Soziale Netze, Google, Facebook, Twitter

Schlechte Zeiten für Geheimnisse

05.12.2010
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Was uns noch alles droht

CW: Eine andere Form der De-Anonymisierung ist die Möglichkeit, persönliche Daten von Personen - hier gezielt Adress­daten - mit Informationen aus Location-based-Services-Anwendungen zu verbinden. Für London gibt es etwa die Applikation "Anti-Social Behaviour Order". Diese greift auf öffentliche Daten von Behörden zu, die Strafbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten ausstellen. So lässt sich dann ein Profil des sozialen Umfelds einer Person entwickeln.

Website Brennende Autos: Atlas der Berliner Problemgebiete.
Website Brennende Autos: Atlas der Berliner Problemgebiete.

KÖHLER: Hier werden verschiedene Datenquellen in so genannten Mashups kombiniert, um neue Informationen zu gewinnen. Das konnte man zwar in der Vergangenheit auch schon. Aber es war sehr aufwendig. Heute geht das automatisiert. Wenn man die Informationen der Londoner Behörden kombiniert mit Geo-Daten, kann man sich anzeigen lassen, in welchen Stadtteilen verstärkt gegen Gesetze verstoßen wird. Die Website http://www.brennende-autos.de/www.brennende-autos.de ist so etwas Ähnliches: Im Prinzip ist das ein Atlas der Berliner Problemgebiete.

CW: Das Problem der Anonymisierung beziehungsweise De-Anonymisierung hat Techcrunch-Gründer Michael Arrington einmal verdeutlicht, indem er auf Facebook einen Account unter dem Namen einer anderen Person angelegt hat. Von diesem Menschen besaß er ein paar Daten wie etwa eine E-Mail-Adresse. In diesem Fall ging es um den Google-Top-Manager Eric Schmidt.

KÖHLER: Sie sprechen das Thema Identitätsdiebstahl an, ein sehr großes Problem gerade auch in sozialen Netzen. Hier kreiert jemand einen Account unter dem Namen einer anderen Person. Man kann aber auch - wenn man das Passwort von jemand anderem kennt - dessen Account missbrauchen. Das spielt beispielsweise bei Ebay eine große Rolle. Anbieter, die dort mit einer sehr positiven Kundenbewertung glänzen, sind natürlich temporär interessant für halbseidene oder klar betrügerische Anbieter. Letztere versuchen unter der Flagge etablierter Anbieter Geschäfte zu machen. In sozialen Netzen ginge das im Prinzip auch.

Auch auf Twitter ist man vor solchen Manipulationen nicht gefeit. Nehmen Sie das Beispiel von British Petroleum. Dort hat sich jemand als BP-Pressestelle ausgegeben und gefälschte Pressemitteilungen publiziert. In dem Fall waren die allerdings für jeden erkennbar so satirisch abgefasst, dass man die Absicht durchschauen musste.

CW: Eine ganz neue Möglichkeit, den Internet-Benutzer als Datenquelle zu benutzen, macht sich offensichtlich Amazon zueigen: User des E-Book-Readers Kindle können Anmerkungen zu Texten auf ihrem digitalen Lesegerät machen.Was wahrscheinlich die wenigsten wissen ist, dass Amazon diese Anmerkungen festhält, speichert und veröffentlicht.

KÖHLER: Wenn ich - zumindest auf der US-amerikanischen Version des E-Book-Readers Kindle - Anmerkungen mache, gehen diese an den Anbieter und werden von diesem ausgewertet. Als Benutzer solch eines Geräts erwarte ich so etwas natürlich nicht. Amazon kann übrigens noch viel mehr und hat das auch schon praktiziert: Das Unternehmen kann mir ein auf dem Kindle gespeichertes Buch wieder auf dem Lesegerät löschen, ohne dass es mich davon vorher informiert oder mich fragt.

CW: Das ist ironischerweise mit George Orwells Bestseller "1984" passiert. Das Geld bekam der Käufer immerhin zurück.

KÖHLER: Schon wahr. Die Argumentation von Amazon ist, dass der Leser den Roman von Orwell ja nur lizenziert und nicht gekauft hat. Das muss man sich einmal vorstellen: Ich kaufe im Geschäft ein Buch. Irgendwann dringt jemand aus dem Buchladen in meine Wohnung ein, nimmt es wieder mit und legt mir den Kaufpreis - quasi als Entschädigung - auf den Tisch. (jm)