Tipps zur Integration drahtloser Anwendungen

Schluss mit der mobilen Abzocke

21.05.2004
MÜNCHEN (hi) - Dank der Mobilfunkstandards GPRS und UMTS sowie der WLAN-Hotspots ist die Datenübertragung an fast jeden Ort kein Problem mehr - wenn nur die hohen Verbindungspreise nicht wären. Doch wer bei der Integration seiner mobilen Anwendungen einige Kniffe beachtet, kann Geld sparen.

Glaubt man den entsprechenden Herstellern und Dienstleistern, so gibt es fast keine Anwendung mehr, die sich nicht auch unterwegs nutzen lässt. Aktienkurse werden auf das Handy übertragen, E-Mails per PDA beantwortet, Servicetechniker ordern direkt vom Kunden aus die Ersatzteile. Baupläne werden unterwegs auf dem Tablet PC angezeigt, und zwischen zwei Flügen zeigt das Handy die Torszenen des letzten Fußball-Spieltages.

Doch Unternehmen, die bei der Einbindung ihrer mobilen Mitarbeiter via Handy-Netz oder WLAN-Hotspot in den internen Workflow nicht genau aufpassen, kommt die gewonnene Flexibilität teuer zu stehen. Die Mobilfunk-Provider langen ihren Kunden bei der Datenübertragung per Funknetz gnadenlos in die Tasche und wiegen die übertragenen Datenpakete fast in Gold auf. Dies gilt auch für die Abrechnung der Hotspot-Nutzung im 15-Minuten-Takt, die der Manager eines Service-Providers als "Abzockerei" bezeichnet, denn die Billing-Systeme können minutengenau tarifieren". Es gibt also keinen technischen Grund, dass jede angebrochene Viertelstunde bis zum Ende bezahlt werden muss.

Kostenfallen

Besonders schwer sind die Kosten zu kontrollieren, wenn die mobilen Endgeräte, wie von Forrester Research in vielen Unternehmen beobachtet, unkontrolliert von den Mitarbeitern für das Personal-Information-Management (PIM) genutzt werden. Wer dabei etwa ohne spezielle Datenverträge ein Übertragungsvolumen von einem MB beim Browsen oder Mailen verursacht, setzt später den stolzen Preis von fast zehn Euro auf seine Reisekostenabrechnung. Die meisten Provider offerieren zwar auch die Übertragung einer bestimmten Datenmenge zum Fixpreis. Doch auch dann sinkt der Preis pro MB bestenfalls auf etwa 22 Cent. Die meisten Provider offerieren nämlich als Option Datenpakete mit einem festen Volumen zum Fixpreis.

Die pauschalen Zusatzoptionen haben außerdem den Nachteil, so Karel Dörner, einer der Gründer des von Ebay übernommenen Online-Auktionshauses Alando und heutiger CEO der auf mobile Anwendungen spezialisierten Aventeon Inc. in München, dass nicht ausgeschöpfte Kontingente verfallen und die Kosten weiterlaufen, wenn etwa ein Mitarbeiter im Urlaub ist: "Letztlich werden die Preismodelle den Anforderungen der Unternehmen nicht gerecht."

Günstig Mailen mit WAP

Deutsche Anwender können auf absehbare Zeit von günstigen Tarifen wie etwa in Finnland wohl nur träumen. Dort zahlt Petteri Alahuhta, Senior Research Scientist am Technical Research Centre of Finnland, für 100 MB Übertragungsvolumen eine Monatsgebühr von 16 Euro. Angesichts der Kostensituation hierzulande muss bei der Implementierung von mobilen Applikationen die Begrenzung der zu übertragenden Daten Priorität haben. Neben technischen Feinheiten spielt dabei vor allem die Wahl der geeigneten IT-Architektur eine kostenbremsende Rolle.

So rechnen sich in den Augen der Experten terminalgestützte Ansätze wie etwa die populäre Citrix-Plattform im mobilen Umfeld unter Kostenaspekten nicht. Zwar seien sie in der Anschaffung preiswert, verursachten aber später im operativen Betrieb hohe Kosten, weil nicht nur Nutzdaten sondern auch Daten für die Terminalemulation übertragen werden müssen. Für Aventeon-Manager Dörner ist dieser Ansatz in der mobilen Welt auch deshalb kritisch, "weil der Browser-Access zu lange dauert und Terminal-Sessions aufgrund der Latenzzeit der Mobilfunknetze häufig abbrechen".

