Qualifikationsmangel bremst neue Fertigungstechniken:

Schlechte Noten für das Personalressort

12.02.1988

MÜNCHEN (CW) - Hochautomatisierte Produktionssysteme verdrängen zunehmend herkömmliche Fertigungsmethoden. High-Tech anzuwenden und zu beherrschen ist indes nur mit einem Fundus von genügend qualifizierten Mitarbeitern möglich: Dessen Aufbau hat das Ressort Personalplanung bisher häufig nur mangelhaft bewältigt, wie eine Untersuchung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung belegt.

Die Entwicklung in der Mikroelektronik hat zu neuen Lösungen in der Fertigungs- und Prozeßtechnik geführt. Gekennzeichnet sind diese Gebiete durch das Vordringen von rechnergestützten Werkzeugmaschinen (CNC), durch rechnergestütztes Konstruieren (CAD), durch Handhabungssysteme /Industrieroboter, durch flexible Fertigungssysteme, durch leitrechnergesteuerte Verbundsysteme (DNC, CAM) sowie durch rechnergeführte und überwachte Prozesse, Anlagen und Geräte.

Rasche Anpassungen an Marktentwicklungen und eine hohe Flexibilität der Produktionsmittel bedingen die breite Einführung rechnergestützter Fertigungseinrichtungen sowohl für Groß- als auch für Klein - und Mittelbetriebe.

Die Verfügbarkeit hochautomatisierter Anlagen ist aber ohne den qualifizierten menschlichen Leistungsbeitrag nicht zu gewährleisten. Erst durch qualifizierte Mitarbeiter entfalten neue Produktionstechniken ihre volle Wirkung und dienen ihrer weiteren Verbreitung.

Bei der Einführung rechnergestützter Fertigungseinrichtungen stellen sich jedoch - wie Untersuchungen und betriebliche Erfahrungen zunehmend belegen - mangelnde Qualifikationen bei den Mitarbeitern als "Engpaßfaktor" heraus.

Die verbreitete Forderung, daß eine effektive Personalplanung und Personalentwicklung die erforderlichen Mitarbeiter jederzeit in der gewünschten Quantität und Qualität zur Verfügung stellen muß, ist zumindest für den Produktionsbereich - wie die betriebliche Wirklichkeit und die empirische Untersuchung des Bayerischen Ministeriums nachhaltig belegen - illusorisch. Die Gründe dafür liegen tiefer als nur in der mangelnden Bereitstellung aktuell benötigter Qualifikationen. Denn Personalentwicklung wird zur Schwachstelle im betrieblichen lnnovationsprozeß, wenn sie zum "Erfüllungsgehilfen" von Produkt- und Verfahrensinnovation degradiert und in einem traditionellen Verständnis betrieben wird.

Eine auf diese Weise praktizierte Personalentwicklung verfügt nur in einem sehr eingeschränkten Maße über längerfristige Planungen und Konzepte für Entwicklungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

Bei zwei Drittel der befragten Betriebe befindet sich eine Personalplanung zur Zeit im Aufbau, bei der Entwicklungsplanung hapert es indes. Wird Personalplanung betrieben, dann in den meisten Fällen als eine von der Investitions-, Fertigungs - und Absatzplanung abhängige Sekundärplanung. Eine Ausnahme bildet die in den Bayerischen Motoren Werken BMW zugrundegelegte "projektbezogene Personalplanung" bei der Einführung neuer Produktionstechniken. Ausgehend von dem im Arbeitskreis der Automobilindustrie entwickelten und empfohlenen "Leitfaden für Projekte der technischen Planung" werden in diesem Betrieb in der Planungsphase die Planungsaufgaben gemeinsam für die technisch-organisatorische Gestaltung und die personelle Gestaltung formuliert. Beteiligt sind die Planungsabteilungen der Gesamtplanung, die Bereiche Produktion Personal- und Bildungswesen, Qualitätssicherung, Transporttechnik und Werktechnik. Die Planungsaufgabe der Personalabteilung liegt dabei in einer Ist-Stand-Ermittlung des vorhandenen Personals. Im einzelnen lassen sich folgende Maßnahmen beschreiben:

