Migrationshürden und Probleme

Schickt Windows XP vorhandene Hardware in Rente?

23.11.2001
MÜNCHEN (hi) - Mehr Stabilität, höhere Geschwindigkeit und weitere Vorteile verspricht Microsoft den Anwendern, die auf Windows XP migrieren. Doch für die Benutzer, gleich ob im Unternehmen oder zu Hause, stellt sich zuerst die Frage, ob Peripheriegeräte wie Laserdrucker, Scanner oder TK-Anlage unterstützt werden. Ohne passende Treiber droht die Migration zum finanziellen Abenteuer auszuarten.

Eine neue Erfahrung (XP = New Experience) in Punkten wie Stabilität oder Geschwindigkeit versprach Microsoft-CEO Steve Ballmer den Anwendern beim Verkaufsstart von Windows XP. Und der IT-Industrie stellte er einen Nachfrage-Boom in Aussicht - dank der Innovationen im Betriebssystem. In beidem könnte Ballmer recht behalten.

Neue Erfahrungen warten auf den migrationswilligen User unter anderem, wenn es für ihn Alarmstufe Rot heißt, weil der Kompatibilitätstest von Windows XP zahlreiche nicht unterstützte Geräte anmahnt. Zwar hat Microsoft seinen jüngsten Betriebssystem-Sprössling eigenen Angaben zufolge mit rund 15000 Devices getestet, doch in vielen Fällen werden vorhandene Bürogeräte wie Scanner, Drucker oder Modems nicht mehr unterstützt. Ebenfalls Kummer bereitet die Anbindung an Novell-Netze. Selbst aktuelle Hardware wie eine Eumex-ISDN-DSL-TK-Anlage funktioniert unter XP nicht mehr. Dem Benutzer stehen nun lästige Konfigurationsarbeiten bevor - oder er kann Ballmers Versprechen an die IT-Industrie einlösen und in neue Hardware investieren.

Welcher Weg dabei in Frage kommt, lässt sich nicht pauschal beantworten, denn selbst der Kauf beim Markenhersteller ist kein Garant für einen reibungslosen Treibersupport in Sachen XP. Droht eine Migration an der fehlenden Druckerunterstützung zu scheitern, so hilft oft ein Blick ins Handbuch. Die meisten Laserdrucker besitzen neben dem herstellerspezifischen Betriebsmodus noch eine Emulation für die Druckersprache PCL. Für diese bietet das neue Betriebssystem in der Regel einen Treiber von HP, der auch mit den Druckern anderer Hersteller funktioniert. Allerdings muss der Anwender bei dieser generischen Betriebsart meist auf viele Zusatzfunktionen seines Druckers verzichten. Ein anderer Lösungsansatz ist die Verwendung eines älteren Windows-2000-Treibers. Diese funktionieren in der Regel auch unter XP, wobei das System die fehlende Treiberzertifizierung anmahnt. Anders verhält es sich beispielsweise mit den Treibern der TK-Anlage "Eumex 704PC DSL". Das von der Telekom vertriebene Gerät führt, wie ein CW-Leser berichtet, nach etwa fünf Minuten zu einem instabilen Rechner.

Als letzte Verzweiflungstat, wenn weder XP- noch Windows-2000-Treiber vorhanden sind, kann der Anwender noch probieren, einen alten NT-4-Treiber zu installieren. Im Versuch mit einem Minolta-Laserdrucker "Pagepro 8 L" brachte dieser Weg die Lösung. Dabei riskiert der Benutzer jedoch, dass diese Treiber, selbst wenn sie anfangs problemlos zu funktionieren scheinen, später Ärger bereiten. Führen obige Versuche nicht zum Erfolg, hilft eventuell ein Anruf bei der Hersteller-Hotline. Manche Geräte lassen sich nämlich mit den Treibern für ein neueres Modell in das System einbinden.

Mehr Schwierigkeiten wie die Einbindung von älteren Druckern bereitet der Anschluss von Scannern, wie auch Microsoft Deutschland einräumt. Hilft hier keine der obigen Vorgehensweisen, so hat das gute Stück nur noch Schrottwert. Einer der Hersteller, der sich in diesem Zusammenhang äußerst kundenunfreundlich gebärdet, ist der taiwanische Anbieter Mustek. Die technische Hotline riet auf Anfrage schlicht, den Scanner auf den Müll zu werfen und ein neues Gerät zu kaufen, da diese ja nicht mehr so teuer seien. Eine Firmenpolitik, die ein Anwender in einer Microsoft-Newsgroup zu XP mit der Bemerkung kommentierte: "Ich habe Mustek zweimal gekauft! Einmal und nie wieder."