Als Beispiel für eine vergleichsweise preiswerte Implementierung steht der Spirituosenanbieter V&S Absolut Vodka: Dort wählte man ein Kontakt-Management-System des schwedischen Anbieters Mobeon für die mobilen Mitarbeiter. Der Clou dieses Systems liegt darin, dass E-Mails und andere PIM-Informationen als kostengünstige, schlanke WAP-Seiten auf die mobilen Endgeräte übertragen werden. Im Vergleich zu normalen IP-Paketen kosten die WAP-Datenpakete bei vielen Mobilfunk-Providern nur die Hälfte. Damit kommt das Wireless Application Protocol - für das Fachkreise in seiner Einführungszeit wegen fehlender Endgeräte und mangelnder Funktionalität nur Hohn und Spott übrig hatten - zu später Ehre. Zudem ist die Endgeräteauswahl kein Problem, da fast jedes moderne Handy einen integrierten WAP-2.0-Browser besitzt und für PDAs und Notebooks entsprechende Emulatoren existieren. Letztlich benötigt ein Unternehmen lediglich ein Gateway, das die PIM-Informationen ins WAP-Format konvertiert und damit die Datenmenge reduziert. Auf diese Weise, so kalkuliert Robert Vangstad, Vice President bei Mobeon, kann der Benutzer pro Tag rund 20 E-Mails bearbeiten und kommt dennoch nur auf ein Datenvolumen von 2 MB pro Monat. Ein anderer prominenter Vertreter des WAP-Ansatzes ist Microsoft mit Exchange.

So bestechend diese Idee ist, sie hat einen Nachteil: Komplexere Workflows beziehungsweise Applikationen lassen sich damit nicht abbilden. Die Lösung scheidet laut Dörner für viele Unternehmen ferner aus, da sie das Personal-Information-Management nur als einen Zusatzaspekt neben den eigentlichen Applikationen etwa im Bereich der Logistik betrachten.

Geht es um die Realisierung komplexerer Szenarien, so ist derzeit in der mobilen Welt die Client-Server-Architektur erste Wahl. "Diese ist für mobile Anwendungen aufgrund des geringen Datenaufkommens eher geeignet", erklärt Drazen Nikolic, Technologiespezialist und Partner von Accenture, "Portallösungen sind dagegen weniger ratsam". Dabei empfiehlt Nikolic wie auch andere Berater, einen hybriden Ansatz. Große Datenmengen werden nur im stationären Einsatz etwa über eine USB-Verbindung oder über Speichermedien wie SD-Karten ausgetauscht. Diesen Bestand aktualisiert die mobile Anwendung dann nur mit neueren Informationen über die Mobilfunknetze oder per WLAN.

Client-Server mit Middleware

Michael Kinder, Mobile-Technology-Spezialist bei der CSC Ploenzke AG, erklärt die Voraussetzungen für den Client-Server-Ansatz: "Erforderlich ist eine Architektur, bei der die Client-Komponente auf dem Endgerät über eine "Mobile Middleware" auf Daten und Geschäftslogik in den Backend-Systemen zugreift". Die "Mobile Middleware" habe dabei die Aufgabe, spezifische Mobilfunktionen zur Verfügung zu stellen, die so nicht im Backend integriert sind. Hierzu zählen beispielsweise die Authentifizierung von Endgeräten, Mechanismen zur Datensynchronisation oder die Datenkompression.

Ein weiterer Vorteil dieser Architektur ist, dass der Anwender mit dem Endgerät auch mobil arbeiten kann, wenn keine Datenverbindung besteht. "Dies nutzt etwa der niederländische Energieversorger Eneco, der seine Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten ausgerüstet hat", berichtet Dörner. Die Beschäftigten haben, wenn sie im Keller Zähler ablesen oder austauschen, in den seltensten Fällen Funkkontakt und können deshalb ihre Daten nicht direkt vor Ort, sondern erst kurze Zeit später mit der zentralen IT synchronisieren. Letztlich eignet sich der Client-Server-Ansatz für alle mobile Szenarien, in denen Daten selektiv übertragen werden und es nicht auf eine sekundengenaue Synchronisation ankommt. Schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem geeigneten Datenformat: Einerseits soll es den Ansprüchen der internen Unternehmens-IT gerecht werden, andererseits den technischen Bedingungen der mobilen Endgeräte und der damit verbundenen Übertragungswege entsprechen. Hier offenbart sich speziell im Zusammenhang mit dem heute propagierten Datenformat XML ein Dilemma. "Es verursacht ein hohes Datenaufkommen, wobei nur wenig Nutzdaten transportiert werden", kritisiert Mobeon-Manager Vangstad mit Blick auf die Kosten. Eine Meinung, die Consultant Kinder von CSC Ploenzke teilt. Für ihn ist XML zwar ein bewährtes Datenformat für Integrationsaufgaben - auch bei der Integration von Daten aus Backend-Systemen innerhalb einer Mobile Middleware. "Umstritten ist aber die Verwendung zur Datenübertragung zwischen mobilen Endgeräten und der Middleware", so Kinder, "denn der Overhead von XML ist hier sehr kritisch zu bewerten." Unter Kostenaspekten seien proprietäre Ansätze aufgrund ihres kompakteren Formats im Vorteil. Diese verwendet auch CSC Ploenzke in seinem "Smart Mobile Worker".

