IT-Branche muss sich ab Januar 2002 umstellen (Teil 2)

Schuld- und Vertragsrecht geändert

21.12.2001
Die Neuregelungen der Schuldrechtmodernisierung beeinflussen auch stark das IT-Geschäft. Die neuen Vorschriften gelten für alle ab dem 1. Januar 2002 abzuschließenden Verträge. Deshalb besteht akuter Handlungsbedarf. Dieser zweite Teil unseres Beitrags informiert über den neuen "Verbrauchsgüterkauf" und Änderungen für Werk- und Dienstverträge. Von Martin Schweinoch und Stefan Krätschmer*

Die im ersten Teil dargestellten Änderungen (siehe CW Nr. 50/01, Seite 48) für alle Kaufverträge betreffen nicht nur die Definition der Soll-Beschaffenheit eines Kaufgegenstandes, für die auch Werbeaussagen maßgeblich sind. Der Käufer hat bei Mängeln ein neues Recht auf Nacherfüllung, bei dem er zwischen Nachbesserung und Neulieferung wählen kann. Schlägt diese Nacherfüllung innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist fehl, kann sich der Käufer zwischen der Rückabwicklung des Kaufvertrages und der Reduzierung des Kaufpreises entscheiden. Zusätzlich kann der Käufer dann unter bestimmten Voraussetzungen auch Schadensersatz verlangen. Für diese Ansprüche gilt eine von sechs Monaten auf zwei Jahre verlängerte Verjährungsfrist ab Übergabe des Kaufgegenstandes.

Regeln für den VerbrauchsgüterkaufNeu wird der "Verbrauchsgüterkauf" für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über bewegliche Sachen eingeführt. Es kommt dabei nicht auf die Art des Kaufgegenstandes ("Verbrauchsgut") an, sondern nur darauf, dass von einem Unternehmer eine bewegliche Sache an einen Verbraucher verkauft wird - "Verbraucherkauf". Als bewegliche Sache versteht die Rechtsprechung auch Software.

Die neuen Vorschriften sind weitestgehend zwingend. Vertraglich kann also nur in sehr engen Grenzen anderes vereinbart werden. Die Neuregelungen gestalten nicht nur den Kaufvertrag zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer, sondern auch Rückgriffsansprüche des Unternehmers gegen seinen Vorlieferanten bei Mängeln des Kaufgegenstandes.

Bei einem "Verbrauchsgüterkauf" wird vermutet, dass ein Mangel bereits bei Übergabe des Kaufgegenstandes vorlag, wenn er innerhalb von sechs Monaten ab dieser Übergabe der Kaufsache auftritt. Der Unternehmer muss das Gegenteil beweisen, um nicht für den Mangel zu haften. Eine gegenüber Verbrauchern abgegebene Garantieerklärung muss den Verbraucher einfach und verständlich über seine Rechte und deren Geltendmachung informieren.

Ansprüche des Verbrauchers wegen Mängeln der Kaufsache können beim "Verbrauchsgüterkauf" nicht vertraglich eingeschränkt werden, außer Schadensersatzansprüche. Die verlängerte Verjährungsfrist für diese Ansprüche von zwei Jahren ist nur bei gebrauchten Sachen auf ein Jahr verkürzbar.

Noch grundlegender wirken die neuen Regelungen zum Rückgriffsanspruch des Unternehmers gegen seinen Vorlieferanten. Sie gelten für alle Mängelansprüche aus Verträgen zwischen Unternehmern in einer Lieferkette, an deren Ende ein Verbraucher steht. Dann hat jeder Unternehmer Rückgriffsansprüche gegenüber seinem jeweiligen Vorlieferanten.

Diese Rückgriffsansprüche beim Verbrauchsgüterkauf sind zwingend. Entscheidend dafür ist nur, ob der letzte Käufer ein Verbraucher ist oder nicht. Der Vorlieferant kann bei seinem Vertragsabschluss mit dem Weiterverkäufer aber noch nicht wissen, ob dieser an einen Verbraucher verkauft. Der Vorlieferant kann sein Risiko, ob er solchen Rückgriffsansprüchen ausgesetzt ist, also oft kaum abschätzen.

Nach den neuen Vorschriften hat der Unternehmer die Möglichkeit, Mängelansprüche gegenüber seinem Vorlieferanten bis zu einer Obergrenze von fünf Jahren geltend zu machen. Daneben hat der Vorlieferant beim Verkauf neuer Sachen Aufwendungen zu ersetzen, die dem Unternehmer für die Nachbesserung der verkauften Sache beim Verbraucher entstanden sind. Auch diese gesetzlichen Rechte sind - mit Ausnahme des Schadensersatzanspruchs - vertraglich nicht einschränkbar.

