Brief an US-Kongressabgeordnete und Klage gegen Novell

SCO: Kapitalismus ist in Gefahr

30.01.2004
MÜNCHEN (CW) - SCO agitiert weiter gegen die angeblich unberechtigte Nutzung von Open-Source-Software: Neben Linux-Anwendern erhielten nun US-Kongressabgeordnete entsprechende Post aus Utah. Außerdem wurde jetzt auch Novell verklagt.

SCO-Chef Darl McBride hat sich Anfang Januar persönlich per Post an sämtliche 535 Mitglieder des US-Kongresses gewandt. In seinem Schreiben behauptet er, die Open-Source-typische GNU General Public License (GPL) "verletzt US-Gesetze" und "reduziert den monetären Wert von Software auf null". Die Verbreitung von Open-Source-Software sei "eine viel ernstere Bedrohung unseres kapitalistischen Systems, als es US-Unternehmen annehmen". Kostenlose oder günstige Software bedeute "weniger Jobs, geringere Softwareumsätze und für Softwarefirmen schwindende Anreize zur Innovation". Kurz und knapp sei Open Source eine "Bedrohung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit".

Darüber hinaus sei Open-Source-Software eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Denn sie berge "das Potenzial, gegenwärtige und künftige Feinde unserer Nation mit Computerfähigkeiten zu versorgen, die nach US-Gesetzen eingeschränkt sind". McBrides Weckruf für die Politiker: "Ein Computerexperte in Nordkorea mit einigen PCs und Internet-Verbindung kann Linux herunterladen und einen Supercomputer bauen."

Das Schreiben des SCO-Chefs war der Open Source and Industry Alliance (Osaia) zugespielt und von ihr ins Internet gestellt worden. Die Organisation Linux-orientierter IT-Anbieter will es nicht bei einer Gegenargumentation auf ihrer Website www.osaia.org belassen. Der Vorsitzende Ed Black kündigte an, seine Gruppe werde ebenfalls Kontakt zu sämtlichen Kongressabgeordneten aufnehmen, um sie über Open Source aufzuklären.

Mitte Januar hat SCO mit einem zweiten Schreiben an Tausende US-amerikanische Firmen, die im Verdacht stehen, Linux zu verwenden, in barschem Tonfall verlangt, Unix-Lizenzen von SCO zu kaufen. Für den Fall der Weigerung droht das Unternehmen erstmals direkt mit Gerichtsverfahren. Verschiedene Adressaten haben dieses Ansinnen in zum Teil öffentlichen Schreiben zurückgewiesen und von SCO verlangt, nachzuweisen, dass Unix-Code illegalerweise in Linux eingeflossen sei. Gavon Roy, Chief Information Officer der Web-Agentur Just Sports, schrieb: "Bevor Sie mehr von meiner und Ihrer Zeit verschwenden, legen Sie bitte exakte Informationen vor, zum Beispiel über die betreffenden Codezeilen und die fraglichen Kernel-Versionen."

Wenige Tage nach der Massenaussendung reichte SCO bei einem Bezirksgericht in Salt Lake City - nicht dem gleichen, das für das Verfahren gegen IBM zuständig ist - eine Verleumdungsklage ("slater of title") gegen Novell ein. Die Vorwürfe lauten, die Netzwerk-Company habe sich unberechtigt Unix-Technologien urheberrechtlich schützen lassen, die SCO gehörten. Durch die "irreführende Behauptung", man besitze noch Unix-Rechte, habe Novell darauf abgezielt, Kunden von Geschäften mit SCO abzuhalten. Novell habe außerdem versucht, SCO daran zu hindern, seine Urheberrechte durchzusetzen. Für den Fall einer Verurteilung von Novell verlangt das Unix-Haus Schadenersatz in ungenannter Höhe.

Novell-Chef Jack Messman reagierte lakonisch: "Diese Klage zeigt, dass SCOs Kampagne gegen den Einsatz von Linux in Firmen fehlschlägt. Es sieht so aus, dass Rechtsstreits der wichtigste Geschäftszweig von SCO geworden sind." Sein Unternehmen sehe sich "in guter Gesellschaft mit IBM und Red Hat", die ebenfalls in Prozesse mit SCO verwickelt sind. Die Klage werde Novell nicht daran hindern, "unsere Linux-Aktivitäten weiterzuverfolgen". (ls)