Bedenken bezüglich des Overheads von XML bei der mobilen Datenübertragung hat auch Accenture-Partner Nikolic. Dennoch ist er davon überzeugt, dass sich XML langfristig auch in der mobilen Welt durchsetzen wird, da auf der anderen Seite die Vorteile eines offenen Standards überwiegen. Tendenzen zu Flatrates, wie sie bereits von manchen Providern in den USA für die mobile Datenübertragung angeboten werden, dürften zudem die Nachteile von XML langfristig egalisieren. Anwendern, die schon heute XML benötigen, rät Nikolic, auf Kompressionsverfahren zu setzen. Sie reduzieren das übertragene Datenvolumen deutlich und senken die anfallenden Kosten.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Datenkompression auch im Mobilfunk interessant, da sich der reduzierte Bandbreitenbedarf komprimierter Datenströme in vielen Fällen bereits mit GPRS bewältigen lässt und so UMTS nicht benötigt wird. Den Trend zur Datenkompression sieht auch Anton Bloom, Manager bei der Nürnberger Bintec, die zum Konzern der für ihre Mobilfunklösungen bekannten Funkwerk AG gehört. Im günstigsten Fall, so rechnet Bloom vor, lässt sich das Datenvolumen um den Faktor fünf reduzieren, "wobei in der Praxis allerdings der Faktor zwei realistischer ist". Werden Kompression und Client-Server-Architektur intelligent kombiniert, kommt dann pro Mitarbeiter und Monat etwa ein Datenvolumen von drei bis vier MB zusammen. "Und damit halten sich die monatlichen Kosten mit sieben bis acht Euro in Grenzen", berichtet Dörner aus der Projektpraxis.

Datenkompression ist nicht trivial

Nach Beobachtungen von Florian Schiebl, Deutschland-Manager beim Access-Provider Ipass, der seinen Kunden weltweit Zugangsdienste auch über Mobilfunk und WLAN offeriert, ist der Einsatz entsprechender Kompressionsverfahren mittlerweile wieder so attraktiv, "dass es schwer ist, dafür kompetente Experten auf dem Arbeitsmarkt zu finden". Und diese Spezialisten werden benötigt, denn die Datenkompression ist nicht trivial, wenn gleichzeitig die Sicherheit durch ein VPN gewährleistet werden soll. Aufgrund der Latenzzeit in den Mobilfunknetzen eröffnet diese Kombination etliche neue Problemfelder. "So funktionieren klassische Sicherheitsverfahren wie etwa Tokens nicht", warnt Ipass-Mann Schiebl. "Bis ein Token beim Authentifizierungs-Server ankommt, ist seine Gültigkeitsdauer abgelaufen." Als kritisch gelten auch Implementierungen, die beim Browser-basierenden Zugriff HTTPS verwenden, da es hier oft zu Verbindungsabbrüchen kommt.

Probleme mit IPsec

Selbst gängige Kompressionsverfahren wie etwa Stac, MPPC oder VJHC bereiten laut Bloom Schwierigkeiten, "denn sie funktionieren nicht im Zusammenspiel mit IPsec, das in vielen VPNs benutzt wird". Bloom rät deshalb zur Verwendung von IPCom (IP Payload Compression), was allerdings einen IPsec-kompatiblen Client erfordert.

Diese Voraussetzung bereitet in der Notebook-Welt noch am wenigsten Probleme. Anders sieht es dagegen mit der Verfügbarkeit für Endgeräte wie Pocket PC, Palm-PDA oder Smartphone aus. Mit Blick auf die Unterstützung der Geschäftsprozesse sind für Ploenzke-Mann Kinder für mobile Anwendungen meist Windows-basierende Geräte auf der Basis von Pocket PC 2002 oder Windows Mobile 2003 die bessere Wahl. Den Trend zum Pocket-PC-Endgerät sieht auch Accenture-Partner Nikolic, "zumal Geräte wie der MDA II oder XDA mit integriertem Telefon den Anforderungen an ein mobiles Endgerät im professionellen Umfeld entgegenkommen".

Smartphones mit Java-Applets halten die Experten im professionellen Umfeld weniger für ein geeignetes Endgerät, wenn mehr Applikationen als das Personal-Information-Management gewünscht sind. Auch Dörner vermutet in Endgeräten auf Microsoft-Basis mit dem .NET-Framework oder Palm-basierenden Devices mit Codewarrior in nächster Zeit die wichtigsten mobilen Devices. Dabei dürfte - entgegen dem Wunsch so manchen Microsoft-kritisch eingestellten Entscheiders - Windows wieder das Rennen machen, denn die meisten spezialisierten Endgeräte zur mobilen Datenerfassung (MDE) basieren auf der mobilen Variante des Windows-Betriebssystems.

