Anwender des Jahres/T-Systems

Schlaue Marktforschung

21.11.2003
Marktforschung in einem Großkonzern: Das bedeutet, viele Geschäftsbereiche und noch mehr Abteilungen sammeln sehr viele Studien - oft zudem die gleichen. Die liegen dann im Unternehmen zweifach, dreifach, mehrfach herum - ohne dass klar ist, ob sie überhaupt gelesen werden. Diesem misslichen Zustand hat die Telekom-Tochter T-Systems jetzt mit einem Marktforschungsportal abgeholfen.

Laut Forrester geben Unternehmen weltweit 2,5 Milliarden Dollar für IT-bezogene Marktforschung aus. Über alle Branchen gerechnet, dürfte ein hoher zweistelliger Milliardenbetrag in solche Studien investiert werden. Bei Konzernen wie der Deutschen Telekom liegen die Ausgaben im zweistelligen Millionenbereich.

Diese alles andere als billig eingekauften Studien verschwinden aber bei vielen Unternehmen heute noch häufig in Schubladen und sind nur einem sehr begrenzten Personenkreis zugänglich. Manchmal wird die gleiche Studie sogar mehrfach geordert. Fazit: Wertvolle Informationen werden teuer bezahlt, aber nicht genutzt.

T-Systems setzte deshalb das Projekt Marktforschungs-(Mafo-)Portal auf. Mit diesem bewarb sich der ICT-Dienstleister (Information & Communications Technology) für den diesjährigen Wettbewerb "Anwender des Jahres". Ziel war, allen interessierten Mitarbeitern die Informationen aus Studien zugänglich zu machen und ihnen bei dieser Gelegenheit über ein Content-Management-System auch noch eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie für ihre tägliche Arbeit brauchen. Marktinformationen sollen so zum kollektiven Wissensvorsprung im Wettbewerb am Markt führen.

Hierzu entwickelte das Team um Heiko Wieandt ein Konzept zum Aufbau einer Informationsdrehscheibe für alle Marktforschungsergebnisse. Wieandt ist offiziell dafür zuständig, Market Research bei T-Systems zu koordinieren. Kern des Projekts ist eine kleine Mafo-Abteilung, die gemeinsam mit Ansprechpartnern in allen Geschäftseinheiten eine so genannte Community of Practice bildet. Diese Community sorgt für die unternehmensweite Beschaffung und Nutzung von Mafo-Informationen für alle Mitarbeiter bei T-Systems.

Das Mafo-Portal selbst ist eine Anwendung innerhalb des T-Systems-Intranets. Das ist insofern wichtig, als seinerzeit zusammen mit der Entwicklung des Intranets auch ein zentrales Dokumenten-Management-System für rund 40000 Benutzer realisiert wurde. Dieser Wissens-Pool wiederum beliefert auch das Mafo-Portal und damit die T-Systems-Mitarbeiter mit aktuellen Informationen.

Herzstück des Mafo-Portals ist das Content-Management-System "Divine Participant Server". Um den Anwendern die Suche nach Informationen und Studien zu erleichtern, wurden zwei Datenbankapplikationen aufgesetzt: eine Studiendatenbank mit mehr als 2000 Studien aus den Jahren 2002 und 2003, sowie eine Wettbewerberdatenbank. Diese wird in Kürze aktiviert.

In der Studiendatenbank stehen weltweit Informationen für die Märkte zur Verfügung, in denen sich T-Systems bewegt. Der Zugriff erfolgt über ein Abfragemodul. Der Anwender kann hier seine Suche nach Produkten, Herausgebern, Branchen und Ländern klassifizieren. Eine Volltext-Suchmaschine - vergleichbar wie bei Google - erlaubt eine themenorientierte Abfrage. Die Datenbank wurde in der PHP-Entwicklungsumgebung (Hypertext Pre-Processor, ehedem Personal Homepage Tools, eine in HTML eingebettete Scriptsprache) programmiert und auf der "MySQL"-Datenbank aufgesetzt.

Für die Wettbewerberdatenbank wiederum nutzte T-Systems eine Oracle-Lösung. Die T-Systems-Mitarbeiter finden in dem Wissens-Pool sämtliche Analysen und Daten der Konkurrenten. Auf Wunsch bekommen Mitarbeiter auch Zugriff auf einen direkten Link zu einem bestimmten Marktforschungsinstitut, nachdem die lizenzrechtlichen Voraussetzungen geklärt sind.

Das Mafo-Portal bietet den Anwendern darüber hinaus verschiedene Content-Management-typische Dienste an. Hierzu zählt etwa die Bereitstellung neuester Nachrichten über bestimmte Kunden der T-Systems-Mitarbeiter aus verschiedenen Wirtschafts- und Fachmedien. Diese Nachrichten werden zudem angereichert durch Informationen über Markt- und Branchentrends. Vom Mafo-Portal aus können Benutzer zudem weitergehende Services wie zum Beispiel einen monatlichen Informationsdienst aktivieren.

Das Mafo-Portal hat sich bereits im ersten Jahr der Einführung gerechnet, sagt Projektleiter Wieandt. Allein die Studien zentral zu beschaffen und im Mafo-Portal bereitzustellen sowie konzernweit Rahmenverträge an einer einzigen Stelle auszuhandeln, halbierte die bisherigen Kosten.

Ferner habe sich der Nutzen aus den Verträgen verzwanzigfacht, sagt Wieandt. Die Zeitersparnis der Mitarbeiter auf der Suche nach Datenmaterial sei noch größer. Früher mussten sie eine Studie im Unternehmen an mehreren Stellen suchen und um Erlaubnis für ihre Nutzung fragen, bevor sie das Werk als Ausdruck oder per E-Mail bekamen. Heutzutage steht das Dokument jedem Anwender online sofort zur Verfügung.

