Service und Technologie sollen koordiniert werden Digital Equipment wird Microsoft im Enterprise-Markt unterstuetzen

11.08.1995

MUENCHEN (CW) - Microsoft und die Digital Equipment Corp. (DEC) arbeiten zusammen: Die Gates-Company wird zwischen 50 und 100 Millionen Dollar in die Ausbildung von DEC-Ingenieuren stecken, die dann fuer das Softwarehaus Serviceleistungen uebernehmen sollen. Im Gegenzug vergibt DEC Lizenzrechte seiner Cluster-Technologie an Microsoft. Beide Unternehmen schlossen darueber hinaus weitere Technologievereinbarungen ab.

In den kommenden zwei Jahren soll, so das Abkommen, die auf Microsoft-Produkte spezialisierte 800 Mitarbeiter starke Servicemannschaft von DECs Support-Geschaeftsbereich Multivendor Customer Services (MCS) auf 1500 Mann vergroessert werden. Schon ab kommendem Monat werden DECs Microsoft-Spezialisten Windows-95- Unterstuetzung nach einem gestaffelten Leistungsangebot offerieren.

Microsoft wird DEC dafuer vollen Zugang zum Sourcecode von Windows NT geben. Dieses Betriebssystem steht im Zentrum des Abkommens. Hierfuer will Microsoft auch DECs Cluster-Technologie nutzen, denn NT ist erklaertermassen Microsofts Betriebssystem der Wahl fuer die unternehmensweite DV. Allerdings ist es nur begrenzt skalierbar. Deshalb soll DECs Cluster-Technologie aushelfen. Mit ihrer Hilfe koennten bis zu 30 NT-Server in einem lose gekoppelten Verbund miteinander arbeiten.

Gates versprach DECs CEO Robert Palmer ferner, in Zukunft wichtige Microsoft-Applikationen wie etwa "Office" sowohl auf der Intel- als auch auf DECs Alpha-Plattform verfuegbar zu machen.

Allerdings wird Microsoft Windows NT nicht an DECs Open-VMS- Betriebssystem annaehern, das bekanntlich auch auf Alpha-RISC-CPU- Servern laeuft. NT und Open VMS werden auch nicht gemischt in Clustern eingesetzt werden koennen. DEC wird allerdings Microsofts WOSA-Schnittstellen (Windows Open Systems Architecture) unter Open VMS unterstuetzen.

Bevorzugter Anbieter oder nur verzweifelt?

Die Uebereinkunft zwischen dem Hard- und dem Softwarehaus sieht ueberdies eine Zusammenarbeit von Entwicklern beider Firmen vor, um Microsofts zukuenftige "Exchange-Server"-Mail-Technologie mit DECs "All-in-1"- und "Mailworks"-Produkten unter einen Hut zu bringen. Exchange-Arbeitsplaetze sollen so in Zukunft in der Lage sein, auch auf andere Mail-Umgebungen zuzugreifen.

Einige Analysten aeusserten die Meinung, mit diesem Abkommen habe sich DEC einerseits bei Microsoft zum bevorzugten Computeranbieter aufgeschwungen. Microsoft andererseits habe seinem erklaerten Ziel, Ansprueche bei der unternehmenweit gefuehrten DV anzumelden, einigen Nachdruck verliehen. Andrew Allison, Herausgeber des US- Newsletters "Inside the New Computer Industry", sagte, mit dieser Uebereinkunft haetten die beiden Firmen einen weiteren Nagel in den Unix-Sarg geschlagen.

Allerdings unterhaelt die Gates-Company aehnliche Marketing- und Technologie-Vereinbarungen mit Hewlett-Packard (HP) und der AT&T Global Information Solutions (GIS). Gates betonte in diesem Zusammenhang, die nunmehr beschlossene Zusammenarbeit gehe weit ueber das hinaus, was Microsoft bislang mit anderen Firmen vereinbart habe.

Nicht alle sehen allerdings den Deal so positiv: Ein Marktbeobachter vertrat die Ansicht, DEC habe mit der Vergabe der Lizenzrechte fuer seine Cluster-Technologie an Microsoft zu viele Opfer gebracht. DEC, so der Berater aus Chikago, sei verzweifelt darum bemueht, im NT-Segment Marktanteile zu gewinnen.

Nach Informationen des Marktforschungsunternehmens Computer Intelligence Infocorp aus La Jolla, Kalifornien, ist NT zur Zeit weltweit 1,25 Millionen Mal installiert. In diesem Jahr koennten schaetzungsweise weitere 1,4 Millionen Einheiten hinzukommen. Es sei moeglich, so die Marktforscher, dass 1996 weitere vier Millionen Betriebssystem-Kopien von NT verkauft wuerden.

DECs Anteil an diesem NT-Segment betraegt aber weniger als zwei Prozent. Damit liegt der ehemalige Minicomputer-Spezialist weit hinter Compaq, sagte Scott Winkler, Vice-President und Analyst des Marktforschungsinstituts Gartner Group Inc. Zudem arbeiten die meisten DEC-Server unter Windows NT nicht mit Alpha, sondern mit Intels CISC-CPUs.