Design: Statt Umkleidung von außen nach innen gebaut

Schönheit mit Funktion

05.09.1975

Von Herbert F. W Schramm Exklusiv für CW

Mit Forderungen an die Gestaltung des DV-Geräts warten nicht allein die Anwendungsbetriebe auf. Zum moralischen Gebot erheben die Arbeitsphysiologen und -mediziner ihren Ruf nach ergonomisch günstigeren Ausrüstungen. Schließlich werden an einem beachtlichen Teil der Einheiten ununterbrochen Daten eingetastet und gelesen, Belege erstellt und Funktionen kontrolliert. Mensch, Maschine, Arbeitsplatz und Raum bilden aus ihrer Sicht ein Beziehungssystem, in dem die Bedingungen der Mitarbeiter an erster Stelle stehen müssen. Erfreulicherweise fällt es den Herstellern leichter, diese Forderung zu erfüllen, seitdem sich in der Formgestaltung ein neuartiger Stil durchgesetzt hat. Hierüber berichteten die verantwortlichen Designer der Olivetti-Gruppe, die Mailänder Mario Bellini und Ettore Sottsass jr., welche durch die Formgebung für Mikrocomputer, Bildschirmterminals und MDT-Coinputer international bekannt geworden sind.

Noch im letzten Jahrzehnt fielen nach ihren Worten den Designern im wesentlichen die Aufgaben zu, eine fertige Konstruktion zu umhüllen und ihr damit ein "Kleid" zu verleihen, das der Markt akzeptiert und die Kunst nicht verurteilt.

Schlechtes Vorbild

Viele Büromaschinen-Hersteller ließen sich im Design von der Mode leiten; die Mode wurde für technische Produkte aller Art in den Automobilsalons kreiert. Bei solchen Ansprüchen genügte es auch, daß die Formgebung rein nachvollziehende Aufgaben hatte.

Bei der Olivetti wandte sich das Produkt-Management von diesem Stil zunehmend ab, nachdem erstmals mit der bekannten "Divisumma" eine einheitliche Design-Linie entwickelt wurde. Der Mikrocomputer "Programma 101" kam dann bereits in einer Entwicklungsarbeit zustande, an welcher der Designer von vorn herein beteiligt war.

Zurückhaltung mit der Farbe

Die frühzeitige und ständige Zusammenarbeit zwischen Konstrukteuren und Formgebern läßt seitdem neuartige Produktstrukturen zu. Der Katalog von Anforderungen, die das Design erfüllen muß, wurde länger und wurde zur Vorgabe für die Konstrukteure. Heute steht die optimale Bedienbarkeit durch eine ergonomisch und funktionell günstige Gestaltung an der Spitze. Außerdem muß die Formgebung die Verkaufsfähigkeit des Produkts unterstützen, eine rationelle Produktion, Pflege und Reparatur ermöglichen und bei allem auch die ästhetischen Forderungen erfüllen.

Ein typisches Kind dieser Entwicklung ist etwa das Design des MDT-Computers A 5 (Sottsass). In frühzeitiger Zusammenarbeit mit den Konstrukteuren konnten die Designer von vornherein die elektronischen und mechanischen Elemente so anordnen, daß sie eine günstige Bedienungstechnik erlauben - nicht umgekehrt. Alle vom Bediener nicht benötigten Teile wurden nach hinten verlagert, und die Tastenfelder erhielten eine ergonomisch günstige Neigung. Mit Zurückhaltung machte man von der Farbgebung Gebrauch; die Maschinen sollten nicht mit Symbolen überladen werden, und die Farbe hat eine Funktion erhalten: Sie gliedert etwa das Tastenfeld nach Funktionsarten.

Elektronik vereinfacht das Design

Die modernen Baustein-Konzeptionen, welche mehr und mehr auch im DV-Bereich zu modularen Produktfamilien führen, haben die Designer in ihre Aufgabenstellung übernommen. Die Geräte der heutigen Serien sind gleichsam wie Schachteln gestaltet, die in

ihrer Kombination eine Vielzahl von verschiedenartigen Funktionen bieten und im Falle der Gerätepflege und -reparatur zu öffnen sind.

Die Miniaturisierungseffekte der Elektronik hat man konsequent genutzt, um möglichst kompakte Einheiten zu entwerfen. Das gleiche gilt für die Möglichkeiten einer freizügigen Placierung der Bauteile, welche die Elektronik im Gegensatz zur Mechanik bietet.

Die Elektronik hat denn auch wesentlich mitgeholfen, das Design von den Zwängen der Konstruktion unabhängiger zu machen.

Das wird nun immer stärker in Formgebungen umgesetzt, die ästhetisch befriedigen. Bei allem wird nicht vergessen, daß die Einheiten der Datenverarbeitung im Arbeitsraum keine Dominanten darstellen dürfen.

Ihre Gestaltung muß deshalb neutral genug sein, um mit Raumgestaltungen jeder Art zu harmonieren.

Herbert F. W. Schramm ist freier EDV-Fachjournalist.