Mitarbeiter beteiligen und motivieren

Schon einmal versucht Mitarbeiter ernsthaft an Entscheidungen zu beteiligen?

07.03.2017
Von 
Harald Schirmer, seit 1989 im Continental Konzern, ist verantwortlich für die Digitale Transformation und Change in der Konzernpersonalfunktion. Als „Cross-mover“ war er in der Entwicklung, Qualität, Projektmanagment, in IT und ist seit 2011 im Personalbereich tätig. Seine Passion ist nachhaltige Organisationsentwicklung mit modernen Beteiligungsformaten auf Augenhöhe. Als Botschafter, Speaker aber vor Allem als Vorbild vertritt er neue Change Ansätze, ein modernes, netzwerkbasiertes und interkulturelles Führungsverständnis für das digitale Zeitalter. Für seine disruptiven Ansätze und den täglichen #MutAnfall wird er als „trusted irritator“ und pragmatischer Visionär bezeichnet und erhielt dafür den „Leader in the digital Age“ Preis. Transparenz, Diversität, Beteiligung, neue Lernformen und Kulturentwicklung sind ihm sehr wichtig.
In einem Großkonzern ist das Umsetzen von Projekten zum Thema Arbeit der Zukunft keinesfalls einfach. Hier lesen Sie die Umsetzung einer Beteiligungskampagne zur Flexibilisierung der Arbeit nach dem Motto: Von Kollegen für Kollegen.

Organisationen sind schon seltsam. Alle wollen die besten Kandidaten am Markt. Nur sobald diese dann eingestellt wurden, werden sie in eine der beiden üblichen Schubladen gesteckt. Entweder in die Führungskräfteschublade um zu denken, beteiligt zu werden und "für Lösungen" zu stehen oder in die Mitarbeiterschublade um zu arbeiten, Folge zu leisten und eher "als Problem" gesehen zu werden.

Um eine neue Formation zu erreichen, genügt es nicht, wenn nur einige Wenige sich auf den Weg machen.
Um eine neue Formation zu erreichen, genügt es nicht, wenn nur einige Wenige sich auf den Weg machen.
Foto: Lightspring - shutterstock.com

Das ist zu vereinfacht oder schwarz weiß? Dann fragen Sie sich doch einmal:

Wer wird in Ihrer Organisation gefragt, wenn man nach Lösungen sucht?

. . . Führungskräfte oder Mitarbeiter?

Um die Digitale Transformation in unserem Konzern zu forcieren, wurden vier Managementbereiche identifiziert, die von großer Relevanz für unseren langfristigen Erfolg bei der Digitalisierung der Produktion, für Mobilität und der Zukunft der Arbeit sind: Flexibilität, Diversität, Führung und Lernen.

Seit einigen Jahre arbeite ich daran, mit Hilfe von modernen Netzwerkstrukturen neue Methoden der Kommunikation und Zusammenarbeit, sowie einen erweiterten Ansatz im Change Management zu entwickeln, zu testen und umzusetzen. Mehr dazu finden Sie auf harald-schirmer.de.
2016 entwickelten wir ein Beteiligungskonzept um unsere Mitarbeiter in die Planungen zur Zukunft der Arbeit zu involvieren - einem Projekt, das jetzt 2017 "ausgerollt" wird.

Es geht um drei Hauptbereiche für flexiblere Arbeitsbedingungen:

  • Mobiles Arbeiten,

  • Teilzeit und Flexible Arbeitszeit,

  • Sabbaticals.

Die drei Hauptbereiche für flexiblere Arbeitsbedingungen.
Die drei Hauptbereiche für flexiblere Arbeitsbedingungen.
Foto: Continental AG

Dabei war es uns wichtig diesen Ansatz global - in mindestens 90 prozent aller Standorte in 50 Ländern umzusetzen. Während dieses Projekts involvierten wir alle Mitarbeiter mit unserem internen sozialen Netzwerk. Mir ist bei meiner Arbeit sehr wichtig, immer verschiedene Aspekte zu einem ganzheitlichen Ansatz zu verbinden. Dabei waren für mich folgende Ziele im Fokus:

Mission und Ziele der Kampagne

  • Vorstellung des Flexibilisierungsansatzes & aktives Einholen von Feedback

  • Nutzung des Reichtums unserer globalen Diversität um bessere Entscheidungen zu treffen

  • Echte Beispiele für künftige Möglichkeiten durch Vorbilder bewerben

  • die organisationale Veränderung durch Transparenz, Wertschätzung und Beteiligung nachhaltig fördern (Leading Change)

  • Neues Lernen: Hierarchie-übergreifendes Feedback geben und digitale Kommunikation & Zusammenarbeit durch wiederkehrende Zyklen im internen sozialen Netzwerk erleben und üben während das Thema "Flexibilisierung" inhaltlich vorgestellt wird (Fokus im Wissensaufbau nicht nur auf WAS gelernt wird, sondern auch WIE soziales Lernen funktioniert).

Üblicherweise ist das Management sehr vorsichtig damit, ein "Wunschkonzert" zu eröffnen. Es gibt große Bedenken durch Transparenz und Beteiligung die berühmte "Box der Pandora" zu öffnen. Es erfordert also etwas Mut auf der einen und Vertrauen auf der anderen Seite, solche Experimente im großen Stil durchzuführen.

