Hohe Investitionen sind oft der einzige Ausweg:

Service-RZs - am Wendepunkt

19.09.1986

CW-Bericht, Ulf J. Froitzheim

Einst waren sie der Nabel der DV-Welt: Sie bereiteten den Hardwareherstellern den Boden und über zeugten die Unternehmer von den Vorteilen des Computers. Ohne die unabhängigen Dienstleistungs-Rechenzentren lief nichts. Mittlerweile hat sich ihr althergebrachtes Konzept überlebt. Service-Rechenzentrum 1980- das heißt: Unternehmensberatung, Online-Verbund, Schulung. Backup, Hardwarevertrieb. Die Tage von RZs, die jetzt nicht in solche zusätzlichen Dienstleistungen investieren, sind gezählt. Aber der Weg in die Zukunft ist vielen zu teuer.

In der Branche macht kaum noch jemand einen Hehl daraus: Die Umsätze bröckeln ab. Immer mehr Kunden laufen den Service-Rechenzentren weg, weil sie sich für den Einsatz eigener Rechner entschieden haben. Die DV soll stärker ins Unternehmen integriert werden; zudem hinterläßt der Mikrocomputerboom seine Spuren in den Fachabteilungen. Niedrige Hardwarepreise tun ihr übriges. Doch nicht wenige-vor allem kleinere - Service-Rechenzentren arbeiten weiter, als sei nichts geschehen. Sie stehen der Entwicklung hilflos gegenüber, bieten unzeitgemäße Programme zu unzeitgemäßen Preisen an. Den im Wortsinn viel versprechenden Marketingmanagern der Hardwareindustrie wird der Kundenfang auf diese Weise erleichtert, zumal sich in vielen Unternehmen die Einstellung von Chef und Belegschaft zum Computer gewandelt hat. Die Berührungsängste weichen der Neugierde.

Gleichzetig mit der Popularisierung des Computers änderten sich auch die organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen an eine moderne DV-eine zusätzliche Herausforderung für die Service-Rechenzentren. Denn nicht selten fehlt ihnen das nötige Kapital, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Oft stammt die Hardwareausstattung noch aus der vorvorletzten Systemgeneration. Relikte aus der Blütezeit der BUNCH-Anbieter stehen dort, wo längst die Kompatibilität zu heutigen Betriebssystemstandards gefragt wäre. Die Batch-Ära ist hier längst noch nicht vorbei; Online-Verarbeitung ist bislang nicht überall Standard.

Seit sich Anfang der achtziger Jahre der Siegeszug der Mikrocomputer abzeichnete, haben die unsatzstärksten Service-Rechenzentren ihre Strategie geändert. Die Stuttgarter Taylorix-Organisation versucht den Wunsch der Kunden und Mandanten nach eigener PC-Leistung und das eigene Interesse an Aufrechterhaltung des RZ-Betriebs unter einen Hut zu bringen, indem sie den Siemens-PC als Hausmarke vertreibt. Ein ähnliches Marketing kennt die Branche von der DPS-Gruppe, die zu den größten IBM-PC-Händlern im Land gehört, ursprünglich aber ein reines RZ-Unternehmen war. Da am Kleinrechner bekanntlich kaum etwas zu verdienen ist, wenn der Verkäufer nicht gleichzeitig viel Zusatzausstattung und Dienstleistungen an den Mann bringt, sehen die Geschäftsführer dieser Auch-Handelsunternehmen den PC nur als Mittel zum Zweck. Er ist das Vehikel, mit dem der Klientel das Rechenzentrum schmackhaft gemacht wird. Das Prinzip ist dasselbe wie bei der Datev: Komplexe Anwendungen, die häufiges Updating erfordern, etwa Lohn- und Gehaltsabrechnung, laufen auf einem (möglichst online) ans RZ angeschlossenen PC. Der Steuerberater oder Mandant wird zum Anwender, ohne sich um Betriebsystem- oder Softwareprobleme kümmern zu müssen. Doch das RZ muß groß und kompetent genug sein, damit sich eine solche Lösung sich für den Anwender lohnt.

Aus eigener Kraft kann allerdings die Mehrheit der Rechenzentren solche Dienstleistungsangebote nicht auf die Beine stellen. Wer im Jahr nur zwei oder drei Millionen Mark umsetzt, der kann die notwendigen Investitionen für die Entwicklung und Pflege der Programme, für die entsprechende Hardware, für den Aufbau der Kommunikationsnetze meist nur aus Fremdmitteln finanzieren. Und dann werden die Kapitalkosten zu hoch, um noch marktgerechte Preise kalkulieren zu können.

Zusammenschluß wird zum rettenden Ausweg

Ein Zusammenschluß mit ähnlich strukturierten RZs in anderen Einzugsgebieten mag da für manchen zum rettenden Ausweg werden. Um die Anschaffung einer untereinander kompatiblen Hardware kommt. dabei allerdings niemand herum. Typische Installationen sind hier IBM 43XX, Siemens 7.5XX oder HP 3000.

Auch auf einem anderen Marktsegment kann sich die Zusammenarbeit mehrerer RZs sowohl für die beteiligten Dienstleister als auch für den Anwender lohnen: beim Backup. Allerdings haben hier die Großen schon einen Vorsprung, den einzuholen für weniger umsatz- und kapitalstarke Service-RZs sehr schwer sein dürfte. Die Info AG arbeitet derzeit sogar schon an Konzepten, wie man mehrere zeitgleiche Ausfälle kompensieren kann. Für Newcomer in diesem Geschäft liegt die Chance in für den Kunden preiswerten Lösungen, und auch hier gibt es Vorbilder. DPS etwa offeriert seinen RZ-Klienten ein automatisches Backup, berechnet aber erst Gebühren, wenn der Notfall eintritt und die Kunden die entsprechenden Dienste tatsächlich nutzen.

Die Alternative zu den "echten" DV-Dienstleistungen sehen viele RZ-Chefs in der Unternehmensberatung. So hat sich auch Anfang des Jahres der Verband deutscher Rechenzentren, (VDRZ) mehrheitlich für den Zusammenschluß mit dem Bund deutscher Unternehmensberater (BDU) entschieden. Diesem Weg stehen die Großen der Branche eher skeptisch gegenüber. Sie sehen eine Entwicklung kommen, die dazu führt, daß die DV eines Tages nur noch eine Nebenrolle spielt. Aber auf dem Terrain der Unternehmensberatung, so meint der Geschäftsführer einer RZ-Kette mit Sitz im Rheinland, gebe es Mitbewerber, mit deren Erfahrung RZs kaum konkurrieren könnten.