"Winserver"-Systeme unterstuetzen Hunderte Anwender

Sequent hofft mit Windows NT und Tricord auf gute Geschaefte

29.01.1993

Microsofts Betriebssystem wird auf Sequents "Winserver"-Systemen laufen. Bei diesen handelt es sich wie schon bei den Unix-Rechnern der "Symmetry"-Reihe um Mehrprozessor-Maschinen. Offiziell werde man - so der Sequent-Chef - die Winserver-Modelle praesentieren, sobald Microsoft Windows NT angekuendigt hat. Dies soll nach den juengsten Informationen zur Fruehjahrs-Comdex im April in Atlanta geschehen.

Powell beugte moeglichen Geruechten, Sequent werde sich mit der Hinwendung zu Microsoft aus dem Unix-Engagement herausstehlen, bereits vor. Er wird mit der Aeusserung zitiert, sein Unternehmen bleibe auch weiterhin auf Unix eingeschworen. Man sehe aber durchaus Platz fuer zwei offene Betriebssysteme in der Sequent- Produktpalette: "Um sich als Anbieter offener Systeme zu etablieren, muss man sowohl NT als auch Unix anbieten koennen." Nach Aussagen von Sequent-Offiziellen wollen die Marketiers um Powell die Winserver-Rechner mit vorinstalliertem Windows NT ausliefern.

Bereits im August demonstrierten Sequent und die Gates-Company, dass Multiprozessor-Rechner keine Domaene ausschliesslich von Unix- Implementationen sind: Im Sommer 1992 zeigten die beiden Geschaeftspartner Windows NT unter Microsofts SQL-Server sowie Oracle 7 auf einem Mehr-CPU-Symmetryrechner.

Darueber hinaus konnten sich Interessenten davon ueberzeugen, dass auch Microsofts LAN Manager sowie Sequents Parallelimplementation der SPX/IPX-Protokolle von Novell auf dem Symmetrysystem eingesetzt werden koennen. Bei dieser Installation arbeiteten Windows-PCs als Front-ends in Client-Server-Applikationen.

Dieses erst im Entstehen begriffene, aber im Zuge von Downsizing- Aktivitaeten zunehmend attraktive Anwendungsumfeld will Sequent vor allem auch mit seinen neuen Rechnern abdecken. Powell rechnet dabei mit Windows NT als zukuenftig fuehrendem Betriebssystem fuer zeitkritische Anwendungen. Der Sequent-Chef glaubt, mit den Symmetrie- und Winserver-Rechnern die Mittelebene unternehmensweiter DV-Strukturen mit Server-Systemen ausstaffieren zu koennen. Damit wuerde man den Beduerfnissen von Firmen, die sich dem Downsizing-Thema annaehern wollen, entgegenkommen.

Bei der Produktion der Winserver-Familie bedient sich Sequent der Entwicklungshilfe von Superserver-Anbieter Tricord Systems Inc. Die Winserver-Boxen sollen zunaechst mit bis zu sechs 486-CPUs (50 Megahertz) ausgeliefert werden. Sobald die P5- beziehungsweise Pentium-Prozessoren von Intel in Mengen verfuegbar sind, sollen sie in den Sequent-Tricord-Rechnern zum Einsatz kommen. Hiermit ist allerdings wohl nicht vor Anfang 1994 zu rechnen.

Wang soll Sequent ebenfalls unterstuetzen

Nach den vorliegenden Informationen wird Tricord die Systeme produzieren und unter der Bezeichnung "K2" vertreiben. Allerdings hat sich Sequent das Exklusivrecht vorbehalten, die Winserver mit Windows NT auf den Markt zu bringen. Die Entwickler aus Beaverton haben fuer ihre Rechner NTs Hardware Abstraction Layer (HAL) umgeschrieben. Die solchermassen fuer symmetrische Multiprozessor- Systeme optimierte NT-Version soll ebenfalls ausschliesslich ueber Sequent zu beziehen sein. Die Winserver-Rechner kosten moeglicherweise zwischen 100 000 und 125 000 Mark und sollen mit Oracle 7.0, dem Microsoft-SQL-Server beziehungsweise anderen Datenbankoptionen versehen sein.

Tricord war erstmals im Juni 1990 mit seinen "Powerframe"- Superservern auf den Plan getreten. In einem Forrester-Research- Report, der Anfang 1992 das Superserver-Angebot von Compaq ("Systempro"), der Netframe Systems Inc. ("NF-Series"und der Parallan Computer Inc. ("Server 290") analysierte, attestierten die Autoren den Entwicklern um Firmengruender Larry Ingwersen, sich vor allem der I/O-Problematik gewidmet zu haben. Das Hochgeschwindigkeits-Bussystem der Powerframe-Server zwischen CPUs und I/O-Massenspeicher-Peripherie sei sehr gelungen.

Positiv fiel den Analysten ferner auf, dass bei den Tricord- Rechnern insofern fuer Offenheit gesorgt wird, als in ihnen Standardkomponenten der PC-Industrie wie EISA- und SCSI-Produkte sowie preisguenstige Laufwerke und I/O-Netz- sowie Speichererweiterungs-Karten von Drittanbietern genutzt werden koennen.

Eine Gefahr sahen die Forrester-Leute vor allem in der Konzentration der Firma aus Plymouth, Minnesota, auf Fileserver- Aspekte. Dadurch sei das Unternehmen verwundbar durch Angebote etwa von ALR, Dell, Apricot oder AST.

Insofern duerfte Tricord die Vermarktungs-Unterstuetzung durch Sequent durchaus gelegen kommen. Darueber hinaus glaubt sich die Ingwersen-Vertriebsmannschaft durch eine weitere Vermarktungsallianz absichern zu koennen: Offensichtlich raeumte man Wang Laboratories das Recht ein, Powerframe-Server zu vertreiben.

Wang ist allerdings seit langem in finanziellen Noeten. Daran aenderte auch ein Abkommen von 1991 mit der IBM nichts, demzufolge Wang die blaue Rechnerpalette der PS/2-, RS/6000- sowie AS/400-Systeme vertreiben sollte. Im Herbst vergangenen Jahres zeigte sich Big Blue dermassen enttaeuscht von den Vertriebszahlen des mittlerweile unter Glaeubigerschutz nach amerikanischem Konkursrecht befindlichen Herstellers, dass eine vereinbarte und erfolgsabhaengige Stuetzungszahlung an Wang ueber 75 Millionen Dollar zurueckgestellt wurde. 40 Millionen sollten urspruenglich Anfang 1993, weitere 35 Millionen Dollar im kommenden Jahr an die Adresse in Lowell, Massachusetts, ueberwiesen werden.