PC-Einsatz stellt neue Anforderungen an Mitarbeiter und Vorgesetzte:

Schulung sichert die Effektivität am Arbeitsplatz

30.09.1988

Immer mehr Personal Computer halten Einzug in die Unternehmen. Ihr Einsatz soll eine Steigerung der Produktivität bringen, doch ohne entsprechende Schulung der Anwender ist häufig das Gegenteil die Folge. Welche Trainingsmaßnahmen für die effektive Arbeit am PC nötig sind, schildert Detlef Bührer, Mitarbeiter der SCS GmbH, Hamburg.

Über die rasante Verbreitung der Personal Computer in Wirtschaft und Verwaltung ist schon vieles geschrieben worden. Faszinierend ist sie - verglichen mit der langen Entwicklungsgeschichte der DV allgemein - allemal.

Wir ertappen uns heute dabei, daß wir Wissen über Anwendungen auf PCs zum Allgemeinwissen zählen (wobei DV-Kenntnisse oft gleichgesetzt werden mit Kenntnissen im Umgang mit PCs). Wir erfahren, daß große Unternehmen ihren Mitarbeitern kostenlos freiwillige Seminare über PC-Grundkenntnisse offerieren (und dies auch während der Arbeitszeit) - ja, es soll sogar Firmen geben, die den Mitarbeitern finanzielle Hilfestellung für den Erwerb einer eigenen PC-Konfiguration anbieten.

Eine weitere Beobachtung aus dem täglichen Kontakt mit Anwendern kommt hinzu: Kaum eine Maßnahme der letzten Jahre hat bewirkt, daß die Barrieren und Mißverständnisse zwischen Systementwicklern und Anwendern so deutlich abgebaut werden konnten wie seit der Verbreitung der PCs.

Schulung im Umgang mit dem Personal Computer ist folglich sinnvoll und notwendig. Es fragt sich nur, wer worin und wie zu schulen ist, um Aufwand und Nutzen in einem vertretbaren Maß zu halten. Einige Erfahrungen aus der Praxis des Bereiches Training der SCS werden im folgenden genannt.

Die wichtigste Erfahrung unseres Hauses aus allen durchgeführten Trainingsveranstaltungen besteht in der Erkenntnis, daß PC-Schulungen - im Gegensatz zu den meisten Anwenderschulungen der Vergangenheit - nicht nur "Anwendungskenntnisse" vermitteln dürfen. Vielmehr müssen sie erst einmal den Weg dahin ebnen, indem sie "Orientierungs-" und "Methodenwissen" vorschalten. Der PC ist nun einmal Rechenzentrum inklusive Entwicklungs- und Produktionsumgebung auf dem Schreibtisch, und die meisten Benutzer verstehen ihn auch in dieser Funktion. Sie wollen nicht allein gesagt bekommen, wie aus der Maske x nach erfolgtem Einschalten die Funktion y aufzurufen ist, sondern interessieren sich für Möglichkeiten und Grenzen der Hardwareausstattung, des Betriebssystems und natürlich der potentiellen Anwendersoftware.

PC-Anwender können mehr als Datenverarbeitungstypisten

Viele Fehler und Mißverständnisse der vergangenen Jahre sind darauf zurückzuführen, daß PC-Benutzer orientierungslos mit ihrem neuen Werkzeug alleingelassen wurden und selbst trotz zum Teil hoher Motivation und Eigeninitiative bei weitem nicht die erwarteten Produktivitätssteigerungen erbringen konnten. Das Gegenteil war häufig der Fall ("der PC hat viel Geld gekostet, steht herum, die Arbeit wird nach wie vor manuell erledigt"). Bei anderen PC-Benutzern bekam der Umgang mit dem neuen Werkzeug eine derartige Eigendynamik, daß sie mittlerweile den Großteil ihrer täglichen Arbeitszeit (und natürlich der Freizeit) daran verbringen - sehr zum Leidwesen aller "Unwissenden" in der Arbeitsumgebung, die den Forschungs- und Entwicklungsprozeß des neugeborenen Freaks miterleben müssen.

Schulung im Hauruck-Verfahren bringt kaum Erfolg

Vernünftige Schulungsmaßnahmen für zukünftige PC-Anwender (sofern sie nicht ein reines Incentive darstellen) bestehen somit aus mindestens zwei Lernstufen: einer Orientierungs- und einer Intensivstufe. Der Inhalt der Intensivstufe ist abhängig von der am Arbeitsplatz zu verwendenden Software. Das Lernziel sollte hier nur so definiert werden, daß man die wesentlichen Funktionen der Anwendung vorstellt und am PC üben läßt, nicht jedoch in den wenigen zur Verfügung stehenden Schulungstagen einen hundertprozentigen Funktionsumfang zu vermitteln versucht. Zeitlich sollte die Intensivschulung dem Orientierungsteil in einem nicht allzu großen Abstand folgen: Ein Erfolg stellt sich eher ein, wenn dem Appetit das Essen folgt.

Die Orientierungsschulung sollte anwendungsunabhängige Inhalte haben mit dem Hauptziel, zukünftige Anwender "neugierig" zu machen, Zweifler zu motivieren, aber auch überzogene Erwartungen an die Leistungsfähigkeit von Soft- und Hardware zu dämpfen. Typische Inhalte einer solchen Schulung sind:

* Aufbau und Arbeitsweise einer PC-Konfiguration,

* Funktionen des Betriebssystems,

* Übersicht über das Angebot an Anwendungssoftware,

* Sicherheitsaspekte beim Umgang mit PC-Anwendungen,

* Vorgehensweise bei der Erarbeitung von eigenen PC-Problemlösungen (zum Beispiel Datenbank),

* Identifizierung potentieller Anwendungen am eigenen Arbeitsplatz,

* die Einbindung des PCs in eine moderne Bürokommunikationslandschaft.

Anwenderschulung bleibt Thema für die nächsten Jahre

Es ist eine Selbstverständlichkeit, aber man muß es den verantwortlichen Vorgesetzten immer wieder ins Stammbuch schreiben: Die Ausgaben für PC-Hard- und

-Software sind der geringere Teil bei der Investition in eine PC-Infrastruktur. Wer nicht vernünftig motiviert und ausgebildet mit dieser Infrastruktur arbeiten kann, kostet die Organisation wesentlich mehr Geld, als für Trainingsmaßnahmen notwendig wäre. Vielleicht erleben wir eines Tages das Anwenderparadies, in dem traumhafte Benutzeroberflächen dafür sorgen, daß der Umgang mit dem Computer so einfach ist wie die Bedienung eines heutigen Telefonapparates (der Autor als Benutzer eines "Komforttelefons" hat da allerdings heute schon so seine Schwierigkeiten). Die beste Benutzeroberfläche ersetzt aber nicht die gedankliche Leistung, die der Mitarbeiter erbringen muß, wenn er einen gewissen Anspruch an die Qualität seiner PC-Anwendungen stellt. Der PC-Einsatz ändert das Anforderungsprofil an Mitarbeiter und Vorgesetzte - und das macht Schulung notwendig.