Eigene Programmentwicklung wird zunehmend teurer:

Schwachstelle bei Standardsoftware ausmerzen

23.09.1983

Die Anschaffung von DV-Hardware ist heute keine Frage mehr des Geldes, denn die fast tägllch sinkenden Hardwarekosten erlauben schon bald jedem Anwender, eine seinen Bedürfnissen entsprechende Blackbox anzuschaffen. Das Angebot an Mikros- ob 8, 10 oder 32 Bit- wird immer größer und unübersichtlicher. Jeder offeriert seine Ware zu Kaufhauspreisen und stellt dabei ihre besonderen Qualitäten in den Vordergrund. Doch der eigentliche und wirkliche Schlüssel für erfolgreichen Computereinsatz liegt heute mehr denn je in der Software.

Die Software drängt immer mehr in den Vordergrund einer jeden DV-Anwendung. Um so wichtiger ist es, die Schwachstellen von Standardprogrammen vor dem Einsatz im eigenen Haus zu erkennen, um somit Fehlinvestitionen vorzubeugen. Es ist daher häufig ratsam, trotz der eigenen Softwarebeurteilung noch zusätzlich einen neutralen Berater zur Entscheidungsfindung über die Softwarequalität hinzuzuziehen.

Auch eine Hard- und Softwarevorführung mit echten Daten bei Referenzfirmen bringt oft nützliche Aufschlüsse im Detail. Soweit möglich, ist diese Vorführung aber ohne Verkäufer der jeweiligen "DV-Ware " zu arrangieren. Eine Beratung im Vorfeld der Einführung kostet am Ende weniger als unzufriedene Ergebnisse nach der Implementierung. Vom Anwender ist dem Verkäufer unbedingt ein Anforderungskatalog für seine gewünschten Ziele vorzulegen und die ihm darauf angebotenen Programme sind auf ihre Funktionsfähigkeit zu testen. Eigene Softwareentwicklungen sind für kleinere Unternehmen heute finanziell nicht tragbar. Die Hardware- zu Eigensoftwareentwicklungskosten liegen heute bei einem Verhältnis von eins zu fünf bis eins zu zehn.

Ein Computereinsatz kommt daher nur in Frage, wenn Standardsoftware für das vorgesehene Einsatzgebiet schnell verfügbar und vom Preis her günstig ist. Diese fertigen Anwendungslösungen decken in den meisten Fällen nicht die dem seitherigen manuellen Betriebsgeschehen zur Verfügung stehenden Entscheidungshilfen ab und bringen in den Fachabteilungen oft lange Zeit Akzeptanzprobleme mit sich. Deshalb ist zu prüfen, welche Basis von der Gesamtlösung als Standard eingesetzt und welche fertigen Softwaremodule speziell den betrieblichen Erfordernissen in einem angemessenen Preis -/Leistungsverhältnis angepaßt werden müssen.

Die als Beispiel aufgeführte Software "Fertigungsorganisation" wurde vom Hersteller der Hardware programmiert. Sie umfaßt die in einem Fertigungsbetrieb des Maschinenbaus eingeführten Programm-Module:

- Teilestammverwaltung

- Stücklistenorganisation

- Lagerbuchhaltung

-Arbeitsplatzverwaltung

- Materialplanung

- Permanente Inventur

Weitere Module, so die Bestellschreibung und Auftragsverwaltung sollen folgen. Man kann mit einem der Module beginnen und bei gegebener Zeit ein weiteres Modul hinzufügen. Diese einzelnen Programme sind schon lange in der Praxis eingeführt, jedoch trotz Software aus einer Hand, im Gesamtpaket Materialwirtschaft, nicht immer von vornherein auch dort lauffähig integriert.

Risiko bei eigener Anpassung

Deshalb ist schon bei der Auswahl der Software darauf zu achten, daß alle bei der Auswahl berücksichtigten Programme auch integriert lauffähig sind. Bei eigener Anpassung ist das ein sehr großes Risiko und die Installationszeit eines Programmes wird dann schon nicht mehr in Tagen gezählt. Auch eine Standardsoftware lebt und muß den heute schnellen innovativen Hardwareveränderungen angepaßt werden.

Bei einer nicht ausgereiften praxisbezogenen Software ist eine Angleichung an die Erfordernisse des Marktes vom Ersteller dringend zu fordern. Hier kann ein Softwarewartungsvertrag mit dem Softwarepartner einem sehr viel zeitintensive Arbeit abnehmen. Zu viele firmenspezifische eigenhändige Grundsatzmodulabänderungen bringen die eigene EDV-Abteilung bald an die Programmierungskapazitätsgrenze, weil die betriebliche Organisation Änderungen eben jetzt fordert, diese jedoch vor der Übernahme der Software im Pflichtenheft nicht aufgeführt waren. Der Aufwand für den Einstieg in die fremden Programme steht meist in einem schlechten Verhältnis zum effektiven Nutzen der neuen Aussage. Deshalb ist vor Einführung anwendungsbezogener Software unbedingt ein Pflichtenheft mit Einbeziehung aller damit betroffenen Fachabteilungen zu erstellen und dem Softwareanbieter vorzulegen.

Umstellung nicht von heute auf morgen

Er hat dann zu prüfen, inwieweit seine Standardanwendungssoftware dem Pflichtenheft entspricht oder welche Anpassungen zu welchem Preis notwendig sind. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß eine jahrzehntelange, eingefahrene Betriebsorganisation, egal welcher Branche, nicht von heute auf morgen auf EDV und speziell auf eine Standardsoftware umzustellen ist.

Trotzdem, ein "Ja" zu guten Standardsoftwareprodukten, denn sie sind kostengünstiger als eigenerstellte Programme, jedoch muß die Möglichkeit bestehen, die heute neuartigen Abfragesprachen für die Fachabteilungen einzusetzen. Die Bereitstellung von einfachen Programmierhilfen beziehungsweise Programmierwerkzeugen für den Sachbearbeiter am Arbeitsplatz entlastet die Programmierer zusehends. Diese Programmierhilfssprachen für den EDV-Laien, wie beispielsweise "Mapper" von Sperry Univac, bringen den Nutzen der EDV in die Fachabteilungen, ohne die Grundsatzprogramme verändern zu müssen. Daher sind heute möglichst fertige, praxisbewährte Anwendungslösungen einzusetzen. Dann wird, die Datenverarbeitung den Betrieb ohne große betriebliche Organisationsveränderungen erobern.

*Werner Kieß ist Organisator bei der GDO Gesellschaft Deutscher Organisatoren e.V., Esslingen-Berkheim