Service: Fressen oder gefressen werden

15.12.2006
Von 
Sabine Prehl ist freie Journalistin und lebt in München.
Um die zahlreichen Anbieter zu ernähren, wächst der IT-Dienstleistungsmarkt nicht schnell genug.

Der IT-Servicemarkt konsolidiert sich weiter. Dem Brancheninformationsdienst "Computerwire" zufolge wurden in den ersten neun Monaten 2006 weltweit 241 Übernahmen und Fusionen unter IT-Dienstleistern getätigt. Das entspricht einem Zuwachs von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zwischen Juni und September lag der Anstieg sogar bei 31 Prozent. Auch hierzulande ist der Trend nicht aufzuhalten: Anfang der Woche hat der japanische Konzern Fujitsu Services eine Mehrheit an dem Neckarsulmer IT-Dienstleister TDS erworben. Weitere prominente Beispiele in diesem Jahr waren die Fusion von Sparkassen Informatik und IZB Soft sowie die Übernahme der TUI-Tochter Infotec durch den indischen Anbieter Sonata.

Hier lesen Sie ...

  • warum sich der IT-Servicemarkt konsolidiert;

  • welche Strategien die IT-Dienstleister verfolgen;

  • welche Anbieter in Deutschland zukaufen werden;

  • und wie sich der Markt dadurch verändert.

Geografische Expansion

Mette Ahorlu, IDC: "In Europa sind fast alle IT-Dienstleister auf Brautschau."
Mette Ahorlu, IDC: "In Europa sind fast alle IT-Dienstleister auf Brautschau."

Angesichts der zunehmenden Marktreife ist die Konsolidierung eine logische Entwicklung. "Der westeuropäische IT-Servicemarkt wird bis 2010 im Schnitt nur um fünf Prozent pro Jahr zulegen. Das reicht nicht, um die hohe Zahl an Anbietern zu erhalten", erläutert Mette Ahorlu, Research Manager bei IDC. "Wer heute stärker als der Markt wachsen will, muss zukaufen." Ab- gesehen von Capgemini seien in Europa derzeit alle Provider auf Brautschau. Auch Andreas Burau, Research Director bei der Experton Group, sieht einen klaren Verdrängungswettbewerb: "Die Grenzen des organischen Wachstums sind erreicht, es gibt nicht mehr viel zu verteilen."

Vor allem die geografische Expansion ist ohne Zusammenschlüsse kaum zu stemmen. Viele Anbieter sind zwar in ihrem Heimatland gut im Geschäft, stoßen dort aber an ihre Wachstumsgrenzen. Zukäufe gelten als probates Mittel, um Kunden in neuen Märkten zu gewinnen. So verschaffte sich Logica CMG mit der Übernahme des größten schwedischen IT-Dienstleisters WM Data Zugang zum skan- dinavischen Markt, der als äußerst lukrativ gilt. Hinzu kommt, dass immer mehr Anwender Wert auf die Erbringung von Services auf weltweiter oder europäischer Ebene legen: "Viele Kunden sind ja globaler aufgestellt als die Provider, entsprechend hoch sind ihre Anforderungen", so Burau.

Oft geht es auch darum, zusätzliche Geschäftsfelder beziehungsweise Know-how zuzukaufen. So setzt Afiliated Computer Systems (ACS) mit der Übernahme des US-amerikanischen SAP-Beratungshauses Systech Integrators auf den Ausbau seines mittelständischen SAP-Geschäfts. Hintergrund dieser Strategie ist die verbreitete Forderung der Kunden nach IT-Services aus einer Hand - von der Beratung über die Integra- tion und Implementierung bis hin zum Outsourcing. Größe ist aus Anwendersicht generell ein wichtiger Faktor: Viele Firmen fühlen sich bei einem großen Anbieter sicherer auf- gehoben, meint Burau: "Es geht ihnen darum, dass ihre Systeme mindestens zehn Jahre am Markt bestehen und entsprechend gepflegt werden. Das betrifft auch die zugehörigen Dienstleistungen."

Bei den meisten Firmenzusammenschlüssen handelt es sich aber um Zukäufe von kleinen Anbietern, die auf bestimmte Themen oder Branchen spezialisiert sind - etwa Security, Identity-Management oder SOA (Service-oriented Architecture). "Insbesondere bei neuen Themen haben viele IT-Dienstleister zu wenig Know-how, um aus eigener Kraft auf den erforderlichen Wissensstand zu kommen", so Burau.

