Web

SCOs Argumentation wird vorsichtiger

19.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die SCO Group rudert offenbar ein wenig zurück bei Teilen ihrer Behauptung, sie habe Beweise dafür, dass Unix-Quellcode in das Open-Source-Betriebssystem Linux übernommen wurde. Das zumindest geht aus einem Papier hervor, dass SCO im Zuge seiner Drei-Milliarden-Dollar-Klage bei Gericht eingereicht hat.

Die in Lindon, Utah, ansässige Firma (vormals Caldera International) hat IBM wegen Vertragsbruchs und Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen im März vergangenen Jahres vor den Kadi gezerrt. In der Vergangenheit behauptete SCO bereits, es habe über eine Millionen Codezeilen aus Unix System V in Linux wieder gefunden.

In der Erklärung, die SCOs Generaljustiziar Ryan Tibbitts zusammen mit dem jüngsten Filing der Firma bei Gericht vorlegte, ist laut "Computerwire" allerdings nur noch die Rede davon, SCOs Ingenieure seien "zu dem Schluss gekommen, dass Teile von Linux mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von AIX oder Dynix/ptx kopiert oder abgeleitet wurden". Das klingt nicht mehr nach 100-prozentiger Sicherheit, vor allem hinsichtlich Beweisen für den Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen, auf die die Linux-Community nun seit zehn Monaten wartet.

Im Dezember hatte das zuständige Gericht SCO nach zwei Beschwerden von IBM auferlegt, binnen 30 Tagen Beweise für seine Vorwürfe auf den Tisch zu legen. Die eingereichte 60-seitige Erklärung ist leider nicht öffentlich zugänglich, wohl aber die Erläuterungen von Tibbitts, in denen es darum geht, in welchen Punkten SCO den Forderungen des Gerichts nicht entsprechen konnte.

Auf dem SCO Forum im August 2003 hatte SCO erklärt, es habe mithilfe von Pattern-Matching-Technik 1,1 Millionen Code-Zeilen aus 1549 Dateien entdeckt, die Unix-Lizenznehmer in Linux übernommen hätten. Diese so genannten Derivative Works fallen aus Sicht von SCO weiterhin unter sein Copyright an Unix System V. Zu den beanstandeten Linux-Komponenten gehören unter anderem Code für NUMA-Unterstützung, Remove Copy Update (RCU), die Dateisysteme XFS und JFS, Scheduler sowie Unterstützung für PowerPC (32 und 64 Bit), das Enterprise Volume Management System (EVMS) und Symmetrical Multiprocessing (SMP).

Für einige dieser Techniken lasse sich der Beweis einer Übernahme derzeit nicht konkret erbringen, räumte Tibbitts in seinem Begleitschreiben ein. Beispielsweise stünden SCO nur veraltete Versionen von AIX und Dynix/ptx zur Verfügung. Von AIX beispielsweise besitze man nur einen mehrere Jahre alten Quellcode. In bestimmten Bereichen, so SCOs Entwickler, sei es aber trotzdem "offensichtlich", dass die jeweiligen Linux-Code-Autoren intime Kenntnisse der entsprechenden Architekturen der Betriebssysteme von IBM gehabt hätten.

Angesichts der bislang von SCO vorgebrachten Argumente klingt all dies erstaunlich butterweich. Natürlich sollten die eigentlichen Beweise in dem 60-seitigen Geheimpapier stehen. Davon unabhängig stellt sich nun die Frage, ob das Gericht auf SCOs neuerliche Forderung eingeht, IBM müsse aktuellen Quellcode seiner Betriebssysteme zwecks Analyse zur Verfügung stellen. Anfang Dezember war dieses Ansinnen bereits einmal abschlägig beschieden worden. Und da Tibbitts bereits ankündigte, SCO werde nach Erhalt des Codes erst einmal 90 Tage brauchen, um IBMs Forderung nach schlagkräftigen Beweisen nachzukommen, könnte den Richtern langsam der Geduldsfaden reißen. (tc)