Schlund + Partner: Keine Zeit fürs Diplom

23.10.2000
Von in Ingrid
Die vier Studenten standen vor einer schwierigen Frage: Sollten sie ihre ganze Energie und Zeit in die neue Firma investieren oder noch einige Jahre bis zum Diplom weiter studieren? Sie gründeten im Oktober 1995 den Internet- Provider Schlund + Partner und haben den Schritt nicht bereut.

Den technischen Entwicklungen rund um das Internet gehörte das Hauptinteresse der Firmengründer Andreas Ganger, Rainer Schlund, Alexander Rösner und Achim Weiss. Für das Studium blieb den Karlsruhern wenig Zeit. Irgendwann mussten sie sich für einen Weg entscheiden. "Anfangs wollte ich zwar noch die Vordiplomprüfungen ablegen, aber ich hatte einfach keine Zeit", erinnert sich Achim Weiss, Ex-Informatikstudent, heute Vorstand Technik bei Schlund + Partner.

Achim Weiss, Vorstand Technik bei S+P
Achim Weiss, Vorstand Technik bei S+P

Die einstigen Studenten tüftelten lieber nächtelang an ihrer eigenen Internet-Suchmaschine als sich mit hoher Mathematik zu plagen. Im Frühjahr 1996 startete ihr Internet-Detektiv (www.crawler.de) als eine der ersten deutschen Suchmaschinen im Netz.

Betriebswirtschaftliche Detailfragen und Marketing-Theorie langweilten sie, zumal das Web mit all seinen Möglichkeiten eine größere Herausforderung für sie darstellte. Doch mit wachsender Firmengröße wurden diese Geschäftsfelder immer wichtiger. Einen Partner mit genügend Marketing-Know-how, dafür ohne technische Entwicklungsabteilung, fanden sie in Montabaur beim Anbieter von Online-Marketing-Dienstleistungen, Call-Center-Betreiber und Internet-Provider 1&1. "Für uns ist das eine ideale Verbindung: Wir in Karlsruhe entwickeln die Technologie, in Montabaur läuft das ganze Marketing." Die 1&1 AG beteiligte sich im November 1998 mit 66 Prozent an Schlund + Partner. Die Karlsruher sind inzwischen in die neue United Internet AG integriert. Expansion in Europa Der Internet-Provider möchte in Zukunft neben dem klassischen Angebot wie Domain-Reservierung, Vermietung von Webspace im eigenen Rechenzentrum, Server-Homing und dem Verkauf von Internet-Zugängen neue Web-Applikationen und E-Commerce-Lösungen anbieten. Dazu gehören beispielsweise Steuererklärungen über das Netz und Terminkalenderverwaltung.

In Karlsruhe kümmern sich derzeit rund 240 Mitarbeiter um den technischen Support, den Vertrieb, die Kunden-Hotline und die technische Entwicklung. Das Unternehmen hat in diesem Jahr weiter expandiert und in England und Frankreich Tochterfirmen der 1&1 AG gegründet. Auch in den USA sieht Weiss durchaus eine realistische Chance, im Privatkundenmarkt einzusteigen. Allerdings plagen Schlund + Partner die gleichen Probleme wie viele andere Unternehmen: talentierte Arbeitskräfte sind rar. In diesem Jahr möchte man in Karlsruhe noch die 300-Mitarbeiter-Marke überschreiten. "Ideen sind nicht das Problem", erzählt Achim Weiss, "wir haben noch jede Menge fertige Konzepte in der Schublade." Was dem 28-Jährigen allerdings fehlt, sind neue Mitarbeiter, um die Ideen umzusetzen.