Die Akquisition durch einen großen Anbieter kann für die Provider handfeste Vorteile haben. "Kleine Beratungsfirmen haben oft nur ein Spezialgebiet, mehr ist mit ihrer begrenzten Mitarbeiterzahl nicht zu stemmen", erläutert Sascha Pfeiffer, Mitglied der Geschäftsführung bei der Investmentbank Close Brothers. "Als Expertentruppe eines großen IT-Dienstleisters können sie mehr auch internationale Kunden erreichen."

Weltweite Lieferkapazitäten

Auch WM Data hofft, von der internationalen Ausrichtung zu profitieren und Logicas umfangreichen Pool an billigen Arbeitskräften in Indien und Osteuropa zu nutzen. Dem Offshore-Trend kann sich kaum noch ein Anbieter entziehen, meint Stjernfelt: "Der Markt erwartet immer mehr für weniger Geld, und dieser Druck wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen."

Nicht enthalten in der Tabelle ist die Fusion zwischen Sparkassen Informatik und IZB Soft in diesem Jahr.
Nicht enthalten in der Tabelle ist die Fusion zwischen Sparkassen Informatik und IZB Soft in diesem Jahr.

Vor diesem Hintergrund wird die Konsolidierung weiter voranschreiten. "In zehn Jahren wird es vornehmlich globale Player geben, die in Niedriglohnländern günstig produzieren und ihren Kunden gleichzeitig im jeweiligen Land genug Prozess- und Branchen-Know-how vermitteln können, sowie kleine Spezialisten, die in ihren jeweiligen Leistungsbereichen zur innovativen Elite gehören", prognostiziert Experton-Analyst Burau. Typische Übernahmeobjekte seien daher Anbieter, die weder globale Delivery-Kapazitäten und Services noch Spezialwissen bieten.

"SBS ist am Ende, und T-Systems wird aller Voraussicht nach verkauft werden, damit gibt es keinen deutschen Champion mehr", lautet die gewagte These von Investment-Banker Pfeiffer. Von der Konsolidierung bedroht sei einerseits der gehobene Mittelstand: "Firmen wie Softlab, Materna oder MSG haben nicht genug Geld, um als Konsolidatoren aufzutreten", begründet Pfeiffer. Hinzu kommen Rekrutierungsprobleme: "Selbst florierende Mittelständler finden keine guten Leute mehr", hat der Experte beobachtet. "Seit dem Platzen der Dotcom-Blase gehen viele IT-Fachkräfte lieber zu großen Konzeren, die einen sicheren Arbeitsplatz und bessere Gehälter bieten können."

Erschwerend komme hinzu, dass die mittelständischen Kunden immer internationaler werden. "Heute muss ein IT-Dienstleister etwa in der Lage sein, ein SAP-System auf globaler Ebene auszurollen. Und das fällt einem klassischen 200-Mann-Beratungshaus ohne ausländische Niederlassungen extrem schwer", begründet Pfeiffer. Anbieter mit einem Jahresumsatz zwischen zehn und 100 Millionen Euro werden daher in Zukunft geschluckt werden, wenn sie es nicht schaffen, sich auf bestimmte Nischen - Technologien, Themen oder Branchen - zu fokussieren, so seine Prognose. "Das ist das Einzige, was sie noch retten kann."

Französische Anbieter suchen

Damit bietet der deutsche IT-Servicemarkt viel Potenzial für ausländische Kaufinteressenten. Vor allem Anbieter aus Frankreich - etwa Capgemini und Atos Orign - sind laut Pfeiffer derzeit auf Übernahmen aus, um ihre hiesige Präsenz auszubauen. Auch in Amerika gibt es eine Reihe von IT-Dienstleistern, denen eine Plattform in Deutschland fehlt - etwa ACS und CGI. Hewlett-Packard (HP) ist ebenfalls auf der Suche, meint Pfeiffer: "Mit Triaton hat HP Outsourcing-Kompetenz erworben. Um das Geschäftsmodell von IBM Global Services nachbauen zu können, braucht HP aber auch gute Consultants."

Hohe Profitmargen der Inder

Auch indische IT-Dienstleister gelten als potenzielle Käufer. "Durch Übernahmen können ausländische Firmen hierzulande von allen Vorteilen gleichzeitig profitieren: einer größeren Kundenbasis, einem neuen Markt und lokalen Experten", so Pfeiffer. IDC-Analystin Ahorlu glaubt, dass die indischen Anbieter vor allem zukaufen werden, um ihren Kunden onshore Spezialisten in der Highend-Beratung bieten zu können. Abgesehen davon rechnet die Expertin aber nicht mit groß angelegten Fusionen oder Übernahmen von Seiten der Inder: "Diese IT-Dienstleister sind an Profitmargen gewöhnt, von denen US-amerikanische und europäische Anbieter nur träumen können. Firmen mit einer teuren Kostenstruktur sind für sie nicht attraktiv."