IBM, Compaq und HP starten Speicherinitiativen

Server-Hersteller kämpfen um den SAN-Markt

18.02.2000
MÜNCHEN (ba) - Mit der Offensive der Branchenriesen IBM, Hewlett-Packard und Compaq wird der Konkurrenzkampf im Markt für Storage Area Networks (SANs) härter. Mit groß angelegten Testzentren und neuen Software-Tools wollen die Hersteller eine plattformübergreifende und zentrale Datenverwaltung sicherstellen.

"Storage Area Networks stehen heute vor den gleichen Problemen, vor denen in den 80er Jahren die Netzwerkbranche stand." So lautet die ernüchternde Bestandsaufnahme von Dave Hill, Leiter des Speicherbereichs bei der Aberdeen Group, einem Bostoner Marktforschungsunternehmen. Die Anbieter verstricken sich in endlosen Diskussionen um Standards, während die Anwender um die Kompatibilität der Geräte und ein zentrales Management ringen. Diese Probleme erzeugen Unsicherheit, die die Akzeptanz von SANs nicht gerade fördert, warnen die Experten.

Der großen SAN-Euphorie, die letztes Jahr die gesamte Speicherbranche elektrisierte, folgte der große Katzenjammer. Um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, haben große Rechnerhersteller wie IBM, Hewlett-Packard und Compaq fast zeitgleich neue Speicherinitiativen gestartet. Alle drei Hersteller setzen dabei unter anderem auf Testzentren, die den Anwendern einen fehlerfreien Betrieb ihrer Speichernetze garantieren sollen.

Den Anfang machte IBM Anfang Februar dieses Jahres. Die Armonker starteten ihr SAN-Programm mit der Eröffnung zweier "European SAN Interoperability Labs" in Mainz sowie im südfranzösischen Montpellier. Während sich die Techniker in Mainz im Wesentlichen auf eine fehlerfreie Zusammenarbeit der unterschiedlichen Komponenten konzentrieren sollen, stehen in Montpellier Belastungstests der Speichernetze im Vordergrund.

Der Betrieb im Mainzer Testzentrum soll auf zwei Schienen laufen. Zum einen will IBM heterogen zusammengesetzte Modellkonfigurationen aufbauen und auf Interoperabilität testen. Zweitens sollen Kunden ihre eigenen Speicheranlagen testen können. Ein Kostenmodell für das zuletzt genannte Dienstleistungsangebot steht bislang noch nicht, erklärt Franz-Joachim Schubert, Direktor für den SAN-Support bei IBM. Denkbar seien Tagessätze für die Nutzung des Testzentrums oder Pauschalpreise, die sich am Umfang der Projekte orientierten.

Bei der Zusammenstellung der Modellanlagen zeigt Schubert keine Berührungsängste mit der Konkurrenz. "Wir sind offen. Wir bieten allen Herstellern an, mit uns zu kooperieren", versichert der IBM-Manager. Für ihn sei es ohne weiteres vorstellbar, dass Compaq auf IBM zukomme, um zu testen, ob sich die Compaq-Server mit den "Shark"-Speichern der Armonker vertragen.

Auch der in Houston ansässige PC-Hersteller Compaq übt sich im Schulterschluß mit der Konkurrenz. Die Texaner planen, in Colorado Springs ein Technologiezentrum für Speichernetze einzurichten. Wie bei IBM sollen hier verschiedene Speicherkomponenten auf ihre Interoperabilität geprüft werden. Im Laborteil von Compaq liegt der Testfokus auf den eigenen Speichergeräten sowie den Komponenten der Partnerfirmen.

Offene Türen: Compaq lädt zum Testen einEin anderes, etwa 1000 Quadratmeter großes Areal des Testzentrums will der PC-Hersteller dem Standardisierungsgremium Snia zur Verfügung stellen (Snia = Storage Networking Industry Association). Hier soll es allen Mitgliedern möglich sein, ihre Speicheranlagen zu prüfen. Laut Bernhard Hinderer, dem leitenden Manager für die deutsche Storage Division der Texaner, werde IBM als einer der ersten Hersteller Einzug in diesen Teil halten, um seine Shark-Speicheranlagen im Verbund mit Compaq-Rechnern zu testen.

Im Spätsommer dieses Jahres sollen 600 Compaq-Techniker im neuen Speicherzentrum mit der Arbeit beginnen. Ein Dienstleistungsmodell, in dem Kunden ihre eigenen Speichernetze testen können, will Compaq allerdings nicht anbieten.

