Icann steht vor dem Ruin

Scheitert die Neuordnung der Domain-Vergabe?

23.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Sieben Monate nach ihrer Gründung steht die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann) vor dem Ruin - und die Liberalisierung im Web-Adreßgeschäft vor Schwierigkeiten. Die Testphase wurde um ein weiteres Mal verlängert.

Icann hat das Startkapital seiner Gründungsmitglieder in Höhe von 400000 Dollar restlos aufgebraucht und mangels Nachschub inzwischen unbezahlte Rechnungen in Höhe von einer Million Dollar angehäuft.

Um die Handlungsfähigkeit nicht zu gefährden, bräuchte die Organisation schnellstmöglich eine Bargeld-Infusion in Höhe von zwei Millionen Dollar, so Chefberater Joe Sims. Allerdings sind seine Brandbriefe an die Internet-Industrie bislang ohne Wirkung geblieben. Einzig MCI Worldcom, mit 50 000 Dollar schon einer der größten Gründungsspender, sagte Hilfe zu. Das verwundert indes nicht weiter, zählt doch MCI-Vize Vint Cerf als Mitentwickler des Internet Protocol (IP) zu den Gründungsvätern des Web.

Icann befindet sich in einer mißlichen Lage. Das Startkapital sollte so lange reichen, bis das Monopol von Network Solutions Inc. (NSI) auf die Registrierung der Top-Level-Domains ".com", ".org" und ".net" gebrochen wäre und Icann durch den Betrieb der zentralen Adreßdatenbank eigene Einnahmen erzielen könnte. Das sollte spätestens ab dem Ende einer Testperiode am 26. Juni 1999 der Fall sein. Dann wollte Icann von NSI und den neu zugelassenen Registraren eine Jahresgebühr von 5000 Dollar sowie pro Registrierung einen weiteren Dollar jährlich erheben. Vordergründig wegen technischer Probleme wurde die Testphase vom US-Handelsministerium zunächst bis zum 16. Juli 1999 und inzwischen ein zweites Mal bis zum 6. August 1999 verlängert. Bis dahin hat Icann wenig Chancen, von NSI die Datenbank zu übernehmen, geschweige denn eigene Einnahmen zu erzielen.

Ganz im Gegenteil: Von einer Senatsanhörung am 22. Juli droht neues Ungemach. Die Abgeordneten befürchten, daß Icann über den Umweg der anvisierten Gebühren eine Internet-Steuer einführt, und werfen der Organisation mangelnde Transparenz vor. In die gleiche Kerbe schlug dann der einstige Befürworter, das Handelsministerium. Dessen Generalbevollmächtigter Andrew Pincus sprach sich gegen die Adreßabgabe von einem Dollar aus und verlangte die öffentliche Abhaltung von Icann-Meetings.

Allerdings steht die Organisation nicht ganz allein auf weiter Flur. So haben sich etwa 20 Registrare, darunter das international besetzte Council of Registrars (Core), zusammengetan und eine Washingtoner Lobby-Agentur mit der Vertretung ihrer Interessen beim Senat beauftragt. Demonstrativ hat sich auch das World Wide Web Consortium (W3C), Hüter der Web-Standards, auf die Seite von Icann gestellt. Der Erfolg von Icann sei entscheidend für die Integrität des Internet als universaler Informationsraum, heißt es in einer Erklärung, mit der das W3C seinen Beitritt zur Protocol Support Organization (PSO) von Icann bekanntgab. Die PSO soll Icann in technischen Fragen rund um den Betrieb des Domain Name System (DNS) beraten.

Ein schlechter Beigeschmack für Unternehmen, die das Internet nutzen, bleibt: Werden die finanziellen Probleme von Icann deren Fähigkeit beeinträchtigen, Domain-Wünsche schnell, präzise und zu einem vernünftigen Preis zu erfüllen?