Fragen nach Kompetenzen und Anbindung der Länder bleiben unbeantwortet

Scheitert Bund Online 2005 am Zeitplan?

01.02.2002
MÜNCHEN (CW) - Mit der E-Government-Initiative "Bund Online 2005" will die Bundesregierung innerhalb der nächsten vier Jahre die Entwicklung Deutschlands zu einer Informationsgesellschaft vorantreiben. Kritiker fürchten allerdings, dass der Zeitplan zu eng gesteckt ist. Vor allem organisatorische Mängel könnten das Projekt verzögern oder gar scheitern lassen.

E-Government bedeute nicht nur, neue Technik einzuführen, warnt Thomas Langkabel, Leiter des Bereichs öffentlicher Sektor Ost bei CSC Ploenzke. Den Behörden müsse klar sein, dass es dabei ebenfalls um Änderungen der Arbeitsabläufe und Prozesse geht. "Auch die Köpfe müssen sich verändern. In dieser Hinsicht halte ich den Zeitplan für sehr ehrgeizig."

Die Bundesregierung sieht vor, im Rahmen ihres Bund-Online-2005-Projekts innerhalb der nächsten vier Jahre 376 von insgesamt 383 Dienstleistungen des Bundes online zu stellen. Den Schwerpunkt bilden zu je einem Drittel Informationsangebote sowie Antragsverfahren mit transaktionsorientierten Komponenten.

Den Anfang sollen 18 Modellprojekte machen, die zum Teil bereits vor dem Beginn der E-Government-Initiative angestoßen wurden. Dazu gehören beispielsweise das "Elster"-Projekt zur elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen an das Finanzamt oder "Bafög online", das die Beantragung von Bafög via Netz ermöglicht. Ferner soll unter der Internet-Adresse "Bund.de" ein Portal der Bundesverwaltung aufgebaut werden, das unter ande-rem das Dienstleistungsangebot für die Bürger präsentieren soll. Ein E-Government-Handbuch, das unter der Regie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) entsteht, soll die Behörden bei der Implementierung ihres Online-Angebots unterstützen. Zudem ist geplant, ein Kompetenzzentrum einzurichten, das die einzelnen Ressorts bei der Auswahl der IT-Komponenten beraten und unterstützen soll.

Allerdings offenbart der Umsetzungsbericht auch Widersprüche. So wird behauptet, die Bundesverwaltung verfüge über eine tragfähige Infrastruktur, auf deren Basis sich E-Government schnell realisieren lasse. Wenige Seiten weiter wird festgestellt, eine Analyse der IT-Ausgangssituation sei nicht Gegenstand des Umsetzungsplans.

Kritiker argwöhnen, dass die IT-Verantwortlichen des Bundes selbst nicht genau wissen, welche Ausstattung in den Behörden und Ämtern vorhanden ist. Dieser Verdacht wird durch Aussagen des Bundesrechnungshofs gestützt. Dort heißt es in einem Prüfungsbericht, die Bundesverwaltung führe kein zentrales Verzeichnis über die eingesetzte Informationstechnik. Das Bestandsverzeichnis erlaube keinen Überblick über die IT-Ausstattung des Bundes und könne deshalb "nicht für übergeordnete, koordinierende und planerische Entscheidungen genutzt werden".

Die Grundpfeiler von Bund Online 2005 scheinen nicht besonders stabil. Derzeit würden sich Projekte im E-Government-Sektor eher isoliert entwickeln, die dabei gewonnenen Erkenntnisse anderen Anwendern kaum zugänglich gemacht, heißt es im Umsetzungsplan. Es mangle generell an Synergieeffekten. Wie sich dies zukünftig ändern soll, sagen die Verantwortlichen nicht.

Vor allem die Frage nach der Kompetenzverteilung bleibt ungeklärt. Es hat den Anschein, dass keine der beteiligten Behörden das Heft in die Hand nehmen will oder kann. So erklärt beispielsweise Michael Dickopf, Pressesprecher des BSI, seine Einrichtung gebe lediglich das E-Government-Handbuch heraus. Damit wolle man Hilfe zur Selbsthilfe bieten und den Verantwortlichen eine Anleitung bieten, wie die Projekte realisiert werden könnten. "Ob die das dann auch so machen, bleibt jedem selbst überlassen."

"Man kann ein solches Projekt nicht zentral steuern", erklärt ein Sprecher der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung (Kbst). Es habe keinen Sinn, der Vielzahl von Bundesbehörden vorzuschreiben, welche Einzelprodukte zu kaufen sind. Die einzelnen Ressorts seien selbst dafür verantwortlich, die im Umsetzungsplan definierten Projekte umzusetzen.

