Jimmy Wales im CW-Interview

Schulen ans Wiki

07.04.2009
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Jimmy "Jimbo" Wales, Gründer und Kopf der Online-Enzyklopädie Wikipedia, fordert Social Media als Pflichtfach, appelliert an Microsoft und warnt vor Facebook.

CW: Haben Sie Angst vor Google?

WALES: Nein, ich mag Google sehr. Ich glaube zwar, dass wir wegen seiner Dominanz im Markt alle ein Auge auf den Konzern haben müssen, aber ich denke nicht, dass Google wie Microsoft ist. Wer Windows nutzt, wird in andere Microsoft-Produkte hineingezwungen. Bei Google ist das nicht so, hier bildet sich zunehmend Widerstand im Markt durch alternative Angebote. Viel gefährlicher finde ich dagegen das unaufhaltsame heimliche Social-Media-Monopol Facebook. Da das Unternehmen noch kein Geld verdient, wirkt es bislang kaum furchteinflößend.

CW: Microsoft hat die Entwicklung seiner Encarta-Enzyklopädie eingestellt. Gute Nachrichten?

WALES: Ja, in unserer modernen Zeit sollten Menschen freien Zugang zu grundlegendem Allgemeinwissen haben. Encarta als klassisches kostenpflichtiges Lexikon hat ausgedient. Ich hoffe, dass wir Microsoft ermutigen können, die Inhalte nun unter freien Lizenzen anderswo weiter zu veröffentlichen. Das betrifft aber vor allem die Bilder und nicht den Text.

CW: Damit die Wikipedia neue und vor allem lizenzfreie Bilder bekommt?

WALES: Die Veröffentlichung muss nicht unbedingt dort stattfinden, solange Microsoft seine Encarta-Inhalte überhaupt frei zugänglich macht.

CW: Schüler und Studenten lernen anders als früher. Der Leitsatz lautet 'Ich muss nicht alles wissen, ich muss nur wissen, wo ich es nachschlagen kann.' Kann das zum Problem werden?

WALES: Das denke ich nicht. Vor fünfzig Jahren haben wir alles im Brockhaus nachgeschlagen, heute schlagen wir alles bei Wikipedia nach. Der Vorteil heute ist, alles Wissen der Welt in Sekundenschnelle parat zu haben und somit auch ganz andere Möglichkeiten des Lernens aufgezeigt zu bekommen. Schüler und Studenten lernen insgesamt zwar anders, aber im Endeffekt auch viel mehr als früher. Immer mehr Schulen erkennen die Notwendigkeit, Teamarbeit und die gemeinsame Aneignung von Wissen zu fördern. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass Klassen und Projektgruppen eigene Wikis entwerfen oder Online-Lexika um Fachinformationen ergänzen, die im Unterricht herausgearbeitet wurden.