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SCO: AIX ist ab sofort illegal

17.06.2003
Die SCO Group hat gestern IBM die Lizenz für Unix entzogen und will ab sofort Schadenersatz für alle AIX-Einnahmen. Big Blue hält seine Lizenz wie gehabt für unwiderruflich.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die SCO Group hat gestern die Unix-Lizenz von IBM widerrufen und damit AIX, das kommerzielle Derivat von Big Blue, für illegal erklärt. Seine im vergangenen März gegen IBM eingereichte Klageschrift gegen den Armonker Konzern ergänzte SCO um den Antrag auf eine -permanente und nicht einstweilige - Verfügung, IBM müsse Nutzung und Vertrieb von AIX einstellen und alle im Besitz des Unternehmens befindlichen Kopien des Quellcodes von Unix System V zurückgeben oder zerstören. Das Verfahren ist derzeit vor einem US-Bezirksgericht in Utah anhängig.

SCO hatte IBM eine Frist von 100 Tagen zur außergerichtlichen Beilegung des Verfahrens eingeräumt, die am Freitag vergangener Woche ausgelaufen war. Neben der Verfügung gegen die weitere Nutzung von AIX fordert SCO auch noch weitere Schadenersatzzahlungen aus dem Unix-basierenden Workstation- und Server-Geschäft von IBM ("Intellistation", "RS/6000", "eServer pSeries"). Diese macht das Unternehmen ab Ablauf der Frist geltend.

IBM erklärte, es werde gegen die Klage vorgehen, weil seine Lizenzvereinbarung nicht widerrufbar sei und sich darum auch nicht aufkündigen lasse. SCO hatte IBM im März auf eine Milliarde Dollar Schadenersatz verklagt. Das auf Unix-Systeme für Intel-basierende Server spezialisierte Unternehmen beschuldigt IBM unter anderem, es habe wissentlich Code-Bestandteile des originalen Unix, dessen Rechte SCO 1995 von Novell gekauft hatte, an die Open-Source-Gemeinde weitergegeben und damit das Geschäft von SCO erheblich geschädigt. Welche Code-Teile das genau sein sollen, hat SCO bislang nicht öffentlich gemacht mit der Begründung, die Linux-Entwickler könnten sonst ihre Sourcen entsprechend ändern und die Spuren des Diebstahls von SCOs geistigem Eigentum verwischen.

Neue Vorwürfe erhob SCO auch gegen Linux und dessen Koordinator Linus Torvalds. Der Entwicklungsprozess der Open-Source-Gemeinde sei nicht dazu geeignet, zu prüfen, ob der von den vielen weltweit verstreuten Developern beigesteuerte Code in Teilen urheberrechtlich geschützt sei. "Als Resultat davon findet sich eine sehr signifikante Menge geschützten Unix-Codes gegenwärtig in den Linux-Versionen 2.4.x und 2.5.x, was SCOs vertragliche Rechte und Copyrights verletzt", heißt in der ergänzten Klageschrift. Torvalds konterte: "Es sind nicht wir, die den Code nicht identifizieren." Das seit zwei Jahren für den Linux-Kernel verwendete Management-System "Bitkeeper" sei öffentlich und vollkommen transparent.

Die Auswirkungen der jüngsten SCO-Attacke für AIX-Anwender sind aus Sicht von Illuminata-Analyst Gordon Haff unklar. "Das bedeutet unmittelbar erst mal überhaupt nichts", konzediert der Experte. "SCO hat gesagt 'Wir ziehen die Lizenz zurück' und IBM hat gesagt "Nein, tut Ihr nicht', und die Sache geht nun ihren rechtlichen Gang." Es sei unwahrscheinlich, dass jemals ein Richter AIX-Nutzern das Recht entziehe, IBMs Unix-Version zu verwenden. "Selbst unter den widrigsten Umständen ist es kaum vorstellbar, dass das umgesetzt wird. Man müsste fast jeder Fortune-500-Firma an irgendeiner Stelle sagen, sie müssten jetzt diese oder jene Anwendung stoppen."

IBMs juristische Macht und tiefe Taschen sollten AIX-Anwendern auch aus Sicht von Larry Rosen, Gründungspartner bei der auf Hightech spezialisierten Kanzlei Rosenlaw and Einschlag in Redwood City, einstweilen beruhigen. "Es mag einige rechtliche Scharmützel geben, aber wenn IBM wirklich etwas Unrechtmäßiges getan hätte, würde es ein enormes Interesse daran haben, seine Kunden zu schützen", erklärte der Anwalt. "Wenn ich in einer großen Firma säße, die AIX nutzt, würde ich heute Nacht keinen Schlaf vergeuden und ganz sicher auch keine meiner Applikationen abschalten."

SCOsource-Chef Chris Sontag erklärte dazu: "Auch uns ist klar, dass nicht die Endanwender diese Problem verursacht haben, sondern die Handlungen von IBM. Wir würden in jedem Fall Korrekturen seitens IBM bevorzugen. Falls wir aber dazu gezwungen sind, werden wir aber unsere Rechte durchsetzen, sogar gegenüber IBMs Kunden." (tc)