Web

Trotz klarer Grenzen

Schreckgespenst Gesichtserkennung bringt Facebook in die Kritik

10.06.2011
Die Debatte um die Gesichtserkennung bei Facebook verkennt oft das eigentliche Problem.

Millionen Nutzer ließen beim Online-Netzwerk eine Datenbank aus verknüpften Namen und Gesichtern entstehen. Facebook verspricht: Es gibt keinen Missbrauch.

Beim Wort "Gesichtserkennung" schrillen immer die Alarmglocken. Die Horrorvorstellung ist, dass jeder Fremde auf der Straße mit wenigen Handy-Klicks Name, Adresse und etliche weitere Daten über die eigene Person erfahren könnte. Das weltgrößte Online-Netzwerk Facebook mit rund 600 Millionen Mitgliedern musste diese Woche erfahren, wie sensibel gerade die deutschen Internet-Nutzer bei allem reagieren, was irgendwie mit Gesichtserkennung zu tun hat.

Dabei setzte Facebook seiner neuen Gesichtserkennungsfunktion klare Grenzen: Es geht lediglich darum, dass beim Hochladen von Fotos eine Software Nutzern die Namen ihrer dort abgebildeten Freunde bei dem Online-Netzwerk zum Markieren vorschlägt. Um wen es sich handelt, erkennt das Programm anhand früherer Markierungen, die von Nutzern per Hand eingetragen wurden. Facebook betont, dass nur die Namen von Freunden beim Online-Netzwerk vorgeschlagen werden, man die Funktion für sein Gesicht jederzeit abschalten sowie bereits vorhandene Namens-Tags löschen könne.

Die Vorstellung, dass eine Software jedes Bild automatisch nach Übereinstimmungen von Gesichtern und Namen durchforstet, war Verbrauchern und Datenschützern dennoch zuviel. Bei Facebook will man die Aufregung nicht so recht verstehen. "Wir bekommen dadurch doch keine zusätzlichen Daten", sagt die deutsche Sprecherin Tina Kulow. Und das stimmt: Die Verbindung zwischen Name und Gesicht haben bereits vorher die Nutzer selbst hergestellt als sie sich oder einen Facebook-Freund in einem Foto markiert haben.

Und das passiert ständig. 100 Millionen solcher Namens-Tags werden pro Tag eingetragen, sagt die Facebook-Sprecherin. Macht gut 1157 Mal pro Sekunde. Eine beeindruckende Vorstellung: Beim Online-Netzwerk liegt eine gewaltige Datenbank mit vielen Millionen Verknüpfungen von Namen und Gesichtern, erstellt von den Nutzern selbst. Allein in Deutschland hat Facebook rund 20 Millionen Mitglieder.

"Es geht nur darum, den Nutzern den Umgang mit ihren Bildern komfortabler zu machen", versichert die Facebook-Sprecherin. "Wir machen nichts weiter mit diesem Daten." Dass das Unternehmen sich an das Versprechen und an seine Datenschutz-Bestimmungen hält, ist letztlich Sache des Vertrauens: Kontrollen gibt es nicht.

Der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar jedenfalls, der in Deutschland für Google zuständig ist und auch mit Facebook verhandelt, schlägt Alarm. Wenn ein Unternehmen biometrische Merkmale von Millionen Menschen ansammelt, sei dies "hochbrisant", warnt er. Und Facebook müsse für die Gesichtserkennungsfunktion eine biometrische Datenbank betreiben, die permanent im Hintergrund läuft.

Zudem kritisiert Caspar scharf, dass Gesichtserkennung und Vorschlags-Funktion standardmäßig aktiviert wurden: "Facebook hat es versäumt, die Nutzer davon ausdrücklich in Kenntnis zu setzen. Wer nicht mitmachen will, ist gezwungen, die Funktion zu deaktivieren, dies gilt auch für Minderjährige."

"Wir hätten die Nutzer deutlicher informieren können", räumt die Facebook-Sprecherin ein - eine heimliche Aktion sei es jedoch keinesfalls gewesen. Schließlich sei die entsprechende Änderung der Privatshäre-Richtlinien schon im Dezember den Nutzern zur Abstimmung vorgelegt worden.

Dort heißt es ziemlich deutlich: "Wenn beispielsweise ein Freund/eine Freundin ein Bild von dir hochlädt, können wir vorschlagen, dass diese/r dich darauf markiert. Wir vergleichen dafür die Bilder deines Freundes/deiner Freundin mit den Informationen, die in allen Bildern, auf denen du markiert wurdest, enthalten sind."

"Welches andere Unternehmen lässt vorher über eine Änderung von Datenschutz-Regeln abstimmen?", fragt die Facebook-Sprecherin. Dass die Funktion standardmäßig eingeschaltet worden sein könnte, damit mehr Nutzer auf sie zugreifen oder einander häufiger in Bildern markieren, weist sie zurück. Eigentlich bringe das Namens-Tagging den Nutzern sogar mehr Kontrolle: "So sehe ich wenigstens sofort, wenn jemand ein Foto von mir hochlädt."

Datenschützer wir Caspar sehen das anders, können aber nicht viel tun. Denn unklar ist sogar, welche Datenschutz-Regeln für die deutschen Facebook-Nutzer gelten. "Facebook ist der Ansicht, dass die Nutzungsverhältnisse aller europäischen Nutzer nach Irland umgestellt wurden", sagt Caspar. Auch in diesem Fall wären zwar deutsche Datenschutz-Behörden zuständig, allerdings nach irischen Bestimmungen, die von den deutschen abweichen. "Man muss sehen, dass unser Einfluss da begrenzt ist." Daher setzt sich Caspar dafür ein, das Thema auf europäischer Ebene zu regeln. Zunächst prüfen die Datenschützer jetzt aber unter anderem, ob die Änderung der Richtlinien zur Privatsphäre im Dezember wirksam war.

Das Image der Marke Facebook in Deutschland ist laut Marktforschern aktuell nicht das beste. So kam das Online-Netzwerk im BrandIndex des Instituts YouGov zuletzt mit einem Wert von -7 Punkten in den negativen Bereich. Die Debatte um die Gesichtserkennung habe jetzt kurzfristig die Skepsis noch einmal verstärkt, sagt YouGov-Marketingchef Markus Braun. Dabei reicht die Skala bei YouGovs Markenindex von -100 bis +100 Punkten, Facebooks Image war im Frühjahr mit +8 Punkten noch positiv und andere Online-Marken wie Google oder Amazon kämen auf mehr als 80 Punkte im grünen Bereich. (dpa/tc)