Berufliche Emanzipation als Freelancer

Selbst ist die Frau im IT-Job

09.12.2015
Von 
Andreas Krawczyk, Chief Operating Officer bei Freelance.de.
Computer und Software sind nichts für die Frau, Berufe in der IT nur was für den Mann und Nerd. Dieses Klischee hält sich trotz Fachkräftemangel hartnäckig. Frauen bilden in der Branche weiter eine klare Minderheit. Doch immer mehr Fachfrauen befreien sich von den Zwängen einer männerdominierten IT in Unternehmen und machen sich selbstständig.
  • Freiberufliche Tätigkeit sorgt für mehr Freiraum und Akzeptanz.
  • Weibliche Freelancer werden für IT-Projekte dringend gebraucht.
  • Frauen entdecken den Studiengang Informatik für sich.

Die deutsche Wirtschaft ist weiterhin ein Paradies für Fachkräfte. So verzeichnete zum Beispiel der Hays-Fachkräfte-Index für das erste Quartal 2015 den höchsten Wert seit knapp drei Jahren. Auch IT-Spezialisten werden verstärkt gesucht. Ungeachtet dessen profitiert eine Gruppe in der IT-Branche nur sehr beschränkt von diesem Wachstum: Frauen. Der Anteil der Frauen in der IT-Branche beläuft sich aktuellen Schätzungen zufolge auf nur rund 20 Prozent. Nach Angaben des IT-Branchenverbandes Bitkom wurde 2014 zwar mit23 Prozent ein Rekordwert im ersten Semester bei weiblichen Informatikstudenten erzielt, allerdings sieht es bei entsprechenden Ausbildungsberufen mit einem Frauenanteil von nur acht Prozent umso schlechter aus.

Immer mehr IT-Spezialistinnen suchen ihren beruflichen Erfolg in der Selbstständigkeit.
Immer mehr IT-Spezialistinnen suchen ihren beruflichen Erfolg in der Selbstständigkeit.
Foto: dotshock - shutterstock.com

Auch Frauen beherrschen Software und Server

Sucht man nach den Gründen für die weiterhin schwache Rolle von Frauen in IT-Berufen, stößt man schnell auf Klischees, die Fakten schaffen. Maike Kronenburg kennt dieses Wechselspiel aus eigener Erfahrung. Die Bielefelderin kam selbst nur über Umwege zur IT. Nach einer Umschulung zur Datenverarbeitungskauffrau war sie 14 Jahre in internationalen Unternehmen tätig, bevor sie sich 2008 mit einem EDV-Service selbstständig machte. Dass Frauen in ihrer Branche auch im Jahr 2015 noch die Ausnahme sind, hat für sie in erster Linie gesellschaftliche Ursachen: "Ich denke, es liegt daran, dass den Frauen und Mädchen immer noch eingeredet wird, sie hätten kein technisches Verständnis. Man sollte den jungen Frauen aber vielmehr zeigen, dass die Technik kein Teufelswerk ist, und sie am Computer rumbasteln lassen." Dann käme die Begeisterung bei vielen Frauen von ganz allein. Denn Software zu erstellen oder Server zu administrieren sei, so die IT-Fachfrau, keineswegs nur trocken, sondern interessant und abwechslungsreich. Aber der Nerd, der im Dunkeln vor zig Monitoren sitzt, sei, so beklagt sie, nach allgemeiner Auffassung immer noch männlich.

Gefahr fürs männliche Ego und Binnenklima

Dass sich diese überholte Vorstellung auch durch die Presse wandeln sollte, ist keine Frage. Eine veränderte gesellschaftliche Debatte über berufliche Rollenklischees ist dabei aber nur der erste Schritt. Denn auch in der Praxis müssen Frauen in der IT-Branche nach wie vor mit speziellen Hindernissen kämpfen. Zwei Beispiele: Am Telefon grundsätzlich für die Sekretärin beziehungsweise für einen Mann gehalten zu werden, zählt für Kronenburg zu den vergleichsweise amüsanten Problemen. Es kommt aber auch vor, dass Frauen bei der Bewerbung für eine IT-Stelle mit der Begründung abgelehnt werden, sie würden das Binnenklima im männlichen Team gefährden.

Selbstbestimmung in der Selbstständigkeit

Manche Frauen haben allerdings einen ganz besonderen Weg gefunden, um sich von den spezifischen Schwierigkeiten in der IT-Branche zu befreien: den Gang in die Selbstständigkeit. So wie auch Barbara Beenen aus Deutsch Evern, die seit 15 Jahren mit ihrem Unternehmen Beenen IT-Lösungen GmbH am Markt besteht. Die Diplominformatikerin hatte sich ganz bewusst für eine freiberufliche Tätigkeit entschieden, weil sie gerne selbst entscheiden wollte, was sie arbeitet. Aber auch, so Beenen, weil sie gerne dazulerne und neue, interessante Aufgaben übernehme.

Abwechslung und Selbstbestimmung waren auch für Kronenburg die maßgeblichen Kriterien, um als IT-Freelancer neu zu starten: "Ich habe jeweils sieben Jahre in zwei großen internationalen Unternehmen gearbeitet. Nach einiger Zeit wurde die Arbeit jedoch eintönig. Als Selbständige kann ich meine Tätigkeit breiter fächern und meine Projekte gezielt auswählen", bilanziert Kronenburg. Diese Möglichkeit bietet sich zum Beispiel auch über Online-Akquise-Plattformen.

Unternehmen brauchen weibliche IT-Freiberufler

Ein weiterer Vorteil: Als Freiberufler können sich Frauen anscheinend auch leichter über die gängigen Rollenklischees hinwegsetzen. Diese scheinen nämlich bei der Vergabe von Freelancer-Jobs letztlich keine erkennbare Rolle zu spielen. Zumindest nach den Erfahrungen von Beenen und Kronenburg: "In meiner freiberuflichen Tätigkeit hatte ich keine Probleme mit entsprechenden Klischees. Ich bin immer als gleichwertiges Teammitglied akzeptiert worden", berichtet Kronenburg.

Vielleicht könnte also gerade eine freiberufliche Tätigkeit für viele weibliche IT-Experten einen attraktiveren Rahmen bieten, um ihr Potenzial erfolgreich zu entfalten - losgelöst von unternehmensinternen Hierarchie- und Grabenkämpfen in einer nach wie vor männerdominierten Branche. Und die Perspektiven scheinen in diesem Bereich besonders gut - auch für Frauen. Denn gerade Freiberufler bilden inzwischen für viele IT-Unternehmen einen wesentlichen Bestandteil im Sourcing-Mix. Und ihre Bedeutung für die Unternehmen wird in Zukunft noch weiter steigen. Zu diesem Ergebnis kam die im Auftrag der COMPUTERWOCHE erarbeitete Studie "IT-Freiberufler 2015": Auf die kommenden zwei Jahre gesehen messen knapp 55 Prozent der befragten IT-Entscheider Freiberuflern eine eher große bis sehr große Bedeutung bei. Nur ein Beispiel, das zeigt: Es kann sich auch für Frauen lohnen, in der IT-Branche in jeder Hinsicht den eigenen Weg zu gehen. Selbstständig und selbstbestimmt. Und frei von klassischen Rollenklischees. (pg)