Schwieriger Umdenkungsprozeß bei der traditionellen DV-Crew vonnöten:Der OA-Manager ist mehr vom Marketing geprägt

15.11.1985

Die erfolgreiche Einführung von Büroinformationssystemen hat nahezu zwangsläufig auch eine Änderung der innerbetrieblichen Machtstrukturen zur Folge. Dies gilt vor allem für den traditionellen DV-Bereich. N. Dean Meyer* faßt die in den USA bisher gemachten Erfahrungen und Entwicklungen zusammen.

Büroinformationssysteme, kurz Office Automation (OA) genannt, stellen für viele europäische Organisationen eine neue Mitarbeiterfunktion dar. Die meisten Unternehmen haben eine Abteilung, die für ihre Computer zuständig ist, entweder "Datenverarbeitung" (DV) oder "Management-Informations-Systeme " (MIS) genannt. Diese traditionellen "Computerabteilungen" sind in aller Regel verantwortlich für den Betrieb von großen Rechenzentren, in denen Zentralrechner umfangreiche betriebliche Datenbanken verwalten. Ihr Hauptanliegen ist die Durchführung, wie zum Beispiel Buchhaltung, Löhne und Gehälter, Auftragsbearbeitung und Rechnungsstellung, Inventar und so weiter.

Da diese Funktionen der gesamten Organisation dienen, ist das Management der Datenverarbeitung normalerweise zentralisiert. Eine Fachabteilung des Unternehmens entscheidet, welche Computer gekauft werden, hat das letzte Wort bei deren Programmierung und ist dafür verantwortlich, daß die Rechner funktionieren.

Werkzeuge von Geistesarbeitern

Nun bildet man Gruppen, die die Verantwortung für OA und die Einführung im Unternehmen übernehmen sollen. OA unterscheidet sich jedoch wesentlich von der herkömmlichen DV. Es setzt Werkzeuge auf die Schreibtische von "Geistesarbeitern". Daher ist die Computer-Ausrüstung eher weit verstreut als zentralisiert. Gleichermaßen gehören die Daten auf dem Schreibtisch zur Arbeit von Einzelpersonen, nicht von Gruppen und primär auch nicht der Organisation als Ganzem. Dies allein weist schon darauf hin, daß OA wahrscheinlich weniger zentralisiert ist als das Management von DV und MIS.

OA unterscheidet sich auch im Grad der Strukturierung. Es stellt eher eine "Werkbank" von Werkzeugen zur Verfügung als einen einzelnen komplexen Prozeß. Der "Geistesarbeiter" ist eher ein Handwerker als ein Fließbandarbeiter. OA umfaßt keine großen komplexen Systeme, sondern eher eine Anzahl von kleinen, flexiblen Werkzeugen.

Des weiteren muß sich die traditionelle Datenverarbeitung um die "Integration" von Systemen kümmern, indem sie verschiedene Prozesse der Zusammenarbeit plant: OA ist indessen nicht davon abhängig, daß jeder dieselben Werkzeuge oder Geräte benutzt. Tatsächlich haben die "Geistesarbeiter" unterschiedliche Aufgaben, und daher wird jeder wahrscheinlich einen individuellen Satz von Werkzeugen benutzen. Integration in dieser dezentralisierten Umgebung bedeutet ganz einfach die Fähigkeit, Mitteilungen unter den "Schreibtischarbeitern" weiterzugeben, im Idealfall Mitteilungen, die vom Empfänger genauso leicht editiert werden können wie vom Verfasser.

Umfassende Beteiligung statt zentraler Kontrolle

Diese charakteristischen Unterschiede haben zur Folge, daß OS ganz anders als DV und MIS gehandhabt werden muß. Anstelle von zentraler Kontrolle müssen OA-Manager die Anwender überzeugen, die ihrerseits die Kontrolle über ihren Arbeitsstil und ihre Büros beibehalten. Während die Datenverarbeitung nur ein begrenztes Maß an Beteiligung seitens der Anwender benötigt, wobei die Schlüsselentscheidung vom zentralen Mitarbeiterstab getroffen wurde, bedingt OA die umfassende Beteiligung der Anwender, da nur die Anwender selbst ihre Aufgabe und ihre Arbeitsumgebung ganz und gar verstehen.

Im Prinzip hat sich das Wesen der Management-Verantwortung gewandelt. Der Computer und die Daten gehören nicht mehr allein den zentralen Mitarbeitergruppen. Diese finden sich vielmehr in der neuen Lage, Anwender, die wählen können, ob sie OA benutzen oder nicht, zu ermutigen und anzuleiten.

Die Aufgabe der Mitarbeiter für Office Automation ist es, breitgefächerte Innovation im Unternehmen zu ermutigen. Dies unterscheidet sich beträchtlich von der Rolle der Mitarbeiter in der Datenverarbeitung, die zentrale Dienste kontrollieren und handhaben.

Der wesentliche Unterschied bei der Handhabung von OA gegenüber der Datenverarbeitung ist eine Änderung der betrieblichen Machtstrukturen. Zentrale Macht ist nicht mehr angebracht und auch nicht mehr konstruktiv. Diese Machteinbuße bei der Kontrolle der Datenverarbeitung ist eine Änderung der Machtstrukturen. Diese Machteinbuße bei der Kontrolle der Datenverarbeitung wird am deutlichsten am Beispiel des Computerhandels. Manager innerhalb der gesamten Organisation können Computer mit Hilfe eines Abteilungsbudgets (oder vielleicht mit Hilfe eines Einkaufsantrages für "Bürobedarf") erwerben. Wenn die zentralen OA-Mitarbeiter die Organisation bei der Wahl ihrer Bürocomputer beeinflussen sollen, müssen sie lernen, die Anwender eher zu leiten als ihnen Vorschriften zu machen.

Das Einsetzen einer neuen Mitarbeitergruppe für Office Automation ist ähnlich wie die Verpflichtung eines neuen Unternehmensberaters. Die betriebliche Gemeinschaft der Anwender sind die potentiellen Kunden. Die neue Mitarbeitergruppe beginnt normalerweise mit einem sehr niedrigen Etat und einigen wenigen Leuten. Sie muß Kunden finden, um zu wachsen und zu gedeihen.

Das Hauptanliegen des neuen OA-Managers sollte eher vom Marketing als von der Technik geprägt sein. Technische Strategien haben wenig Wert, wenn man ihre Durchführung nicht beeinflussen kann. Erst nachdem die Gruppe ausreichende Glaubwürdigkeit erreicht hat, kann sie Entscheidungen beeinflussen und sinnvolle Betriebsrichtlinien aufstellen. Des weiteren ist es gefährlich, eine Technologie auszuwählen und dann den Kunden, denn die betrieblichen Bedürfnisse sollen ja die Werkzeuge bestimmen.

Manager-Training ist eine Notwendigkeit

Für viele OA-Manager, die ihre Erfahrungen bei der Datenverarbeitung gesammelt haben, ist es schwierig, diesen Prozeß von unten nach oben zu verstehen. Die Entwicklung hat eher gute Fachverwalter als Unternehmer hervorgebracht. Training ist erforderlich, um kompetente DV-Manager so umzuschulen, daß sie die OA-Herausforderung als solche erkennen und erfolgreich bestehen.

*N. Dean Meyer ist Office Automation Berater bei der N. Dean Meyer & Associates Inc.

Der vorliegende Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Referats, das auf der DECville '85-Ausstellung gehalten wurde.