- Auswertung der qualitativen und quantitativen Personalplanung,

- Grobanalyse des Bildungsbedarfs und der erforderlichen Kosten,

- Planung eines projektabhängigen Bildungsbudgets,

- Projektbeschreibung,

- Terminrahmen festlegen,

- quantitative Planung (einzubeziehende Mitarbeiter/Führungskräfte),

- Ermittlung der jeweiligen Qualifizierungsziele,

- Ausarbeitung eines Qualifizierungskonzeptes in Abstimmung mit den beteiligten Bereichen einschließlich Termin-/Teilnehmer- und Referentenplanung,

- Mitwirkung bei der Gestaltung von Einführungskonzepten.

Denken und Investieren in Humanressourcen

Ausgangspunkt sind die vorgesehene Fertigungstechnik und die ermittelten Daten einer qualitativen und quantitativen Personalplanung. Dann erfolgt die Planung der Arbeitssysteme (Arbeitsstrukturierung), die in einer Bewertung und Analyse des optimalen Systems mündet. In der nun folgenden Phase der Planung des Arbeitsplatzes (Arbeitsplatzgestaltung) wird im Bereich der personellen Gestaltung mit der Auswahl und Qualifizierung der betroffenen Mitarbeiter begonnen, Lehr - und Lernmaterial beschafft, Hard - und Software bereitgestellt. Mit dem Betrieb des Systems soll dann ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen. (Lern-)Erfolgs-kontrollen optimieren und passen die Qualifizierungsmaßnahmen an.

Sind Begriffe wie "Qualifizieren für die Zukunft" oder "Denken und Investieren in Humanressourcen" ernst gemeint, bedeutet dies, der Personalplanung und -entwicklung im technischen Wandel eine Schlüsselrolle zukommen zu lassen.

Einbindung in Unternehmensplanung

Die Autoren der Studie formulieren als Fazit: Der immer wieder erhobene Anspruch, Personalplanung zum integralen Bestandteil unternehmerischer Gesamtplanung zu machen, muß flächendeckend eingelöst werden. Um den Status gegenwärtiger Personalplanung als abhängige Folgeplanung aufzuheben, ist die organisatorische Einbindung der Planungs- und Entscheidungsinstanzen der Personalabteilung in die Gesamtunternehmensplanung unabdingbar. Dies erfordert neue Organisationsmodelle über Planungs-, Informations- und Beteiligungsformen. In Abhängigkeit der Betriebsgröße und -struktur werden dabei unterschiedliche, rechtliche, organisatorische und personelle Bedingungen zu berücksichtigen sein. Interessant und sinnvoll wäre etwa, der Frage nachzugehen, inwieweit die oben beschriebene Planungssystematik zur organisatorischen und personellen Gestaltung von Arbeitsystemen bei technischen Innovationen auch auf Klein- und Mittelbetriebe übertragbar ist.

Der genaue Titel der Untersuchung, die das Bayerische Bildungswerk vornahm, lautet: Qualifizierungskonzept Rechnergestützte Fertigung, Handreichung zur Vermittlung von Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz an Mitarbeiter. Von Karlheinz Sonntag, Stephan Hamp, Helmut Rebstock, erstellt im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, München, 1987.

Das hohe "C" erlernen

Zielsetzung dieses Forschungsprojektes "Qualifizierungskonzept Rechnergestützte Fertigung" war es, den Betrieben und Weiterbildungsträgern ein umfassendes, den Anforderungen entsprechendes Instrumentarium an die Hand zu geben. Das erarbeitete Weiterbildungskonzept richtet sich an Betriebe aller Größenklassen in denen technologische Innovationen bevorstehen oder bereits erfolgt sind. Da es wesentlich auf den Erfahrungen beruht, die einschlägige Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits gemacht haben bezeichnet das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e. V dieses Konzept als besonders aktuell und praxisnah.