Stichprobenuntersuchung zum Thema "Einsatz neuer Techniken" ergibt:

Selbst große Telecom-Anwender sind heute verunsichert

21.11.1986

Der heutige und zukünftige Stellenwert der Telekommunikation sowie deren organisatorische Einbettung in bundesdeutschen Großunternehmen war das Thema einer Untersuchung, die die Unternehmensberatung PA Computer und Telekommunikation (PActel) in Frankfurt zusammen mit der Universität Karlsruhe bei insgesamt 14 Großanwendern durchgeführt hat. Dieter Merten* faßt die Ergebnisse zusammen.

Durch die Umstellung von analogen auf digitale Übertragungstechnologien, der schrittweisen Einführung des ISDN sowie neuer Kommunikationsdienste, wie zum Beispiel Textfax, E-Mail, Videokonferenz etc., vollzieht sich zur Zeit auf dem Gebiet der Telekommunikation ein in dieser Form noch nie dagewesener Umbruch.

Dadurch entstehen für Unternehmen viele, in ihrer Gesamtbreite noch nicht abschätzbare, neue Kommunikationsmöglichkeiten, die, will man sie erfolgreich einsetzen, eines Umdenkungsprozesses im Hinblick auf Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten bedürfen. Ziel muß es dabei sein, der Telekommunikation eine zentrale Rolle in der Unternehmensstrategie einzuräumen und diese aktiv durch ein verantwortliches Telekommunikationsmanagement zu unterstützen.

Diesen sicherlich wünschenswerten Zielen stehen jedoch noch etliche Hemmschwellen gegenüber. So fühlen sich 45 Prozent der befragten Entscheidungsträger - bedingt durch das rasante Entwicklungstempo der Telekommunikationstechnologien - unsicher beziehungsweise verunsichert und in ihren Entscheidungsprozessen beeinträchtigt. Lediglich 36 Prozent sind bereit, beim Einsatz neuer Techniken eine Vorreiterrolle einzugehen - mit allen Risiken. Die Gründe dafür sind:

- Aufgeschlossenheit,

- Risikofreude,

- schnellere Anpassung an Marktveränderungen sowie

- bessere Wettbewerbsfähigkeit.

Das Hauptgewicht bei Neueinführungen liegt derzeit im Bereich E-Mail und Sprachspeicherungssystemen.

Eine Beurteilung der Bedeutung heute vorhandener Dienste für die Unternehmen sowie der zukünftigen Zu-/Abnahme vorhandener Dienste zeigen die Abbildungen 1 und 2.

Demnach besitzen die DFÜ-Dienste sowie Telefon, Telex und Briefpost den höchsten Stellenwert. Bei der Zu- und Abnahme erlangen DFÜ-Dienste sowie neue Dienste wie Teletex, Telefax etc. eine erhöhte Bedeutung. Im Gegensatz dazu werden Briefpost und Telex eine geringere Bedeutung einnehmen.

Die Gewichtung der Telekommunikation für die Unternehmen wird sich von administrativer beziehungsweise rein funktioneller hin zur Telekommunikation als Unternehmensressource beziehungsweise als "Wettbewerbswaffe" entwickeln.

Zum überwiegenden Teil dezentrale Organisation

Der heutige Stellenwert der Telekommunikation spiegelt sich besonders in den bestehenden Organisationsstrukturen wider. Von den befragten Großunternehmen besitzen lediglich 28 Prozent ein zentrales Telekommunikationsmanagement, die restlichen 72 Prozent sind dezentral organisiert und behindern sich somit oft in ihren Entscheidungsprozessen. 60 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe äußerten Unzufriedenheit mit ihrer eigenen Organisationsstruktur.

Die Frage, ob denn eine Zentralisierung der Verantwortlichkeiten wünschenswert sei, wurde von den meisten Befragten positiv beantwortet.

Im Gegensatz hierzu herrscht - überraschenderweises - bei über 70 Prozent der Befragten die Meinung vor, daß sowohl heute als auch zukünftig die Telekommunikation keinen beziehungsweise nur einen geringen Einfluß auf die Gesamtunternehmensstrategie hat. Demzufolge entspricht die Fristigkeit der Telekommunikationsplanung für das Gesamtunternehmen mit der Fristigkeit der Abteilungsplanung und hängt letztendlich von den abschließenden Entscheidungen der oft nicht fachkundigen Unternehmensleitung ab.

Daß dennoch der Entwicklung der bestehenden beziehungsweise neuen Telekommunikations-Einsatzfelder eine relativ hohe Rolle zukommt, zeigt sich daran, daß 57 Prozent ihr Budget um über 20 Prozent pro Jahr steigern wollen. Bei 45 Prozent aus dieser Gruppe existiert eine Telekommunikationsstrategie im Sinne einer langfristigen (fünf bis zehn Jahre) Grobplanung.

Kaum neue Methoden bei der Entscheidungsfindung

Welche Planungsinstrumentarien und Bewertungsmethoden im Hinblick auf den Nutzen neuer Technologien werden hauptsächlich angewandt? Überraschenderweise verlassen sich über 83 Prozent lediglich auf herkömmliche Methoden der Wirtschaftlichkeitsberechnung und gehen zur Entscheidungsfindung nach der Faustformel "Zweimal monetärer Nutzen - damit ist der nicht bewertbare Nutzen berücksichtigt" vor.

Portofolio-Bewertungen von Telekommunikationsvorhaben oder der Einsatz von Softwaretools (zum Beispiel Netzwerkdesign) oder Simulationsprogrammen finden kaum (14 Prozent) statt. Die Abbildung 3 zeigt 13 verschiedene Bereiche, bei denen Verbesserungen durch den Telekommunikationseinsatz erwartet werden.

Folgende Kriterien - so ergab die Umfrage - sind beim Einsatz von Telekommunikation besonders wichtig:

- Die Flexibilität des Unternehmens wird erhöht,

- die Entscheidungsbasis verbessert, und

- die Allgemeinkosten werden gesenkt.

Faktoren wie Arbeitsplatzverbesserungen, Informationskostensenkung oder auch die Kommunikation mit Geschäftspartnern wurden als "weniger wichtig" eingestuft.

Als hemmende Faktoren für den Einsatz neuer Telekommunikationsformen wurden besonders hervorgehoben:

- geringer Informationsstand im Unternehmen,

- zu hohe Einführungskosten und Risiken,

- erwartete technische Probleme,

- geringe Rationalisierungserfolgserwartungen,

- rechtliche Probleme bei der Einführung,

- erhebliche Änderungen bei der Aufbau- oder Ablauforganisation

sowie

- zu knappe eigene personelle Ressourcen.

Rund 60 Prozent der Befragten waren der Ansicht, daß langfristig aufgrund des verstärkten Einsatzes neuer Technologien mit negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten gerechnet werden müsse.

Bisher noch eine eher abwartende Haltung

Abschließend läßt sich trotz der relativ kleinen Stichprobe feststellen, daß Nutzen und Notwendigkeit von neuen Telekommunikationstechniken für das Unternehmen zwar erkannt werden, in den meisten Unternehmen jedoch im Hinblick auf die Einführung eher eine abwartende Haltung eingenommen wird.

Vielfach bestehen die organisatorischen Voraussetzungen noch nicht, um die Chancen sinnvoll und erfolgreich zu nutzen, die die Telekommunikation schon heute zur Steigerung der Unternehmenseffizienz bietet. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß - bedingt durch den immer stärker werdenden nationalen und internationalen Wettbewerbsdruck - in den nächsten Jahren ein Umdenkprozeß stattfinden wird.