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Schröder droht Mautbetreibern und Toll Collect deutet Zweistufenmodell an

16.01.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Jetzt hat sich Bundeskanzler Gerhard Schröder in die Debatte um das Mautsystem eingeschaltet. Bis zum 31. Januar 2004 müsse das Betreiberkonsortium Toll Collect von DaimlerChrysler, Deute Telekom und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute einen verbindlichen Starttermin für das Lkw-Gebührenabrechnungssystem vorlegen. Tue es dies nicht, "bleibt nichts anderes übrig, als die Zusammenarbeit zu beenden", sagte der Bundeskanzler anlässlich eines Festaktes zum Jubiläum der Deutschen Bahn in Berlin am Mittwoch. Die vielgescholtene Betreibergesellschaft hat derweil die Möglichkeit angedeutet, das Mautsystem in einem Zweistufen-Prozess einzuführen.

Nach den Vorstellungen von Toll Collect könnte das Mautsystem im Oktober 2004 in einer ersten Version in Betrieb genommen werden. Hierzu würde das Konsortium die Software verwenden, die in den On-Board-Units (OBUs) der Lkws probehalber zum Einsatz kam. Allerdings ist diese Software sehr fehlerbefatet gewesen. Außerdem kann sie nicht aktualisiert werden. Das bedeutet, dass IBM und Siemens für die zweite Stufe des Mautsystems eine völlig neue Software schreiben müssen.

Toll Collect machte allerdings keine Angaben dazu, wann genau diese zweite, endgültige Variante zum Einsatz kommen kann. Das Fachblatt "trans aktuell" will in Erfahrung gebracht haben, dass diese zweite Stufe zwölf bis 15 Monate nach Inbetriebnahme der ersten an den Start gehen könnte. Toll Collect selbst hatte in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe vor Weihnachten ausgedrückt, ein möglicher Start des Mautsystems könne im vierten Quartal 2004 oder im ersten Vierteljahr 2005 realistisch sein. Offiziell soll Stolpe am 23. Januar von Toll Collect über den Zweistufen-Plan informiert werden. Allerdings wollten die Konsortialpartner diesen Termin nicht bestätigen.

Bundeskanzler Schröder erklärte derweil die Lkw-Maut zur Chefsache. In Berlin sagte er, niemand habe ein Interesse daran, dass Toll Collect das System nicht auf die Beine bringe. Er hoffe allerdings darauf, dass das Mautsystem noch auf den Weg gebracht werde, denn die Alternativen seien "nicht berauschend". Andererseits zeigte sich Schröder auch optimistisch, im Fall eines weiteren Scheiterns Schadensersatzforderungen in Milliarden Euro Höhe durchsetzen zu können. Er hoffe, dass sich die Konsortialpartner an den Ausfällen der Mautgebühren beteiligen, die sich allein dieses Jahr auf rund 2,8 Milliarden Euro belaufen werden. Der Schaden für die Nichteinhaltung von Terminen müsse voll ersetzt werden. Bundesverkehrsminister Stolpe stellte Toll Collect bislang schon rund 1,3 Milliarden Euro in Rechnung.

Schadenersatzforderungen kann das Mautkonsortium umgehen, wenn es bestimmte, recht hohe technische Hürden überwindet, die Voraussetzung für eine vorläufige Inbetriebnahme sind. Diese sind in dem Mautvertrag geregelt, aus dem die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert. In einem zwei Monate andauernden Probebetrieb müssten eindeutige Quoten erfüllt werden, schreibt das Blatt. Nachgewiesen werden müsse zum Beispiel, dass bei der automatischen Mauterhebung mehr als 95 Prozent der Fahrzeuge erfasst werden. Zudem müssen mehr als 99 Prozent der Zahlstellen verfügbar sein. Auch müsse Toll Collect während des Probebetriebs nachweisen, dass das manuelle Einbuchungssystem in der Lage ist, die gesamte Mauterhebung auch unter Volllast abzuwickeln. Darüber hinaus müssen die automatischen Kontrollstellen zu mehr als 95 Prozent verfügbar sein. Die Aufdeckungsquote muss bei mehr als 60 Prozent liegen. Die endgültige Betriebserlaubnis werde nur

erteilt, nachdem diese Quoten noch einmal angehoben wurden.

Die "FAZ" schreibt allerdings auch, dass das Verkehrsministerium wenige Druckmittel in der Hand habe, um finanzielle Ausgleichszahlungen bei Nichterfüllung des Vertrags zu erzwingen. Die Vertragsstrafen liegen mit 183 Millionen Euro pro Jahr weit unter den Gebühreneinbußen des Bundes für den Fall, dass das System nicht an den Start geht. In dem Vertrag heisse es ausdrücklich, dass neben dieser Vertragsstrafe "weitere Vertragsstrafen oder eine verschuldensabhängige Haftung ausgeschlossen sei", schreibt die FAZ. (jm)