Service-Portal für Groß- und Einzelhandel

31.07.2002
Von Alexander Deindl
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Für die Kunden, Mitarbeiter und Support-Partner der Andernacher SHD Datentechnik sind mit dem neuen Web-basierten "Internet/Intranet Support Information System" (ISIS) neue Zeiten angebrochen. Realisiert wurde das Integrationsprojekt auf Basis eines postrelationalen Datenbankmanagementsystems, das mit seinem Mix aus SQL-, Objekt- und direktem Zugriff eine effiziente Entwicklung ermöglichte.

Seit der Live-Schaltung ihres ISIS- Portals im Mai diesen Jahres können die SHD-Kunden von überall her auf das interne Service-Angebot des auf Einzel- und Großhandel spezialisierten Software- und Systemhauses zugreifen und sämtliche Informationen zu installierter Hard- und Software in Kundensystemen transparent darstellen, optisch aufbereiten, verändern und pflegen.

Performance misst Peter Burnes, Abteilungsleiter Systementwicklung bei der SHD Datentechnik, längst nicht mehr nur in Transaktionen pro Sekunde: "Seit wir uns für die Migration auf eine postrelationale Datenbank entschieden haben, sparen wir rund 50 Prozent der Entwicklungszeit ein", gibt der EDV-Profi stattdessen zu Protokoll.

Das "Internet/Intranet Support Information System" (ISIS) der SHD Datentechnik basiert auf einem postrelationalen Datenbankmanagementsystem.
Das "Internet/Intranet Support Information System" (ISIS) der SHD Datentechnik basiert auf einem postrelationalen Datenbankmanagementsystem.

Diese - für IT-Verhältnisse recht außergewöhnliche - Effektivitätssteigerung resultiert keineswegs aus etwaigen Investitionen in leistungsfähigere Hardware. Vielmehr hatte sich das Management der SHD Datentechnik im Frühjahr 2001 für den Austausch der bis dato existierenden Entwicklungsumgebung gegen ein postrelationales Datenbankmanagementsystem (DBMS) entschieden, als es darum ging, ein Pflichtenheft für das E-Business-Projekt ISIS auf die Beine zu stellen: "Wir benötigten eine Hochleistungsdatenbank für die Entwicklung und Integration komplexer Applikationen, die uns hinsichtlich der Leistungsfähigkeit sowie Skalierbarkeit überzeugte und uns doch gleichzeitig umfangreiche Freiheiten hinsichtlich der Flexibilität ließ", begründet der Verantwortliche, weshalb die Andernacher den bis zu jenem Zeitpunkt verwendeten Standards "php" und "My SQL" den Laufpass gaben.

Flexibel ist nun auch das Ergebnis dieser IT-Philosophie. Konkret handelt es sich bei ISIS um ein so genanntes Service-Portal für E-Business-Anforderungen, bestehend aus einer "Informationsdatenbank" und einem "Support-Tool". Das Support-Werkzeug gewährleistet sowohl den Mitarbeitern im eigenen Unternehmen und externen Support-Partnern, als auch dem vornehmlich aus Einzel- und Großhändlern in der Möbel-, Sanitär- und Elektrobranche bestehenden Kundenstamm via Internet-Anbindung beziehungsweise über das firmeneigene Intranet einen bequemen Zugriff auf die internen Dienste des Servicebereichs. Gewissermaßen als "Bonus" zu dem kommerziell verfügbaren SHD-Produktportfolio aus System- und Organisationslösungen wie Finanzbuchhaltung, Lagersteuerung oder Personalplanung, besitzt die Klientel des Andernacher Konzerns mit ISIS rund um die Uhr die Option, einen neuen Servicefall zu eröffnen, ihn optisch aufzubereiten, zu verändern und ihn zu

protokollieren.

ISIS dient in erster Linie der Auskunft, Recherche sowie der eigentlichen Bearbeitung von Support-Calls nach zuvor definierten Benutzer-Berechtigungen. Integrierte Dokumenten-Management-Funktionen erlauben etwa die vollautomatische Annahme eingehender Kunden-Calls per Internet, Mail oder Fax. Möglich wird dieses "digitale Callcenter" durch Einbindung eines eigenen Dokumenten-Servers, der eingehende E-Mails von einem POP3-Mail-Server und empfangene Telefaxe von einem Fax-Server in einen dedizierten Dokumenten-Pool überträgt. In dieser "Sammelstation" können die eingegangenen Dokumente von den autorisierten Mitarbeitern gesichtet und direkt mit den jeweiligen Support-Calls verknüpft werden.