Hewlett-Packard wird im Zuge seiner Speicherinitiative 300 Millionen Dollar investieren, um zwei "SAN Integration Center" in Atlanta sowie im kalifornischen Cupertino aufzubauen. Über 200 Techniker sollen hier die Interoperabilität verschiedener Komponenten in einem Speichernetz testen. Ein zweiter Schwerpunkt werde darin liegen, die Konfigurationen auf optimale Leistung zu tunen, erklärt Lory Elliot, Marketing-Manager für das SAN-Geschäft in der kalifornischen HP-Zentrale.

Über die organisatorische Struktur des Testbetriebs gibt es noch keine genauen Informationen. Insider gehen jedoch davon aus, dass in den HP-Labors nur die eigenen Geräte sowie die der Partnerfirmen Einlass finden werden. Tests als Serviceangebot für HP-Kunden sind bislang nicht geplant. Wann das Speicherzentrum fertiggestellt sein und seine Arbeit aufnehmen wird, steht ebenfalls noch nicht fest.

Der Vorstoß des in Palo Alto residierenden Herstellers läuft an der deutschen HP-Außenstelle vorerst vorbei. Ob in Europa oder in Deutschland ähnliche Anlagen geplant seien, könne man noch nicht sagen, erklärt Guido Klenner, Produkt-Manager für den deutschen Storage-Bereich. Zwar betreibe HP in Böblingen ein Testzentrum, in dem Benchmarks, unter anderem auch für Speicheranlagen, ermittelt werden. Ob das Labor allerdings in Zukunft auch Interoperabilitätstests vornehmen werde, stehe noch in den Sternen.

Mit Hilfe der Testzentren könnte es den Anbietern zwar gelingen, den Kunden etwas mehr Sicherheit zu garantieren. Ein Allheilmittel für die Probleme der SAN-Szene können die Labors aber auch nicht bieten. Problematisch bleibt zum Beispiel die Umkonfiguration eines bereits getesteten Speichernetzes. Theoretisch müsste der Kunde seine Anlage nach einem Umstieg jedesmal erneut prüfen lassen, um einen fehlerfreien Betrieb zu sichern. Doch diesen Aufwand wird sich kaum ein Unternehmen leisten können. In solchen Fällen sollen bereits getestete Referenzkonfigurationen dem Kunden ein gewisses Maß an Sicherheit bieten, erklärt Jens Wissenbach, IBM-Mitarbeiter im Mainzer SAN-Labor. Außerdem würden Techniker dem Kunden zur Seite stehen, sollte dieser eine neue Komponente in sein Speichernetz einsetzen wollen.

Alle für einen - einer für alleDie Testzentren bilden nur den Auftakt zu groß angelegten SAN-Initiativen, die die drei SAN-Verfechter in diesem Jahr starten wollen. Dabei bauen IBM, Compaq und Hewlett-Packard größtenteils auf altbekannten Konzepten auf, die bereits im letzten Jahr auf den Weg gebracht wurden. Allein im Bereich Speichersoftware und Storage-Management scheint sich einiges zu tun, wenn man den Roadmaps der Hersteller vertrauen will.

Gemeinsames Ziel der Anstrengungen ist eine zentrale, plattformübergreifende und herstellerunabhängige Datenverwaltung in einem Speichernetz (siehe Kasten "Die Software macht das SAN"). Mit diesem Schlachtruf stehen die Computergrößen nicht allein. Auch Sun verfolgt mit seinem "Jiro"-Konzept ähnliche Ziele. Und Speicherhersteller EMC versucht mit Firmenakquisitionen, das notwendige Software-Know-how an Bord zu holen.

Mit den jetzt gestarteten SAN-Programmen haben einige der größten Hardwareanbieter die Initiative im Speichermarkt vorerst an sich gerissen. Die Wege, die die drei Konkurrenten beschreiten wollen, gleichen sich, und bis auf ein paar Sticheleien, wer nun das bessere Speicher-Management habe, gehen sie auch sehr pfleglich miteinander um.

Das eigentliche Ziel dieser Initiativen ergibt sich aus der bisherigen Marktentwicklung. Mit ihrem Marktgewicht wollen IBM, Compaq und HP einen De-facto-Standard schaffen, um endlich Ordnung in das Speichergeschäft zu bringen. Zwar wolle man die Snia nicht außen vor lassen und auch alle Entwicklungen dem Standardisierungsgremium zur Zertifizierung vorlegen, erklärt Hinderer von Compaq. Jedoch sei klar, dass durch die Zusammenarbeit der Branchengrößen ein De-facto-Standard geschaffen würde, an dem auch eine Snia nicht vorbeikönne.

