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Scoopcamp

"Schöne Daten" sollen Journalisten inspirieren

30.09.2010
Viele Journalisten finden Statistiken trocken - dabei können Zahlen spannenden Stoff für Geschichten und interaktive Grafiken liefern.

Auf einer Konferenz diskutierten Medienmacher und Technikexperten über die Afghanistan-Akten und die "Schönheit von Daten".

Viele Journalisten finden Zahlen und Statistiken trocken und langweilig. Aron Pilhofer sieht das anders. Wenn er von Daten redet, geht es um "spannende Geschichten" und "wunderbare Zusammenhänge". Der Medienmacher arbeitet für die "New York Times". Mit einem Team von zehn Mitarbeitern - größtenteils Programmierern - bereitet er Zahlen zu Wahlen, Kriminalität oder den Olympischen Winterspielen für die Website der Zeitung interaktiv auf. Ohne Daten keine Grafiken, keine Geschichten.

Pilhofer und sein Team sind damit Vorreiter. Die systematische Auswertung von Statistiken ist ein relativ junger Trend, der noch nicht viele Redaktionen erreicht hat. Auf der Konferenz "Scoopcamp" tauschten sich am Mittwoch in Hamburg Journalisten und Technikexperten über neue journalistische Formen und die "Schönheit von Daten" aus.

Daten haben für Medien schon immer eine große Rolle gespielt: Ohne Börsenkurse und die Bundesliga-Tabelle keine Zeitung, ohne Stauschau und Wetterbericht keine Morgensendung im Radio. Neu ist, dass immer mehr Statistiken übers Internet verfügbar sind, etwa von Regierungen, großen Organisationen wie der Weltbank oder über das Enthüllungs-Portal Wikileaks; neu ist auch, dass der Computer und clevere Software es immer leichter machen, Datenberge zu durchwühlen und die Ergebnisse anschaulich darzustellen.

Vorreiter beim Datenjournalismus sind international bekannte Medien wie die "New York Times" und der "Guardian". Was sich mit Daten machen lässt, zeigten die Briten etwa anhand der rund 70.000 Dokumente zum Afghanistan-Krieg, die Wikileaks veröffentlicht hatte.

Der "Guardian" zeigte auf seiner Website eine interaktive Landkarte, die die Anschläge auf die ISAF-Truppen eindrucksvoll visualisiert: Je länger der Einsatz dauert, desto häufiger geraten die Soldaten unter Beschuss. Wer sich am Zeitstrahl entlanghangelt, sieht das auf einen Blick. "Es geht nicht nur um Enthüllungen, sondern darum, Gesamtszenarien durchschaubar zu machen", betonte der Journalist Lorenz Matzat vom Portal datenjournalist.de.

Dass angelsächsische Medien den Weg durch den Datendschungel anführen, ist kein Zufall. In den USA sind Daten bis auf wenige Ausnahmen öffentlich, und auch Datenschutz ist längst nicht ein so großes Thema wie hierzulande. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten werden aufgrund des weitreichenden Informationsfreiheitsgesetzes auch Kalender von Gouverneuren oder die Wohnorte von Sexualstraftätern publik.

Für zusätzlichen Schub sorgt die sogenannte Open-Data-Politik in den USA und Großbritannien. Beide Länder stellen seit kurzem Statistiken ihrer Behörden ins Netz - für jedermann zugänglich und maschinenlesbar. Programmierer, die mit dem Material umgehen können, speisen damit Informationsportale wie die Website "Where does my money go?". Dort ist nachzulesen, wie der britische Staat mit den Steuern umgeht. Und Journalisten wie Aron Pilhofer durchforsten den Statistik-Wald nach Geschichten.

"In Deutschland passiert so gut wie gar nichts in dem Bereich", sagt Lorenz Matzat. Das hat auch mit der Verschwiegenheit der Behörden zu. So verweigerte das Bundesverkehrsministerium der Deutschen Presse-Agentur Informationen zum Zustand der Brücken und Tunnel an deutschen Autobahnen. Begründung: Sicherheitsinteressen. Nun klagt die Agentur auf Herausgabe der Daten. Und der Bundestag veröffentlicht Parteispenden im als PDF, das sich - weil unstrukturiert - nur schwierig per Software auswerten lässt.

Gerade für Lokalmedien seien öffentliche Daten eine Fundgrube, betonte die Medienjournalistin Ulrike Langer. Das Portal "Frankfurt Gestalten" bricht beispielsweise bis auf den Stadtteil herunter, welche lokalpolitischen Entscheidungen in der Main-Metropole anstehen, und bittet die Leser um ihre Meinung - davon können auch Journalisten profitieren. Es muss ja nicht gleich immer um Leben und Tod gehen. (dpa/tc)