Darüber hinaus lassen sich zusätzlich angelegte Dokumente wie beispielsweise geschäftstypische Formbriefe im klassischen Rich-Text-Format per Browser-Upload in den Dokumenten-Pool übertragen und von beliebigen Mitarbeitern bearbeiten oder ausdrucken. Der Clou: Sämtliche Dokumente residieren nicht als einzelne Dateien auf einem separaten Festplattenbereich, sondern werden in einem Dokumenten-Pool komplett innerhalb der Datenbank als so genannte Streamdaten abgelegt. Damit ermöglicht die SHD Datentechnik ihren Mitarbeitern einen ortsunabhängigen Zugriff auf die archivierten Files.

Zu den ausgehenden Kommunikationsmöglichkeiten von ISIS gehören Mail, Fax sowie eine automatische Anwahl per Computer Telephony Integration (CTI) mittels eines eigenen Programmes (RAS-Dialer). Ebenso sorgt eine vereinfachte Speicherung neuer Telefonnummern und Adressen in elektronischen Verzeichnissen und nicht zuletzt die einfache Anwahl von Gesprächspartnern per Mausklick für mehr Effizienz in der täglichen Arbeit. Sämtliche Aktionen des Benutzers setzen dabei lediglich einen Java-kompatiblen Browser voraus. Burnes Resümee: "Alles in allem führen diese Funktionen zu einer deutlichen qualitativen Verbesserung der Dienstleistung und vor allem zu einer erheblichen Zeitersparnis im Alltagsgeschäft".

Multidimensionaler Datenzugriff

Doch um das im Sommer letzten Jahres begonnene E-Business-Engagement auch technologisch zu verwirklichen, ging es für die SHD-Spezialisten zunächst darum, sich nach einer geeigneten Entwicklungsumgebung umzusehen: "Wir haben uns schließlich für die postrelationale Datenbank Caché 4.1 von Inter Systems entschieden, weil wir mit den verwendeten Plattformen php und My SQL sehr früh an unsere Grenzen gestoßen waren", konstatiert der IT-Verantwortliche.

Gerhard Zoche, SHD Datentechnik: "Es ist schade, dass Caché noch nicht die Popularität von Oracle und Co. besitzt."
Gerhard Zoche, SHD Datentechnik: "Es ist schade, dass Caché noch nicht die Popularität von Oracle und Co. besitzt."

Anders als relationale Datenbankmanagementsysteme bietet Caché nicht nur den für relationale Derivate üblichen SQL-, sondern gleichzeitig auch einen objektorientierten und selbst einen direkten multidimensionalen Zugriff auf die Informationen, ohne dass zusätzliche programmiertechnische Modifikationen nötig sind. Burnes konkretisiert: "Zugriffe sind mit Caché sowohl über JDBC, ODBC oder SQL - wie in unserem Fall auf das Navision-ERP - als auch direkt mit anderen Entwicklungstools möglich".

Über eine generische DLL-Anbindung innerhalb von Caché gleicht die SHD Datentechnik täglich Informationen aus dem Navision-ERP-System mit der InterSystems-Datenbank ab. Gleichzeitig lassen sich die im ERP-System vorhandenen Daten per SHD-eigener Schnittstelle (die ODBC-Treiber von ISC nutzt) synchronisieren. Anwender erhalten so stets den konsolidierten Zugriff auf den jeweils aktuellen Datenbestand.

Grundsätzlich ist es den SHD-Technikern durch den Einsatz von Caché als Anwendungsplattform gelungen, das traditionelle relationale und das modernere objektorientierte Speichermodell unter einen Hut zu bringen. Die SHD Datentechnik hatte dadurch Burnes zufolge "die einmalige Chance, ein grafisches Frontend für den komfortablen Zugriff zu generieren, ohne die relationale Struktur der auf den verschiedenen Servern residierenden Daten verändern zu müssen".

So konnte sogar gewährleistet werden, dass ein Benutzer via grafischem Interface und ein anderer via ASCII-Schnittstelle auf ein und denselben Datenbestand zugreift. Der Schlüssel zu einem derartigen Entwicklungskonzept liegt darin, dass Daten in ihrer gesamten Komplexität innerhalb eines Objekts abgelegt werden können. Vergleichbar sei dies mit "einem Auto, das man in die Garage fährt und das nicht, wie bei SQL der Fall, in Teilen nach Stoßstangen und Reifen sortiert abgestellt werden muss, um es später vor dem Herausfahren wieder zu montieren", betont Burnes den objektorientierten Ansatz der Anwendung.

Ähnlich unproblematisch sollte denn auch die systemspezifische Umstellung beim Kunden erfolgen, um bereits getätigte Investitionen nicht zu gefährden. Laut Burnes achtete die SHD Datentechnik während der Entwicklung darauf, dass die vom IT-Dienstleister vermarkteten Warenwirtschaftssysteme auf derselben Datenbank aufsetzen: "Kunden müssen also nicht gleich eine andere Warenwirtschaft erwerben, nur um Caché nutzen zu können. Der Kunde bekommt einfach eine neue Datenbank und kann seine existierenden ERP-Systeme nach wie vor verwenden, ganz egal, ob im Hintergrund ein Terminal steht oder nicht".

