Soziale Netze, Google, Facebook, Twitter

Schlechte Zeiten für Geheimnisse

05.12.2010
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Ist Facebook böse?

CW: Wir reden hier über Nutzer, die Mitglieder bei Facebook sind. Aber auch wenn man diesem sozialen Netz gar nicht angehört, scheinen persönliche Daten bei Facebook zu landen.

KÖHLER: Das ist in der Tat so. Sobald einer Ihrer Kontakte seine eigenen Adressbücher hochlädt und für Facebook freigibt, besitzt Facebook diese Informationen und damit auch die Informationen über Sie als Nicht-nutzer. Facebook kann dann Ihre Daten mit seinem gesamten Datenbestand abgleichen und so ein weitgehend komplettes Netz Ihrer privaten Kontakte rekonstruieren. Zu Ende gedacht, bedeutet dies, dass selbst dann, wenn Sie nicht einmal Internet-Nutzer wären, Facebook in den Besitz Ihrer Daten kommen könnte.

CW: Zur Ehrenrettung von Facebook muss man aber sagen, dass es dem Nutzer anheimgestellt wird, ob er seine Adressverzeichnisse von Facebook auslesen lassen will.

KÖHLER: In der Tat ist es freiwillig, das zuzulassen. Aber dem Nutzer wird suggeriert, dass er nur Vorteile davon hat, wenn er das Adressbuch lädt. Natürlich ist es gerade für Facebook-Neulinge vielleicht bequemer, wenn der Social-Network-Betreiber durch einen Abgleich der Kontaktdaten im persönlichen Adressverzeichnis des Benutzers in der Lage ist, diesem zu sagen, wer von dessen Bekannten bereits Mitglied bei Facebook ist. So werden aber eben auch Daten von Leuten offengelegt, die bislang nicht registriert sind und das vielleicht auch gar nicht sein wollen. Ich halte dieses Auslesen von Adressverzeichnissen für grenzwertig.

CW: Glauben Sie, dass Facebook diese Funktion bewusst anbietet, um möglichst viele persönliche Daten abzuschöpfen?

KÖHLER: Über die Absichten von Facebook kann man natürlich nur spekulieren. Aber es drängt sich durchaus der Eindruck auf, dass hier gezielt Daten abgesaugt werden sollen.

CW: Nun kann ja jeder selbst entscheiden, ob er einem sozialen Netzwerk beitritt. Genauso kann man sich auch wieder aus solch einer Community verabschieden, seinen Account löschen, und alles ist gut. Wahr oder nicht wahr?

KÖHLER (lächelt): Tatsächlich können Sie bei keinem der sozialen Netzwerke Ihren Account ohne erheblichen Aufwand löschen. Dort sind ja nicht nur Ihre eigenen Daten gespeichert, sondern auch die Beziehungsdaten von und zu anderen Nutzern. Im besten Fall können Sie Ihre eigenen Daten aus dem System entfernen, aber keine anderen. Das ist übrigens nicht nur ein Charakteristikum des Social Web. Das Problem haben Sie auch mit anderen Internet-Diensten. Dort wird es Ihnen oft ebenfalls schwer gemacht, sich abzumelden, zu kündigen etc. Manchmal ist das nahezu unmöglich.

CW: Hätten Sie ein Beispiel?

KÖHLER: Nehmen Sie die Fluglinie Germanwings: Flüge buchen und online einchecken können Sie auf deren Seite einfach und schnell. Versuchen Sie aber mal als Fluggast, Ihre Rechte einzufordern, wenn Sie einen Flug beispielsweise nicht antreten können. Dann bekommen Sie ein 18-seitiges Formular mit farbigem Hintergrund, das Sie ausdrucken und in das Sie die gleichen Daten mehrmals hineinschreiben müssen, bevor Sie das Ganze mit der Post verschicken. Der Prozess ließe sich online auf einfache Weise abbilden, stattdessen tut man aber alles, um den Kunden davon abzuhalten, seine Rechte geltend zu machen. (Diese Praxis von Germanwings hat das Landgericht Köln jetzt als unzulässig gewertet, Anm.d.Red.).

Solch ein Verhalten finden Sie bei den Betreibern sozialer Netze auch. Hier sind die Hürden für eine Kündigung des Accounts ebenfalls sehr hoch. Sie müssen zwar keine Briefe schicken oder zum Notar gehen. Aber es ist für den Benutzer umständlich und kompliziert, sich abzumelden.