Ebenfalls kein Ruhmesblatt in Sachen Support erwarb sich die Telekom als Vertreiber der Eumex 704PC DSL. Dort wusste man zwar von den Treiber-Problemen, vertröstete aber den CW-Leser auf das Jahresende. Entsprechende Software früher zu entwickeln sei nicht möglich gewesen, da die verschiedenen XP-Betas zu instabil gewesen seien. Andere Hersteller behaupten, dass die Treiberzertifizierung seitens Microsofts zu lange dauere. Eine Darstellung, der Microsoft Deutschland widerspricht. Die Unternehmen hätten bereits sehr lange den Auslieferungstermin von XP gekannt.

Eine Erklärung für das geringe Interesse der Hersteller, Treiber nachzuprogrammieren, liefert Minolta-QMS. Nach Angaben des Druckerherstellers verursacht die Entwicklung zuverlässiger Treiber Kosten, die sich auf dem Niveau eines durchschnittlichen Angestellten-Jahresgehalts bewegen.

Netware-Clients nur als BetaGeschlafen hat auch Netzwerkhersteller Novell. XP-Migrationswillige müssen derzeit mit einem Beta-Client für das Netz-Betriebssystem vorlieb nehmen. Mit einer endgültigen Version, so Novell offiziell, sei erst drei bis vier Monate nach dem Verkaufsstart von Windows XP zu rechnen. Eine Verzögerung, die sich zur Not unter der Professional-Variante noch verschmerzen lässt, denn das Betriebssystem verfügt von Haus aus über eine rudimentäre Unterstützung für Netware und die Novell Directory Services (NDS). Wer allerdings alle NDS-Features nutzen will, kommt um den Novell-eigenen Client nicht herum. Ihn benötigen auch Unternehmen, die Consumer-PCs am Arbeitsplatz einsetzen, da diese in der Regel mit der Home Edition ausgeliefert werden - eine Variante, die über keine Netware-Unterstützung verfügt. Zwar kann der Anwender die Home Edition mit Novells Client ebenfalls an einen Netware-Server anbinden, doch die Sache hat einen Haken: Für diese Variante gibt es von Novell offiziell keinen Support. Für die Unternehmen bedeutet dies in letzter Konsequenz Mehrkosten von 150 Mark pro Arbeitsplatz für die professionelle Version, geht man von den bisherigen OEM-Preisunterschieden zwischen Windows 98/ME und Windows 2000 aus. Das sind unnötige Ausgaben, da die Firmen die professionelle Version an einfachen PC-Arbeitsplätzen eigentlich nicht benötigen, wenn auf die wenigen zusätzlichen Features wie Remote Desktop oder Application-Sharing verzichtet werden kann.

Von den Update-Problemen sind also nicht nur Privatkunden betroffen. Zumal manches Unternehmen schneller mit Windows XP in Berührung kommen dürfte, als seine Migrationspläne vorsehen. Zahlreiche Hersteller wollen nämlich demnächst ihre Rechner mit Windows XP ausliefern. Wer etwa bei Compaq aus der Consumer-Linie Arbeitsplatzrechner wie die "Presario Desktops" ordert, erhält Geräte mit vorinstalliertem XP. Lediglich bei den PCs der Business-Familie gibt es dann eine Dual-Install-Option, die entweder die Inbetriebnahme von Windows XP oder Windows 2000 erlaubt. Firmen, die noch auf Windows NT oder Windows 9x/ME setzen, haben noch bis Juni 2002 Zeit. Bis dahin liefert Compaq auf Wunsch seine Rechner auch noch mit diesen Betriebssystemen aus. Ähnlich sieht die Situation bei Fujitsu-Siemens aus, wobei der Hersteller noch keinen konkreten Termin für das Aus von NT oder Windows 9x/ME nennen konnte. (Siehe auch Schwerpunkt ab Seite 46)