Probleme der Computeranwendung in Klein- und Mittelbetrieben

Schwellenangst und Wissenslücken

13.05.1977

KÖLN - Ein überproportionaler Anteil des Investitionsvolumens für EDV-Anlagen wurde und wird von Großunternehmungen getragen. Demgegenüber weisen die in der Bundesrepublik zahlenmäßig dominierenden Klein- und Mittelbetriebe einen "informationstechnologischen Rückstand" auf.

Um diese Defizite an Wissen und Hilfen zu verringern, ist es notwendig, Problemlösungen und Arbeitsanleitungen zu entwickeln, die bei Auswahl und Einsatz von Computeranwendungen eine rationale Entscheidung gewährleisten sollen.

Ein Vorhaben auf diesem Gebiet ist mit dem Forschungsprojekt EPRO (Entscheidungshilfen zur Anwendung der automatisierten Datenverarbeitung in mittelständischen Industriebetrieben - Entwicklung eines entscheidungsbezogenen Ausbildungsprogramms) verbunden.

Zur Bewältigung der umfangreichen Datenverarbeitungsprobleme bietet sich für kleinere und mittlere Betriebe neben der Verwendung konventioneller Büromaschinen und der Nutzung externer Rechenzentren (Datenverarbeitung außer Haus) in zunehmendem Maße die Möglichkeit des Einsatzes kleinerer Computersysteme an.

Die rapide technologische Entwicklung der jüngsten Zeit, gekennzeichnet durch die

- Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Hardware (durch Miniaturisierung der Bauelemente, Verbesserung der Speichertechnik etc.),

- Verbesserung und Erweiterung der Software,

- Verbesserung der Preis-/Leistungsverhältnisse und

- Verbreiterung des Anwendungs- spektrums

hat die effektive Anwendung eigener Computersysteme besonders begünstigt.

Auch eine Neuorientierung des organisatorischen Denkens, die sich in Schlagworten wie "Dezentralisierung des Computereinsatzes", "arbeitsplatzorientierte Datenverarbeitung" und "Benutzerfreundlichkeit des Computers" widerspiegelt, begünstigt den Einsatz der EDV-Systeme in Klein- und Mittelbetrieben.

Dem Computer gegenüber: ratlos

Den deutlich verbesserten technischen und organisatorischen Möglichkeiten entspricht jedoch in Klein- und Mittelbetrieben keineswegs der praktische Wissensstand um die betriebswirtschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten der automatisierten Datenverarbeitung. Die dem Computer gegenüber noch häufig vorherrschende Desorientiertheit verhindert oft rationale Auswahl- und Einsatzentscheidungen und damit ein Ausschöpfen des Rationalisierungspotentials, das gerade die EDV in sich birgt. Das liegt im wesentlichen am mangelnden Automationsbewußtsein und am mangelnden EDV-Fachwissen.

Den objektiv günstigen Bedingungen zur Einführung automatisierter Datenverarbeitungsverfahren steht also immer noch eine zu hohe Barriere im Wege: Diese "Computerschwelle" drückt sich in den vorwiegend irrationalen Einstellungen aus, die die Entwicklung eines ausgeprägten Computer-Problem-Bewußtseins bei den Führungskräften verhindern. Der Unternehmensführung kleiner und mittlerer Betriebe fehlt vielfach schon die Bereitschaft, sich mit dem Computer und seinen Problemen auseinanderzusetzen:

- Sie verfügt über zu geringes Wissen dariiber.

- Sie steht weitreichenden organisatorischen Änderungen im Betrieb ablehnend gegenüber.

- Sehr verbreitet ist die Meinung, daß Computereinsatz mit übermäßig hohen Kosten verbunden ist und daß er in vielen Fällen zu Fehlschlägen führte.

Die Unternehmensführung, die ihre grundsätzliche "Computerschwelle" überwunden hat, steht ebenfalls vor erheblichen Schwierigkeiten:

Ihr Ausbildungsstand auf dem Gebiet der Datenverarbeitung ist meist zu gering.

Die Möglichkeit, Mitarbeiter der eigenen Unternehmung zu Spezialisten auszubilden, ist sehr beschränkt (die meisten mittelständischen Unternehmungen können es sich nicht leisten, qualifizierte Fachleute allein mit der Vorbereitung des Computereinsatzes zu beschäftigen).

