Schöne neue Steuerwelt

24.08.2007
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Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Freiheitlicher Rechtsstaat stark gefährdet

Die Regierungspläne bringen trotz aller Vorteile für Staat und Unternehmen beträchtliche Nachteile mit sich. Datenschützer bemängeln besonders, dass zentrale Datenbanken immer auch Begehrlichkeiten für staatliche Institutionen wecken können, für die sie zunächst gar nicht vorgesehen waren. Als Vergleichsbeispiel nennt der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die Mautdaten, die zukünftig auch in der Strafverfolgung eingesetzt werden sollen, oder den zur Terrorismusbekämpfung eingerichtete Kontendatenabruf, der mittlerweile auch den Finanzämtern offensteht. Schaar fordert eine Grundsatzdiskussion über das neue Jahressteuergesetz und fordert die Abkoppelung der Regelung zur elektronischen Lohnsteuerkarte von den übrigen weniger datenschutzrelevanten Inhalten des Gesetzesentwurfs. Darunter befinden sich unter anderem Änderungen in der Lohnsteuerklasse V und Verfahrensvereinfachungen bei den Rentenbezugsmitteilungen.

Der Datenschutzrechtler Professor Dr. Alfred Büllesbach äußert sich im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE ebenfalls sehr kritisch über die geplanten Gesetzesänderungen. Auch wenn die Modernisierung der behördlichen Finanzverwaltung begrüßenswert sei, sei der eingeschlagene Weg der Umsetzung grundsätzlich falsch. Eine zentrale Steuerdatei kehre den verfassungsrechtlich korrekten Weg der Übermittlung von steuerlich relevanten Daten vom Arbeitnehmer hin zu Arbeitgeber und Behörden um. Durch den automatisierten Prozess habe der Steuerpflichtige keine Kontrolle mehr darüber, was mit seinen Daten geschehe, bemängelt Büllesbach. "Bekämpfung von Steuerbetrug ist nicht alles, entscheidend ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit", so der Datenschutzrechtler. "Ich kann nicht wegen zwei Prozent Steuerbetrügern in Deutschland 100 Prozent der Bevölkerung überwachen."

Die weiteren Folgen solcher zentralen Datenbestände, die in den vergangenen Jahren eklatant zunähmen (beispielsweise durch die Vorratsspeicherung von Online- und Telefondaten ab 2008 oder die geplante Gesundheitskartendatenbank), seien noch nicht absehbar. Besonders die zukünftig stark vereinfachte Möglichkeit der Verknüpfung mehrerer Datenbanken auch über Landesgrenzen hinweg sieht Büllesbach sehr kritisch. Nicht alles sei mit der größtenteils fiktiven täglichen Terrorgefahr zu rechtfertigen. Die meisten Gesetzesentwürfe fänden ihren Weg in den Bundestag nur deshalb, weil der Großteil der Bevölkerung zu wenig über die Gefahren der staatlichen Sammelwut informiert sei und auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungsträger nehmen könne.