Für die hohen Performance-Steigerungen mit Caché 4.1 hat Burnes eine wesentlich technischere Erklärung parat: Anders als bei anderen Architekturen finden mit den implementierten Caché Server Pages (CSP) sowohl die Datenverarbeitung als auch die logische Verarbeitung auf ein und demselben Server statt, während sonst die Informationen kontinuierlich zwischen Datenbank- und Web-Server konsolidiert werden müssen.

Einmal geschriebene Anwendungen lassen sich durch dieses Prinzip wesentlich schneller ausführen, weil die gesamte Kommunikation zum Laden und Verarbeiten der Daten entfällt. Dieser technische Clou führt schließlich zu einer Entlastung des Webservers, "und das bringt den entscheidenden Performance-Zuwachs", so die Erfahrung Burnes´.

Augenscheinlich wurde ein signifikanter Zeitgewinn allerdings schon während der Entwicklung des Service-Portals, weil die Programmierer so genannte Code und Tag basierende Entwicklungsmethoden erstellt haben. Durch die in Caché integrierten vordefinierten Schnittstellen zwischen HTML-Seiten und Datenbank-orientierten Geschäftslogiken ließ sich die Interaktion der Komponenten zudem während jeder Entwicklungsstufe testen. Burnes: "Caché hat uns durch die komfortablen Möglichkeiten zur Abbildung komplexer Zusammenhänge überzeugt". Dazu zählten neben der engen Verknüpfung mit der internen Unternehmenskommunikation unter anderem auch Abhängigkeiten, die beispielsweise zwischen dem Portal und der Verfügbarkeit von benötigten IT-Komponenten für SHD-Kunden bewerkstelligt werden mussten.

Hinzu kommen umfangreiche Abfrage- und Suchfunktionen, die die SHD Datentechnik für die Entwicklung und den Ablauf der E-Business-Anwendung ISIS zwingend vorausgesetzt hatte. Nicht weniger relevant für den Zuschlag an Inter Systems war denn auch die zugesicherte Kompatibilität der postrelationalen Datenbank mit momentan marktführenden Programmier-Tools.

Aufgrund der von Caché unterstützten Werkzeuge Visual Basic und Delphi konnte der IT-Dienstleister auf angestammtes Know-how innerhalb des Entwicklungsteams zurückgreifen. Verantwortlich für die halbierte Entwicklungszeit im Vergleich zu php und My SQL macht der IT-Experte nicht zuletzt auch die "Verträglichkeit" zwischen Caché Objects und der Extensible Markup Language (XML). Bestehende Caché-Objects-Applikationen sind ohne Veränderung auch XML-fähig.

Denn anstelle von klassischem HTML-Code "konvertiert" ein implementierter Caché-Wizard entsprechende Klassen und deren Eigenschaften automatisch in das XML-konforme Format. Einzelne Klassen lassen sich so relativ mühelos als XML-Dokumente darstellen, die ihrerseits anschließend als eigenständige Dateien oder Online-Inhalte weiterverwendet werden können. Im Gegenzug ist es möglich, existierende XML-Dokumente automatisch in ein Caché-Objekt umzuwandeln.

Technische Raffinessen, die auch nach der Überzeugung des für den Vertrieb zuständigen Geschäftsführers Gerhard Zoche mit derzeit erhältlichen relationalen Datenbank-Modellen, zumindest so nicht realisierbar gewesen wären: "Caché ist den Datenbankprodukten der Konkurrenten in diesen Aspekten ein gutes Stück voraus", konstatiert der Manager, nicht ohne aber gleichzeitig einen Wermutstropfen zu erwähnen: "Es ist schade, dass die Datenbank noch nicht die Popularität von Oracle und Co. besitzt, aber das könne ja noch kommen".

Erste öffentliche Lorbeeren für das Service-Portal ISIS konnte die SHD Datentechnik unterdessen Ende April 2002 bei einem internationalen Innovationswettbewerb in Orlando, Florida, ernten: Unter weltweit 26 Nominierungen erhielt das Software- und Systemhaus vom Marktforschungsinstitut International Data Corp. (IDC) den zweiten Preis des diesjährigen Caché Innovator Award. Grund genug für den Geschäftsführer, an die ökonomische Zukunft des bislang nur firmenintern genutzten Service- und Support-Tools zu denken: "Im nächsten Jahr werden wir ISIS auch kommerziell - etwa für den Bereich von Reklamationsverarbeitungen - aktiv vermarkten".