Handykosten senken

Die von Forrester Research beobachtete Tendenz, dass viele Mitarbeiter ihre privaten Endgeräte unkontrolliert zur beruflichen Kommunikation nutzen, führt nicht nur bei der Datenkommunikation zu unnötig hohen Kosten. Das Gleiche gilt auch für Handy-Telefonate zum normalen Standardtarif.

Hier verbirgt sich eine Menge Sparpotenzial, wenn sich Unternehmen dazu durchringen können, das Mobiltelefon nicht mehr als Statussymbol für die Führungsebenen zu betrachten, sondern als modernes Arbeitsmittel. Dann kann nämlich in der Regel mit den Mobilfunkanbietern ein Corporate-Vertrag mit deutlich günstigeren Konditionen für die Mitarbeiter abgeschlossen werden. Diese Verträge eröffnen zudem die interessante Option, die eigene TK-Anlage zum kostengünstigen Minutentarif von 0,06 Euro anwählen zu können. Routet die TK-Anlage dann die Gespräche über den Carrier des Unternehmens weiter, so kostet tagsüber eine Telefonminute nur noch einen Bruchteil der sonst üblichen 0,49 Euro, den die Mobilfunk-Provider für ein Gespräch ins Festnetz berechnen.

Ferner ist die Datenkommunikation im Rahmen eines Corporate-Vertrages ebenfalls günstiger. Hier liegen die Volumenpreise für ein MB zwischen 0,15 und 0,19 Euro.

Wie Anwender sparen können

- Mobilfunkgebühren kontrollieren;

- Mit WAP die Kosten beim Mailen senken;

- Datenvolumen durch Client-Server reduzieren;

- XML in der mobilen Welt richtig nutzen;

- Daten komprimieren;

- Kompressions- und Sicherheitsverfahren kombinieren;

- Palms und Pocket PCs statt Smartphones nutzen.

Ohne Hightech

Gerne wird UMTS mit seiner im Vergleich zu den heutigen Mobilfunkverfahren hohen Übertragungsbandbreite als die ideale Basis für mobile Anwendungen gefeiert. Allerdings ist nicht immer die neueste und teuerste Hightech erforderlich, um mobile Anwendungsszenarien zur realisieren. Häufig genügen, wie die Beispiele WAP und Kompressionsverfahren zeigen, bereits bekannte Technologien, um neue Lösungen zu kreieren.

Lösung mit SMS

Besonders erfinderisch sind dabei die Unternehmen im finnischen Oulu, das sich selbst als "Wireless City" bezeichnet. Mit altbekannten Technologien wie etwa SMS haben sie neue Anwendungen entwickelt, mit denen bereits Geld verdient wird. Zum Beispiel verkauft die Stadt Angelscheine per SMS, so dass die Freizeitangler nicht mehr auf die am Wochenende geschlossene Behörde angewiesen sind. Die entsprechende Erlaubnis erhält der Angler per SMS als Zahlencode auf sein Handy. Und dies funktioniert selbst mit den ältesten Geräten. Lediglich der Wildhüter benötigt ein aktuelles Smartphone, auf dem als Java-Applet eine Applikation läuft, die aus dem Zahlencode die Gültigkeitsdauer der Angellizenz errechnet. Auf diese Weise konnte Oulu die Zahl der verkauften Angelscheine innerhalb einer Saison um 50 Prozent steigern.

Bluetooth

Ein anderes Beispiel, wie aus der Kombination bekannter Technologien neue Applikationen entstehen, ist die örtliche Behindertenschule. Dort öffnen die Schüler elektrische Fenster oder schalten die Beleuchtung per Handy aus und ein. Technisch verbergen sich dahinter wiederum Java-Applets auf dem Handy. Die Steuersignale werden dann per Bluetooth an die Geräte übermittelt. Angesichts dieses simplen Ansatzes stellt sich die Frage, warum noch niemand auf die Idee kam, Bluetooth-Handys als Garagentoröffner zu nutzen.

Auf die Verknüpfung von bewährtem Equipment setzten die Eishockey-begeisterten Finnen auch, um die Videoübertragung der Spiele auf Handy und PDA zu verwirklichen. Per Firewire greifen sie das Videosignal von den Fernsehkameras ab und führen es zu einem handelsüblichen PC. Dort werden die Bildsignale per Software auf Handy-bekömmliche Datenraten reduziert und per Streaming-Server bereitgestellt. Ohne hohe Kosten haben die Finnen pragmatisch eine Multimedia-Applikation gebaut, von der anderswo viele noch träumen.