Diese zwingende Rückgriffsmöglichkeit ändert die Kalkulationsgrundlage für alle Handelsstufen bis hin zum Hersteller deutlich. Alle verwendeten Verträge sind entsprechend zu überarbeiten. Probleme treten vor allem bei ausländischen Vorlieferanten auf, insbesondere wenn - wie etwa bei US-Zulieferern - ausländisches Recht vereinbart wird. Kennt dieses Recht keinen zwingenden Rückgriffsanspruch, kann der Importeur der Leidtragende sein.

Gewährleistungspflicht jetzt zwei JahreBereits in Teil eins wurde erläutert, dass für die Neuherstellung beweglicher Sachen nicht mehr Werkvertrags-, sondern grundsätzlich Kaufvertragsrecht gilt. Nur ergänzend kommen werkvertragliche Vorschriften zur Anwendung. Dies gilt insbesondere für Mitwirkungspflichten des Käufers und Kündigungsrechte. Neu hergestellte Individualsoftware ist daher nicht mehr abzunehmen und die Fälligkeit der Vergütung dafür nicht mehr von einer Abnahme abhängig.

Werkvertragsrecht bleibt anwendbar für Anpassungen an Software des Kunden oder andere Leistungen, bei denen ein bestimmter "Erfolg" geschuldet wird (Reparatur- oder Instandsetzungsarbeiten). Wie im Kaufrecht gilt auch im Werkvertragsrecht jetzt meistens eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren - anstatt von zuvor sechs Monaten - ab Abnahme des Werks. Der Auftraggeber kann vorhandene Mängel jetzt auf Kosten des Auftragnehmers selbst nachbessern, auch wenn der Auftragnehmer nicht in Verzug ist. Dafür genügt, dass er dem Auftragnehmer eine angemessene Nachfrist für die Mängelbeseitigung gesetzt hat. Beseitigt der Auftraggeber diese Mängel anschließend selbst oder durch Dritte, hat der Auftragnehmer die Kosten zu tragen.

Kein Geld für KostenvoranschlägeAusdrücklich wird geregelt, dass für Kostenvoranschläge keine Vergütung verlangt werden kann, wenn eine Vergütungspflicht nicht ausdrücklich vereinbart ist.

Wegen des geänderten Anwendungsbereichs des Werkvertragsrechts gilt für das ITK-Projektgeschäft jetzt meist Kaufrecht. Diese geänderte Grundlage hat Konsequenzen für alle zu verwendenden Verträge und die entsprechenden Kalkulationsgrundlagen.

Nach dem Gesetz findet keine Abnahme der Projektleistungen mehr statt. Sie werden schlicht übergeben. Damit erfolgt auch der Gefahrübergang auf den Käufer, früher Auftraggeber. Andererseits kann der Verkäufer, früher Auftragnehmer, wegen mangelnder Mitwirkung des Käufers Schadensersatz verlangen und den Kaufvertrag auch kündigen. Der Käufer kann den Kaufvertrag aber ohne Begründung jederzeit kündigen. Er muss dem Verkäufer dann den Kaufpreis bezahlen und kann davon nur ersparte Aufwendungen des Verkäufers abziehen. Die Vertragserfüllung ändert sich durch diese Neuerungen grundlegend. (hk)

*Martin Schweinoch und Dr. Stefan Krätschmer sind Rechtsanwälte in der Münchener Kanzlei Schweinoch Tacke Roas (www.s-t-r.de), die IT-Business und E-Commerce rechtlich betreut.

Neue FristenFür Dienstverträge gilt ebenfalls die neue allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren anstatt den bisher 30 Jahren. Die Frist beginnt ab dem Kalenderjahresende des Entstehens des Anspruchs und der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anspruchsinhabers vom Schuldner und den anspruchsbegründenden Umständen. Pflichtverstöße des Dienstleisters führen unmittelbar zu Schadensersatzpflicht. Auch hier ist zu prüfen, inwieweit die Haftung in Verträgen beschränkt oder gar ausgeschlossen werden kann.

Anpassung von VerträgenDie grundlegenden Änderungen des Schuldrechts machen Anpassungen von Geschäftsmodellen und Kalkulationsgrundlagen unabdingbar. Insbesondere einzusetzende Verträge sind bis zum 1. Januar 2002 anzupassen. Dies betrifft vor allem die Anbieterseite. Die Weiterverwendung alter Vertragsmuster führt zu kaum absehbaren Risiken und machten eine wirtschaftliche Kalkulation nahezu unmöglich. Der zeitliche Druck ist vom Gesetzgeber vorgegeben, die ITK-Branche hat darauf zu reagieren.