Allerdings würden einige Basiskomponenten zentral entwickelt, erklärt Stephan Bauer, Mitarbeiter des Beratungshauses Booz Allen Hamilton, das den Umsetzungsplan des Bundesinnenministeriums mit ausgearbeitet hat. Dazu gehörten beispielsweise ein Content-Management-System (CMS), eine Bezahlplattform sowie Formular-Server. Es wäre Unsinn, diese IT-Bausteine, auf die viele Ressorts zugreifen werden, mehrfach parallel zu entwickeln. Außerdem würden die Ressorts an dieser Stelle eine Federführung und Klammerfunktion des Innenministeriums erwarten.

Bürgersicht wurde vernachlässigtIm Prinzip sei die Strategie gut, die Plattformthemen zentral zu lösen und dann den Ressorts anzubieten, meint Langkabel von CSC Ploenzke. Allerdings gebe es einen Haken. Der Kabinettsbeschluss habe einen zu unverbindlichen Charakter. Im Grunde seien die Ressorts frei und könnten sich gegen die Empfehlungen entscheiden. Deshalb wäre es wichtig, dass in den Kompetenzzentren schnell pragmatische Lösungen entwickelt würden, die den Verantwortlichen in den Behörden den Nutzen vor Augen führten. Außerdem sei zu hoffen, dass die Rechnungshöfe den Ressorts Druck machten, auf das zentrale Angebot aufzubauen statt auf teuren Eigenentwicklungen zu beharren.

Neben der Frage nach der zentralen Koordination kritisieren die Experten noch andere Schwachpunkte der E-Government-Initiative. So ist es nach Ansicht von Ulrich Vonderheid, als Business-Unit-Manager für den Public Sector bei Diebold tätig, problematisch, das Projekt aus der Sicht der Verwaltung heraus aufzusetzen. Sinnvoller wäre es gewesen, verstärkt aus der Sicht der Bürger zu agieren.

Dieser Kritik schließt sich Langkabel an. Man müsse sich fragen, was der Bürger letztendlich von Bund Online 2005 habe. Weite Teile des Projekts beträfen die Kommunikation innerhalb der Verwaltung. Viele Abläufe, in denen Bürger mit Behörden zu tun hätten, seien nicht Sache des Bundes, sondern Kommunalaufgaben. E-Government-Initiativen müssten das berücksichtigen und die Belange der Bürger gegenüber denen der Verwaltung priorisieren. Nutzen bringe das Projekt erst, wenn die verschiedenen Verwaltungsebenen überbrückt beziehungsweise verknüpft würden. An dieser Kooperation fehle es noch. Zwar gebe es ein Begleitprojekt im Rahmen von Bund Online 2005, das sich mit der Integration der Länder und Kommunen beschäftigt. Das stecke aber noch in der Definitionsphase. (ba)

Das kostet Bund Online 2005Für die E-Government-Initiative sind in den Bundeshaushalten der nächsten vier Jahre 1,65 Milliarden Euro eingeplant. Das Budget differenziert zwischen Aufwendungen für zentrale und dezentrale Komponenten. Mit 91 Prozent machen die dezentral anfallenden Kosten den Löwenanteil aus. 789 Millionen Euro (48 Prozent des Gesamtbudgets) kostet die Entwicklung von Fachanwendungen in den Ressorts. Weitere Kostenstellen sind 409 Millionen Euro für Prozessanpassungen (25 Prozent), 150 Millionen Euro für Schulungen (neun Prozent) und 143 Millionen für die dezentrale Basisinfrastruktur (neun Prozent). Bescheiden nehmen sich dagegen die 154 Millionen Euro für zentrale Komponenten aus. 92 Millionen Euro sind für Prozessanpassungen eingeplant. Die Bereitstellung der zentralen Basiskomponenten soll 48 Millionen Euro kosten. Ein zentrales Call-Center schlägt mit 14 Millionen Euro zu Buche.

Die Kosten für Bund Online 2005 werden auf alle Ministerien sowie die Bundesanstalt für Arbeit (271 Millionen Euro) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (121 Millionen Euro) verteilt. Die größten Finanzlasten unter den Behörden müssen das Finanzministerium (233 Millionen Euro), das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (215 Millionen Euro) sowie das Bundesinnenministerium (163 Millionen Euro) schultern.