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Schlagabtausch unter Herstellern: Wer erschuf den Enterprise Service Bus?

02.08.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Fachwelt und Marketingabteilungen streiten derzeit darüber, ob der Enterprise Service Bus (ESB) eine eigene Middleware-Kategorie oder nur ein Konzept ist, und ob und welche Vorteile er gegenüber bisheriger Integrationstechnik hat. Das große Interesse in der Industrie am ESB rührt vor allem daher, dass dieser als Gerüst für die viel zitierten Service-orientierten Architekturen (SOA) gesehen wird und damit strategische Bedeutung gewinnt. Früh haben Startups wie Polar Lake, Cape Clear oder Fiorano sowie Spezialisten im Middleware-Markt wie Sonic Software die Chance entdeckt, sich als ESB-Company von Wettbewerbern wie IBM und Bea Systems zu differenzieren und Produkte wie Applikations-Servers und Integration Servern als rückständig abzuqualifizieren (siehe auch "Was bringt ein Enterprise Service Bus?".

Die Progress-Tochter Sonic Software nimmt dabei für sich sogar in Anspruch, der Erfinder des ESB zu sein und bezeichnet die Integrationssoftware führender Hersteller wie Tibco Software rundweg als Legacy-Produkte für Enterprise Application Integration (EAI). Laut Firmenpresident Greg O´Connor seien Unternehmen von der traditionellen Hub-and-spoke-Architektur der EAI-Lösungen frustriert und hätten nicht die erhofften Ergebnisse erzielt. "Sonic biete hingegen die flexible Infrastruktur, die der Anwender für eine SOA benötigt, warb O´Connor jetzt im Gespräch mit "Computerwire".

Nach so viel Häme und Eigenlob ist nun offenbar Tibco-Boss Vivek Ranadive der Kragen geplatzt. Gegenüber dem Brancheninformationsdienst bezeichnete er nicht nur Sonics Ansprüche auf eine Urheberschaft am ESB als "Witz", sondern kürte sich zugleich selbst zu dessen Erschaffer. "Ich persönlich habe ihn erfunden. Wir haben uns schon immer The Information Bus Company (=Tibco) genannt". Neun von zehn aller Großbanken würden heute Tibcos ESB einsetzen: "Morgan Stanley ist die einzige Bank, dies uns nicht verwendet - die haben einen eigenen ESB entwickelt". Zudem behauptete der Top-Manager, dass Sonic trotz gegenteiliger Behauptungen keinen umfassenden ESB bieten könne, da ein Großteil der Integrationstechnik fehle, die Tibco schon habe: "Man kann die Wahrheit nicht auf Dauer verbergen".

Allerdings hatte Tibco wie auch Bea, Sun Microsystems oder IBM in den letzten Monaten einsehen müssen, dass sie den entstehenden Hype um ESBs aus Sicht des Marketings und der Produktentwicklung verschlafen hatten. Zur Ehrenrettung heißt es nun bei Tibco und Big Blue, dass man schon immer einen ESB gehabt habe, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung. Zudem bedürfe es umfassenderer Integrationstechnik für SOAs als sie der ESB biete. Bea Systems seinerseits hatte kürzlich mit "Aqualogic" eine Suite aus alten und neuen Produkten vorgestellt, die als Basis für eine SOA dienen soll (siehe auch "Bea legt die Basis für Service-orientierte Architekturen"). In ihr enthalten ist auch ein ESB. Sun hingegen hatte lange geschwiegen und erst kürzlich durch den Kauf des Tibco-Konkurrenten Seebeyond einer SOA-Strategie Leben eingehaucht sowie zugleich durch die Freigabe von Quellcode die Entwicklung eines freien ESB angestoßen (siehe auch "Hintergrund: Sun setzt alles auf die Middleware-Karte"). Derweil hat sich ein weiterer großer Player zu Wort gemeldet und seine Ansichten über den ESB zu Papier gebracht: Microsoft. Danach halte man zwar Sonic für den Erfinder des Begriffs, aber den ESB für keine eigene Produktkategorie. (as)