Schulz-Wolfgramm: Höhere Anforderungen an das Zentrum

10.06.1977

Wesentlicher Sinn der Datenverarbeitung ist es, Information für vielfache Nutzung zusammenzuführen. Dieser Sinn wird gefährdet, wenn

- die einheitliche Strukturierung von Anwendungen,

- die Kommunikation zwischen den Funktionen und

- die Integrität der Datenbestände verlorengeht.

Unstrukturierte Verbreitung von Computer-Funktionen könnte den Sinn der Datenverarbeitung im Extremfall sogar ad absurdum führen: Durch "mehr Computer" am Ende Verlust des Computer-Effekts?

Unsere These war und bleibt: Die weitere Streuung der Computer-Funktionen, die Verbreiterung der Peripherie für den Endbenutzer stellt, wenn sie strukturiert und kontrolliert

erfolgt, nicht geringere, sondern höhere Anforderungen an

Zentrum.

Um die Computer-Nutzung verbreitern zu können, muß das Zentrum gestärkt werden.

Diesen Weg ist die IBM im vergangenen Jahr gegangen: Die bemerkenswertesten Produkt-Neuerungen lagen nicht im Bereich der Datenstationen, sondern betrafen das Zentrum.

Und dennoch: 1976 als das Jahr des Endbenutzers?

Der scheinbare Widerspruch bestätigt die Konzeption, . . . Computerkapazitäten im Zentrum und an der Peripherie bis zum Terminal durch die Beherrschung der Steuerungstechnik so zu optimieren, daß dadurch die Nutzung des Gesamtsystems stetig erweitert, verbessert, erleichtert wird.

Beim Übergang zu Online-Systemen nimmt diese Interdependenz in drei Grundbeziehungen, über die sich die weitere Entwicklung vollzieht, Gestalt an:

- Beziehung zwischen zentraler Speicherkapazität einerseits und dem steuernden Betriebssystem andererseits.

Dabei gilt:

- Ein höher entwickeltes Betriebssystem führt zu besserer Betriebsmittelnutzung,

aber

- größere Betriebssysteme erfordern mehr Speicher und konsumieren CPU-Leistung.

- Beziehung zwischen Speicher bzw. Verarbeitungsleistung einerseits und dezentraler Funktion andererseits.

Dabei gilt:

- Mehr zentrales Volumen schafft höhere dezentrale Verfügbarkeit und größere Verknüpfungsbreite im zentralen Datenbestand für qualifiziertere Peripherie-Funktionen und mehr Datenstationen, wobei

-die verstärkte Nutzung dieser Vorteile zu verstärktem Steuerungsaufwand und zu stärkerer Inanspruchnahme der EDV-Kapazitäten für Steuerungszwecke führt.

- Die Beziehung zwischen Steuerungs-Software (Betriebssysteme, SNA-Funktionen) einerseits und Betrieb und Verfügbarkeit der Außenfunktionen (Terminals) andererseits.

Dabei gilt:

- Höhere Verfügbarkeit, bessere Steuerung, intensivere Kommunikation erfordert höherentwickelte Steuerungs-Software, diese konsumiert Verarbeitungs- und Speicherkapazitäten.

Zwischen den "Eckpunkten" dieses "Entwicklungs-Dreiecks" besteht also ein gegenseitiges Spannungsverhältnis, in dem sich der Fortschritt in der Datenverarbeitung vollzieht (wobei die Relation zwischen diesen Komponenten nicht festgeschrieben ist).

Die Auseinandersetzung um Grundfragen der weiteren Entwicklung kulminiert im Verständnis des Faktors "Information" als Organisations- und Steuerungsgröße. Weichen für die künftige Entwicklung werden jetzt gestellt.

Als Entscheidungsfrage ist im vergangenen Jahr deutlicher geworden: Bewahrung und Stärkung des umfassenden Steuerungs-Zusammenhangs für eine größere Pluralität der Anwendungen und für die Gewinnung einer bisher nicht bekannten Unmittelbarkeit der Anwendungen.

Vor einiger Zeit noch schien der legendäre "Endbenutzer" ein besonderer Exote zu sein, der in irgendwelchen "Fachabteilungen" aufzusuchen ist. Jetzt wird deutlicher worum es sieh dabei handelt: um jedermann.