Wie sehen die neuen Mitarbeiter aus, die das junge Unternehmen sucht? "Ein abgeschlossenes Studium ist nicht entscheidend", sagt Weiss, denn keiner der vier Firmengründer fand die Zeit, das eigene Studium zu beenden. "Aber einige Semester Informatik helfen durchaus weiter. Zwar habe ich im Studium über die Algorithmentechnik geschimpft, mittlerweile bin ich aber froh, dass ich das mal richtig gelernt habe." Thomas Stieler runzelt die Stirn und hakt ein: "Also ich finde, Informatik muss nicht unbedingt sein", erklärt der Physiker mit Diplom. Er kam nach seinem Studium an der Universität Göttingen nach Karlsruhe. Die beiden können sich darauf einigen, dass logisch denkende und clevere Leute gut bei ihnen aufgehoben sind. Trotzdem gehören fundierte technische Kenntnisse dazu. Was vor allem zählt, ist die Berufserfahrung."An der Uni lernt man nicht, wie und was ein Systemadministrator beachten muss. Da hilft nur, es selbst zu machen", so Weiss einschränkend zum Studium. Programmierkenntnisse sind Mindeststandard.

Enno Jung, studierte Kartografie und Wirtschaft
Enno Jung, studierte Kartografie und Wirtschaft

Enno Jung studierte Kartografie und Wirtschaft, programmierte schon während seines Studiums und gehört ebenfalls zum Entwicklerteam. "Ich wurde hier gut gefördert und habe mir viel in Eigeninitiative beigebracht", so der motivierte Quereinsteiger. Das Durchschnittsalter des Teams liegt bei Ende 20, der Umgangston ist locker. "Bei uns fliegen schon mal die Fetzen", räumt der Chef ein. Neben der fachlichen Seite muss vor allem die Chemie auf der persönlichen Ebene stimmen. "Eigenbrötler können wir nicht gebrauchen, denn bei uns läuft das meiste in Teamarbeit", sagt Tom Keller. Der 26-Jährige wechselte vom Vertrieb in die Entwicklungsabteilung. Bei entsprechender Qualifikation und mit viel Elan gibt es bei Schlund + Partner viele Möglichkeiten, den idealen Arbeitsplatz zu finden. Auf Hierarchien legen die Chefs schon aus Zeitgründen nicht allzu großen Wert. "Wenn jemand zum dritten Mal mit der gleichen Frage kommt, kann das schon mal nerven, aber das kommt selten vor", so Keller."Wir stehen meist unter Zeitdruck. Da hilft nur effektives Arbeiten."

Das Unternehmen setzt trotz aller großen Pläne auf ein gesundes Wachstum. Allerdings wünscht sich das überwiegend männliche Entwicklerteam, dass sich verstärkt Frauen für den Job begeistern, denn sie versprechen sich davon einen besseren Umgangston untereinander. "Wir würden dann vermutlich nicht mehr so fluchen und uns mehr zusammenreißen", erzählen die vier mit ihrem charmantesten Lächeln. Da in Karlsruhe das kreative Gründerfieber umgeht, sind talentierte Mitarbeiter Mangelware. Zusätzlich konkurrieren die verschiedenen Firmen um die Bewerber und Studenten. Ein Grund mehr, verstärkt in die Ausbildung einzusteigen. Neben drei Informatikkaufleuten betreuen Schlund + Partner zwei Diplomanden und weitere Praktikanten von der Universität und Fachhochschule. "Die Zusammenarbeit mit der Hochschule bei Forschungsprojekten haben wir bisher ein wenig vernachlässigt", räumt Weiss ein. Aber auch hier möchten sie sich stärker engagieren. Probleme dürfte es nur beim wissenschaftlichen Anspruch geben, denn bei den Jungunternehmern muss es immer schnell gehen. Flexible Arbeitszeiten sind Standard. "Ein Kollege von uns kommt grundsätzlich nie vor 14 Uhr, ein anderer dafür immer schon um sechs Uhr morgens." Soll ein Projekt unbedingt noch fertig werden, gibt es auch schon mal eine kurze Nacht. Für viele ist es deshalb ganz praktisch, dass einige gute Freunde auch in der Firma arbeiten. Das erleichtert das soziale Leben enorm.