  • Was, wenn ALLE antworten, fordern, kritisieren? … hoher Aufwand und Ärger

  • Was, wenn Mehrheiten entstehen? … Machtverlust

  • Was, wenn sich ein Shitstorm entwickelt? … kritische Zwischenfälle

  • Was wäre … … Zweifel

Das sind natürlich sehr logische und verbreitete Fragen, wenn man noch nie Erfahrungen mit Netzwerken oder Social Media sammeln konnte beziehungsweise so etwas noch nie versucht wurde.

Change Management versus Leading Change

Wie beschrieben möchte ich die bekannten Methoden des Change Management um die neuen, digitalen Möglichkeiten erweitern.

Bei Change Management wird meist nur über Beteiligung gesprochen.

Leading Change basiert auf Beteiligung.

Bisher wurden Mitarbeiter nur über Umfragen oder einzelne Interviews beteiligt. Übliche Change Management Methoden fokussieren auf Beteiligung. Nur war das in größeren Unternehmen kaum möglich, bevor es interne soziale Netzwerkplattformen gab. Heute haben wir jedoch die technischen Möglichkeiten und die unternehmenskulturelle Basis für echte Beteiligung. Das geht jetzt in Echtzeit, direkt, transparent, Kulturkreis- und Hierarchieübergreifend. Die Funktionen von Social Media (Likes, Kommentare, Sharing, Tagging) sorgen dabei quasi automatisch für Konsolidierung, womit keine besonderen zusätzlichen Ressourcen notwendig werden. (Grundlagenbeispiel) ... Expertise und ein gewisser Reifegrade vorausgesetzt!

Da ich seit vielen Jahren diese Methoden für Beteiligung und zur Förderung von Engagement - durch Sichtbarkeit und Wertschätzung - bei großen Mitarbeitergruppen anwende, war ich mir sicher, dass das auch mit der gesamten Organisation klappen würde. Meiner Erfahrung nach ist die typische Angst vor zu großem Aufwand durch zu viel Beteiligung völlig unbegründet. Potenziell wären es in unserem Unternehmen in diesem Fall rund 140.000 Mitarbeiter gewesen.

Das Problem "zu viel Beteiligung" existiert nicht!

Wer Mitarbeiter beteiligen möchte sollte keine Angst vor zu viel Feedback haben. Sollte das tatsächlich passieren (habe ich noch nie erlebt), helfen wie oben beschrieben die Social Media Funktionen beim Konsolidieren. Auch wäre eine starke Häufung zu einem bestimmten Thema ein sehr guter Indikator für ein tatsächliches Problem, das auf jeden Fall angegangen werden sollte. Natürlich lässt sich das zu erwartende Feedback auch durch konkrete und (für die Mitarbeiter) relevante Fragen steuern.

Denken Sie auch daran WIE Sie Informationen teilen und Fragen stellen und was Sie damit eigentlich bezwecken wollen. Stellen Sie nur Fragen, wenn Sie mit den Antworten auch wirklich etwas verändern können oder wollen, sonst sinkt die Beteiligung. Helfen Sie den Mitarbeitern auch zu verstehen, wie geantwortet werden soll. Zum Beispiel: Wenn Sie zustimmen, klicken Sie auf LIKE, wenn nicht, freuen wir uns über einen konstruktiven Kommentar.

Machen Sie eine gemeinsame Lernreise aus der Beteiligungskampagne.

Diskussionen in Firmen-internen sozialen Netzwerken auf Augenhöhe müssen gelernt werden - von Mitarbeitern und Führungskräften! Aus diesem Grund habe ich die Kampagne in vier gleichlaufende Zyklen aufgebaut - um über die Wiederholung zu lernen und auch Mitarbeitern, die später einsteigen eine Chance zu geben. Denn wenn MOOCs in den Zyklen aufeinander aufbauen, verliert man oft viele Teilnehmer, wenn diese nicht kontinuierlich dabei bleiben können.
Wir haben mit einem Video-Interview gestartet, in dem reale Beispiele vorgestellt und diskutiert wurden. Das Video endete mit konkreten Fragen zum Thema, die von den Mitarbeitern diskutiert werden sollten. Es gab natürlich auch einen Bereich für allgemeine Fragen und Diskussionen. Am Ende des Zyklus wurde dann in einem Audio Kommentar das Gelernte rekapituliert, zusammengefasst und nächste Schritte vorgestellt. Zusätzlich wurden die engagiertesten Beitragenden in der "Hall of Fame" geehrt.

Die vier Ablaufzyklen der Kommunikation mit den Mitarbeitern.
Die vier Ablaufzyklen der Kommunikation mit den Mitarbeitern.
Foto: Continental AG

Um zu beweisen, dass sich der Aufwand (unser Vorstand lud alle 140.000 Mitarbeiter mit Zugang zu einem Rechner zur Beteiligung ein) trotz dieser großen Zahl in Grenzen hält, habe ich das Community Management der gesamten Kampagne zusätzlich zu meinen anderen Aufgaben selbst übernommen. Also die Einführungen über "Open Calls" und Web-Sessions, Vorbereitung und Veröffentlichung aller Inhalte, Begleitung der Diskussionen, weitergeben spezifischer Fragen an die Verantwortlichen und die Zusammenfassung der "Lessons Learned" und Ergebnisse sowie KPI (Statistik). Hierbei haben mir einige großartige Kollegen sehr geholfen.