"Selbstbewusst Honorare aushandeln"

09.09.2005
Die Kunst der Honorarverhandlung liegt nicht jedem Freiberufler. Die Münchener Diplompsychologin Dorette Lochner kennt das Problem aus ihrer Praxis und gibt einige Tipps.

CW: IT-Profis gehören eher zur introvertierten Spezies. Auch wenn sie ihren Job noch so gut machen - Selbstvermarktung gehört nicht zu ihren Stärken. Müssen sie sich damit abfinden?

LOCHNER: Aus einem introvertierten wird niemals ein extrovertierter Mensch werden - das steht fest. Auch wird es für den introvertierten Computerfachmann wohl immer anstrengend sein, auf Menschen zuzugehen und sich entsprechend zu präsentieren. Wenn aber jemand wirklich lernen möchte, sich und seine Stärken überzeugend zu verkaufen, so ist dies möglich. Der Erfolg kann durch ein Vertrauen erweckendes Understatement entstehen oder durch die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen und gut zuhören zu können. Gerade im IT-Dienstleistungsgeschäft überzeugen auf Dauer vor allem Kompetenz und Seriösität.

CW: Einer ganzen Reihe von Freiberuflern "graust" es regelrecht vor Honorarverhandlungen. Können Sie Unterstützung bieten?

LOCHNER: Zunächst einmal nehmen wir die so genannten banalen Fragen unter die Lupe. Absolute Voraussetzung: Jeder Freelancer sollte wissen, in welcher Bandbreite sich die marktüblichen Honorare für die von ihm angebotenen Leistungen bewegen. Wenn ein Freiberufler nach einem Senior-Freiberufler-Honorar verlangt, muss er ganz klar erkennbar mehr anbieten - und auf lange Sicht auch abliefern - als ein Junior-Berater. Dazu kann gehören, dass der erfahrene Freelancer bessere Kontakte als der unerfahrene Kollege hat oder über besseres Branchen-Know-how verfügt. Ist der Kunde von dem Leistungsversprechen überzeugt, sollte es an ein paar Euro mehr oder weniger nicht scheitern.

CW: Das klappt aber nicht immer.

LOCHNER: Das stimmt. Dabei handelt es sich zumeist um IT-Chefs, die entweder nur ganz begrenzt definierte Arbeitspakete nach außen geben wollen oder sich nach ihrer Einkaufsabteilung richten müssen. Letztere sind schließlich für ihre Rotstiftpolitik bekannt.

CW: Kann denn nun der Freiberufler selbst durch sein Auftreten die Situation beeinflussen?

LOCHNER: Beim Thema Honorar ist kein überhebliches, aber auf jeden Fall selbstbewusstes Auftreten gefragt. Während des Gesprächs sollten Freiberufler durchaus Verständnis für die Lage des Kunden erkennen lassen. Wenn bekannt ist, dass ein Unternehmen Personal abbaut oder dass die Branche am Boden liegt, ist es durchaus kein Zeichen von Schwäche, wenn sich die Honorarforderungen im unteren Bereich bewegen. Im Fall einer Auftragserholung kann der Freiberufler das Honorar ja neu verhandeln.

CW: Wenn ein Freiberufler allzu oft so vorgeht, besteht dann nicht die Gefahr, dass er preislich nicht mehr aus dem Keller herauskommt?

LOCHNER: Um das zu verhindern, sollte der Freelancer vor dem Gespräch für sich selbst eine genaue Verhandlungsbandbreite definieren und möglichst nicht unter das Minimum gehen. Wenn der Kunde nicht locker lässt, ist es wichtig, um Bedenkzeit zu bitten. Der alte Ratschlag: Schlaf erst einmal eine Nacht darüber, hilft auch hier.

CW: Wie sollte ein Freiberufler seine Forderung vortragen?

LOCHNER: Wenn ein Freelancer seine Honorarforderung nennt - dann mit fester Stimme kurz und fest sowie klipp und klar. Oftmals hilft es, vor dem Gespräch nochmals vor dem Spiegel zu üben. Danach sollte der Freiberufler in aller Ruhe die Stellungnahme des Kunden abwarten. Bei einer Ablehnung der Honorarforderung tut der Freiberufler gut daran, sich diese genau erklären zu lassen und sein Leistungspotenzial noch einmal darzulegen.

CW: Gibt es aus Ihrer Coaching-Erfahrung noch einen Tipp?

LOCHNER: Der Freiberufler ist gut beraten, das Thema Honorar erst nach dem Gespräch über den Auftrag anzuschneiden. Dann hat der Kunde bereits Zeit in das Briefing investiert. Der Vorteil liegt auf der Hand. Zum einen hatte der Freelancer Zeit genug, seine Kompetenzen durchscheinen zu lassen, zum anderen hat der Kunde zumeist keine Lust die ganze Prozedur mit einem Kollegen zu vollziehen.

CW: In vielen Projekten spielen unternehmensinterne "Interessen" wie Machtstreben oder Animositäten eine nicht unerhebliche Rolle. Wie kann ein Freiberufler dies erkennen?

LOCHNER: Das muss individuell gelöst werden. Am besten beobachtet der Freiberufler die Beziehungen der Mitarbeiter untereinander und zum Chef. Wichtig ist zu erkennen, ob berechtigte Ängste bestehen. Oftmals sind die Leute nur nervös, weil neue IT-Systeme eingeführt werden sollen oder weil sie Angst haben, der Freelancer soll ihren Platz einnehmen. Diese Ängste können in Gesprächen abgebaut werden.

CW: Wann stößt Coaching an seine Grenzen?

LOCHNER: Wenn ein Coaching-Klient Erfolge erwartet, ohne an sich selbst arbeiten zu wollen. Eine solche Einstellung führt unweigerlich zum Misserfolg. Der Betroffene muss bereit sein, hart an sich zu arbeiten. Dennoch gibt es Probleme, die das persönliche Empfinden so stark einschränken, dass eine psychotherapeutische Betreuung empfehlenswerter ist. Dies sollte dem Klienten auch gesagt werden. (hk)