Ein anderer Speicher-Manager auf der Herstellerseite, der nicht genannt werden möchte, wird da schon deutlicher. "Die Standardisierungsgremien sind in vielen Fällen nur Debattierklubs, in denen Firmen versuchen, Standards zu verhindern, damit sie ihre eigenen proprietären Lösungen pushen können." Deshalb müsse man den gleichen Weg gehen wie vor einigen Jahren beim TCP/IP-Protokoll: Die Hersteller sollten mit ihren Partnern die entsprechenden Produkte implementieren und damit einen De-facto-Standard schaffen.

Friede, Freude, Eierkuchen im Speichergeschäft?Ganz so einfach wird es allerdings nicht werden, glaubt Norbert Deuschle, Speicherexperte bei der Meta Group. Grundsätzlich seien die Initiativen zu begrüßen. Allerdings werde bei den Herstellern der Fokus nach wie vor auf den eigenen Plattformen liegen. "Zwischen den Marketing-Erklärungen und der Realität wird weiter eine große Lücke klaffen", orakelt der Marktforscher.

Wenn es an die Realisierung eines Speicherprojektes in einer heterogenen Umgebung gehe, würden viele kleine Probleme auftauchen, befürchtet Deuschle. Zwar werden die großen Hersteller in den sauren Apfel beißen und versuchen müssen, Produkte der Konkurrenz zu integrieren. Sollte das Projekt allerdings scheitern, würde der Schwarze Peter sicher dem gebeutelten Anwender zugeschoben. Nach dem Motto: Wir haben gleich gesagt, dass das nicht funktioniert.

Trotz aller Schwierigkeiten tut die Initiative dem Speichermarkt gut, glaubt der Analyst. Die Ansätze von IBM, Compaq und HP seien gut, und wenn die Umsetzung funktioniere, könnte endlich ein Licht am Ende des düsteren Speichertunnels auftauchen. Die Hersteller versuchen, Kompetenz zu demonstrieren. Wurden früher alle Probleme zum Kunden verlagert, zeigen heute die Anbieter mehr Einfühlungsvermögen. Und letztendlich tue auch die Konkurrenz dem Markt gut. Die Zeiten, in denen einzelne Hersteller alleine auf der Storage-Wiese grasen durften, seien vorbei. Und das komme in erster Linie dem Kunden zugute.

Die Software macht das SANIBM plant in diesem Jahr, umfassende Speicherfunktionen unter dem Dach seines Tivoli-Frameworks zusammenzufassen. Das Speicherkonzept ruht auf vier Säulen: Daten-, Ressourcen-, Netz- und Geräte-Management.

Für jeden dieser Bereiche sollen Speicher-Tools auf den Markt kommen: der "Tivoli Storage Manager" für die Verwaltung der Daten, der "Tivoli Space Manager", um die Speicherressourcen zuzuteilen, der "Tivoli SAN Manager" für die Konfiguration des Speichernetzes sowie der "Tivoli Management Agent" und verschiedene "Storewatch"-Werkzeuge, um die Storage-Komponenten in das Netz einzubinden.

Auch bei Compaq steht die "Open-SAN"-Strategie unter dem Motto, alle Geräte und alle Plattformen mit Hilfe eines Verwaltungs-Tools in den Griff zu bekommen. Aus diesem Grund haben die Texaner eine eigene Software-Division "Enterprise Storage Software" (ESS) ins Leben gerufen. Der neue Geschäftsbereich soll an Tools für das Speicherpaket "SAN-Works" arbeiten. Allerdings werde man die Speicherverwaltung nicht in ein Framework integrieren, erklärt Compaqs Speicher-Manager Bernhard Hinderer. Anwender könnten aber die Speicherverwaltung mit allen offenen System-Management-Tools verknüpfen, wie zum Beispiel HPs "Openview", "CA Unicenter" oder Tivoli.

Die Entwickler bei Hewlett-Packard basteln in der "Enterprise Storage Business Unit" an einer umfassenden Speicherverwaltung, die offene Schnittstellen zu allen gängigen Frameworks bieten soll. Mit Hilfe von Agenten, die auf den unterschiedlichen Speichergeräten laufen sollen, will HP die Storage-Hardware in heterogenen Speicherumgebungen bändigen. Erste Produkte sollen auf der diesjährigen CeBIT vorgestellt werden, erklärt HP-Manager Guido Klenner.

Abb.: Das SAN-Geschäft wird im Speichermarkt der nächsten Jahre am deutlichsten zulegen können. 2002 werden bereits 37 Prozent des Gesamtumsatzes auf den Konten der Hersteller von Speichernetzen landen. Quelle: IDC