerade durch Management-Weiterbildung erweitern. Hier sieht das Beratungsunternehmen, das sich seit mehreren Jahren mit dem Bereich des technischen Kundendienstes befaßt, eine große Lücke: Seit seiner Einstellung in das gegenwärtige Unternehmen hat der Kundendienstleiter durchschnittlich lediglich an drei bis vier Seminaren teilgenommen. Nach durchschnittlichem zwölfjährigen Verweilen im Unternehmen macht das alle drei bis vier Jahre ein Workshop.

Einen weiteren wichtigen Schritt zum Ausbau des technischen Kundendienstes sieht Atlantic Consultants in der Erweiterung des EDV-Einsatzes. Als Organisationsmittel im administrativen Bereich des Services findet die Datenverarbeitung zu 50 Prozent Verwendung in großem Umfang, auf dem technischen Sektor ist sie in erheblichem Maße, noch ausbaufähig. Die Service-Führer würden sich nicht sträuben, beurteilen sie doch die bisherigen Veränderungen ihrer jetzigen Tätigkeit durch Computer durchweg positiv: Sie brächten Entlastung von Routine, Verbesserungen von Entscheidungsvorbereitungen sowie Möglichkeiten neuer Problemlösungen.

Hinsichtlich des technischen Kundendienstes könnten bessere Organisationsformen, moderne Hilfsmittel, besseres Management-Know-how sowie eine stärkere Integration in die Unternehmensstrategie vielfältige Verbesserungen bringen. Nach Überzeugung von Atlantic Consultants wird der zukünftige Leiter des technischen Kundendienstes mehr Manager sein, als er selbst vielleicht erwartet und seine Managementkollegen sich vorstellen können - oder wollen.

Ingenieure vorn

Mehr als in jedem anderen Berich ist auf dem EDV-Sektor beim technischen Kundendienst eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung gefragt: Rund 80 Prozent der Serviceleiter haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß in Ingeneurwissenschaften, zwischen zehn und fünfzehn Prozent studierten Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Als leichter Trend zeichnet sich die zunehmende Besetzung der Serviceführung durch Nicht-Techniker ab.

Sitzfleisch

Dem gegenwärtigen Unternehmen gehören die Service-Leiter durchschnittlich seit12 Jahren an, etwa halb so lang haben sie ihre derzeitige Führungsposition inne, Firmenwechsel nehmen sie eher in den ersten Berufsjahren vor. Inklusive aller Nebevergütunden verfügen sie

über ein Durchschnittsjahreseinkommen von 130 000 Mark und erreichen damit überwiegend das Level von Marketing- und Vertriebsleitern.