Schritte zur Re-Zentralisierung eingeleitet Unabhaengige IBM-Units fuer Gerstner kein Dogma

24.09.1993

ARMONK (IDG) - IBM-Chef Louis Gerstner raeumt der Frage nach der internen Organisationsstruktur der IBM nach eigenem Bekunden nicht die hoechste Prioritaet ein. Viel wichtiger fuer den Kunden sei die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Geschaeftsbereichen des Konzerns. Die kuerzlich bekanntgegebene Gruendung des "Executive committee", dem neben Gerstner zehn fuehrende IBMer angehoeren, soll jetzt fuer bessere Beziehungen der Lines of Business sorgen. Beobachter werten dies als Schritt in Richtung auf die Re- Zentralisierung von Big Blue.

Das elfkoepfige Zentralorgan soll, so der IBM-Chairman in einem internen Memo, kein neues buerokratisches Bollwerk darstellen. Vielmehr ist es gehalten, die Geschaeftseinheiten zur engeren Zusammenarbeit zu bewegen, um den Beduerfnissen der Kunden besser gerecht zu werden. Gleichzeitig soll es Redundanzen und buerokratische Strukturen abbauen, unternehmensweite Inte- grations-Initiativen ins Leben rufen und den Chairman in strategischen Fragen beraten. Zu den Komitee-Mitgliedern zaehlen, neben Gerstner selbst, Jim Cannavino, Gerry Czarnecki, Ellen Hancock, Bob LaBant, Ned Lautenbach, Bernard Pucket, Vice-Chairman Paul Rizzo, John Thompson, Pat Toole und Jerry York. Die Mitglieder des neuen Organs werden sich laut Gerstner-Memorandum nicht mehr ausschliesslich auf die Leistungen der Geschaeftsbereiche konzentrieren, denen sie teilweise vorstehen, sondern die Performance der gesamten Company im Auge behalten. Tun sie das nicht, koennten ihre an den Unternehmenserfolg geknuepften Gehaelter sinken.

Die Massnahme steht den Dezentralisierungsbemuehungen seines Vorgaengers John Akers zwar entgegen, aber Gerstners Meinung nach muesse sich das Unternehmen ohnehin mehr um die Klientel als um interne Strukturen kuemmern. "Ich habe die feste Ueberzeugung gewonnen, dass die Entscheidung Dezentralisierung versus Zentralisierung nicht unser wichtigstes organisatorisches Dilemma darstellt," schreibt der IBM-Chef an die Mitarbeiter, "sondern die Arbeitsbeziehungen zwischen unseren operationalen Einheiten".

"Er macht den Kunden wieder zum Koenig", kommentierte Daniel Mandresh, Analyst bei Merrill Lynch, Gerstners Massnahme gegenueber dem "Wall Street Journal". Da die Verantwortung fuer Gewinn und Verlust der Geschaeftsbereiche weiterhin bei den Lines of Business laege, stelle die nun eingezogene Struktur "die beste Kombination dar, um das Ziel zu erreichen", sagte Mandresh weiter.

Enterprise Systems verlieren an Bedeutung

Ausserdem kuendigte Gerstner an, dass Paul Rizzo, der aus dem Ruhestand zurueckgeholte Vice-Chairman, nicht mehr direkt ueber die Business Units wacht, sondern sich statt dessen kuenftig zusammen mit dem Chairman unternehmensweit relevanten Themen widmet. John Thompson, der bisher die AS/400-Truppe lenkte, zeichnet ab sofort neben der Verantwortung fuer die Application Solution Line of Business auch fuer die Enterprise Systems verantwortlich, die bisher die alleinige Domaene von Nick Donofrio war. Donofrio dessen Business seit 1990 von 13 Milliarden auf zuletzt 6,5 Milliarden Dollar schrumpfte, berichtet als General Manager an Thompson.

Ausserdem wird nach Informationen des britischen Branchendienstes "Computergram" die Line of Business Enterprise Systems in "Large Scale Processor Division from Enterprise Systems" umbenannt. Dave Thomas wurde zum General Manager der AS/400-Division befoerdert, Pat Toole beaufsichtigt die Geschaefte von IBM Microelectronics, Adstar, Pennant Systems, Application Solutions und zeichnet fuer das Personalwesen im Konzern verantwortlich. Die anderen Mitglieder des Komitees bleiben auf ihren bisherigen Posten. Das zu Zeiten von Akers noch funktionierende Management committee, das aber wegen personeller Umstrukturierungen an der Konzernspitze an Auszehrung litt, wird aufgeloest.

Wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Insider-Quellen berichte, duerfte Gerstner demnaechst Frederick Zuckermann zum Herrn ueber die IBM-Finanzen machen.

Zur Zeit tut Zuckermann noch als Finanzvorstand bei Gerstners ehemaligem Arbeitgeber RJR Nabisco Dienst.