Direkt sichtbare Ergebnisse

Das Mafo-Portal hat aber noch weitergehende Auswirkungen auf die Geschäftsabläufe, erklärt Bernd Brand. Er ist im Geschäftsbereich IT und Prozesse für das so genannte Enabling, also für die Umsetzung von Technologien und Projekten, zuständig. "Direkt sichtbare Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen", so Brand, "gibt es jetzt beim Erstellen von Marketing-Plänen und Business Cases, da der größte Teil des hierfür notwendigen Zahlenmaterials nun konsistent im Mafo-Portal zur Verfügung steht." Präsentationen lassen sich jetzt zudem erheblich leichter entwerfen, müssen doch hierzu häufig Grafiken über Marktentwicklungen eingebaut werden.

Das Portal nutzen weltweit T-Systems und alle rechtlich selbständigen Tochterunternehmen. Zusätzlich haben die IT-Top-Manager (Chief Information Officer = CIO) aller vier Telekom-Konzerndivisionen - also T-Mobile, T-Online, T-Com und T-Systems - im Februar 2003 entschieden, das Mafo-Portal klientenfähig nicht nur in ihren jeweiligen Unternehmen zu nutzen, sondern auf einer gemeinsamen Datenbasis zu arbeiten. Der potenzielle Benutzerkreis für das Portal weitet sich entsprechend auf rund 200000 Benutzer aus.

Die Lösung hat die T-Systems-Tochter Multi Media Solutions GmbH entwickelt. Trotz umfangreicher Anforderungen an das Portal - Suchmaschine, Abfragemodule, verschiedene Datenbankapplikationen - nutzt es bestehende Standardentwicklungen und ist im Intranet integriert.

Modular und weltweit

Das Mafo-Portal wurde von Anfang an als modulares System konzipiert. Applikationen können ausgetauscht oder hinzugefügt werden, ohne dass deshalb die Stabilität des Systems leidet. In der Entwicklungsumgebung PHP wurden die unterschiedliche Applikationen verknüpft.

Damit das Zusammenspiel der einzelnen Systemkomponenten im Intranet von T-Systems reibungslos funktioniert, arbeitet im Hintergrund ein weltweites konzerninternes Netzwerk, das Telekom-Global-Network auf Basis von Gigabit-Ethernet- und Switched-Ethernet-Technologien. Von jedem Ort der Welt können die Mitarbeiter rund um die Uhr auf dieses Intranet zugreifen. Die Verbindung zum Firmennetz erfolgt entweder durch eine LAN-Anbindung oder durch eine sichere Verbindung über das analoge Fernsprechnetz, über ISDN, das Mobiltelefon, GPRS oder T-DSL.

Die kleine, aus drei Mitarbeitern bestehende Kernmannschaft im Bereich Marktforschung arbeitet in jeder Geschäftseinheit (Business Unit = BU) mit "Mafo-Ansprechpartnern" zusammen. Diese rund 30 Mafo-Ansprechpartner sind in ihren Einheiten zuständig für Fragen der Mitarbeiter rund um das Thema Marktforschung und stehen auch im direkten Dialog mit Analysten. Gemeinsam bilden Mafo-Ansprechpartner und zentrale Mafo-Abteilung eine Community, um sich auszutauschen und über die weitere Entwicklung des Mafo-Portals und der anderen Services abzustimmen.

Niedrige Projektkosten

Ein gerade im Pilottest befindlicher und noch nicht für den allgemeinen Betrieb freigegebener Teil des Mafo-Portals ist schließlich Client Intelligence. Dort sind (zunächst) die 20 bedeutendsten T-Systems-Kunden aufgelistet. Von hier aus haben die zuständigen Vertriebsmitarbeiter der Telekom-Tochter mit nur einem Klick direkten Zugriff auf aktuelle Meldungen über ihre Kunden. Hinzu kommen Analysten-Reports mit Hintergrund-Informationen. Weiter bietet das Client-Intelligence-System eine Datenbank mit Ansprechpartnern und Hintergrundmaterial zu diesen Kunden.

Das Mafo-Portal-Projekt wurde von einem sechsköpfigen Projektteam mit einem Projektleiter und einem Projektpaten wie geplant in sechs Monaten aufgebaut. Die Gesamtprojektinvestitionen betrugen rund 150000 Euro. An laufenden jährlichen Kosten für Redaktion und Betrieb des Mafo-Portals einschließlich der Hardwareinvestitionen schlagen jährlich weitere 180000 Euro zu Buche.

Derzeit greifen im Schnitt täglich zirka 130 Mitarbeiter auf das Mafo-Portal zu. Die Studiendatenbank wird sogar von durchschnittlich 150 T-Systems-Mitarbeitern am Tag benutzt. (jm)

Das Mafo-Portal

- Zugänge zu Marktforschern wie Datamonitor, Forrester Research, Gartner, Giga Group, IDC, Lexis Nexis, Meta Group, Ovum, PAC, Sitsi, Techconsult,Yankee Group etc.

- Studiendatenbank: Mit über 2000 Studien aus den Jahren 2002 und 2003.

- Infodienst: Monatliche Daten und Nachrichten rund um die IT- und TK-Märkte.

- Marktzahlen: Basisinformationen für die Mitarbeiter.

- Wettbewerberuntersuchungen: Vielfältige Informationen zu den Hauptwettbewerbern.

- Firmenprofile B&W: Wirtschaftsinformationsdienst für Firmenprofile.

- Link-Sammlung: Über 100 Links zu externen und internen Quellen.

- Musterantworten: Fragebögen und Musterantworten zu Anfragen von Researchern.

- Präsentationsdatenbank.

- Methoden zur Marktforschung (Grundlagen, zum Beispiel: Wie werden Märkte quantifiziert).