Aber auch wenn sich die Unternehmensführung für ein konkretes System entschieden hat, ergibt sich die sehr differenzierte organisatorische Problematik der System-Einführung in die bestehende Organisationsstruktur. Hier kommt es darauf an,

- einerseits den Fehler zu vermeiden, an nicht-rationalen organisatorischen Abläufen festzuhalten, obwohl die Möglichkeiten des Computers ihre Rationalisierung erlauben würden, und

- auf der anderen Seite zu versuchen, an die vorhandenen Organisationsabläufe anzuknüpfen, wo immer dies sinnvoll ist.

Die einfache Übernahme aller traditionellen organisatorischen Regelungen in das automatisierte System würde es unmöglich machen, das Rationalisierungspotential des Computers auszuschöpfen. Eine komplette Umgestaltung der bestehenden Organisation auf die neue Technologie hin würde allerdings zu einem unvertretbaren Änderungsaufwand und zu einer hohen Unsicherheit bei den Benutzern führen. Kernproblem der System-Implementierung ist es also, eine optimale Kombination dieser konträren Vorgehensweisen zu finden.

Zur Lösung der genannten Problemkreise ist es deshalb unumgänglich, den Wissensstand des Managements in Klein- und Mittelbetrieben hinsichtlich der Computerauswahl und des Computereinsatzes zu erhöhen.

Umfassende Ausbildungspakete wie sie von verschiedenen Institutionen für Großcomputer angeboten werden - liegen für Klein- und Mittelbetriebe, insbesondere unter expliziter Berücksichtigung der diesen Betriebsgrößen adäquaten Formen der EDV, nicht vor. Das Ausbildungsangebot der Kleincomputer-Hersteller ist stark an den eigenen Produkten orientiert und deshalb zur Vorbereitung der Einsatzentscheidung nur bedingt geeignet. Der Beitrag der freien Institute und Beratungsfirmen kann - der meist beachtlichen Kosten wegen - ebenfalls nur sehr beschränkt den Ausbildungsbedarf von Klein- und Mittelbetrieben decken.

Die Ergebnisse des EPRO-Forschungsvorhabens sollen deshalb zu einem Schulungsprogramm zusammengefaßt werden, das in pädagogischer und psychologischer Hinsicht auf die entsprechende Zielgruppe (Entscheidungsträger und an der Entscheidungsvorbereitung Beteiligte in Klein- und Mittelbetrieben) abgestimmt ist. Ziel des Lehrprogramms ist:

- die Entwicklung von praxisorientierten Kriterien für die Auswahl von Computer-Systemen,

- das Erkennen genereller Zusammenhänge bei der Anwendung von Computersystemen,

- eine Erhöhung des Wissensstandes über Aufbau und Funktionsweise von Computern,

- die Verbesserung der Beurteilungsfähigkeit hinsichtlich verschiedener Varianten des Computereinsatzes,

- eine Anleitung für die Vorgehensweise bei Anwendungsentscheidungen, einschließich etwa der Vertragsverhandlungen,

- die Entwicklung von problem- und unternehmensadäquater Gestaltungshilfen für den Computereinsatz.

Die entscheidende Bedeutung der Ergebnisse liegt in einer Verbesserung der Ausgangsposition, in der sich Klein- und Mittelbetriebe hinsichtlich der Rationalisierung ihrer Informationsverarbeitung befinden.

"Viele Anlagen sind überdimensioniert"

Einer der Hauptfehler bei der Auswahl von Computern ist die Überdimensionierung der Anlagenkonfiguration, also die Entscheidung für ein System, dessen Leistungsfähigkeit gar nicht voll ausgeschöpft werden kann. Bei einem EDV-Investitionsvolumen von insgesamt rund 25 Milliarden Mark für die Bundesrepublik läßt sich leicht ermessen, welche volkswirtschaftlichen Rationalisierungsgewinne durch richtige Auswahl- und Einsatzentscheidungen zu erzielen sind: Jedes Prozent weniger an Überkapazität entspräche einer Einsparung von zirka 250 Millionen Mark. Darüber hinaus würde eine rationelle Gestaltung der Arbeitsabläufe im administrativen Bereich gerade in mittelständischen Betrieben zu entscheidenden Produktivitätssteigerungen und damit auch zu einer Verbesserung der Wettbewerbssituation führen.

* Das Forschungsvorhaben EPRO hat zur Zielsetzung, Problemlösungen und Arbeitsanleitungen für rationelle ADV-Einsatzentscheidungen in Klein- und Mittelbetrieben zu entwickeln. Forschungsleitung: Prof. Dr. Erwin Grochla; Projektteam: Dipl.-Kfm. Helmut Weber; Dipl.-Kfm. Hans Gürth; Dipl.-Kfm. Michael Reicherts; Dipl.-Hdl. Ernst Tierneyer.