"Mein Herz wird an der Börse gehandelt"

Scheer schwört noch auf die Tugenden der New Economy

19.01.2001
München (cw) - In seinem neuesten Buch erzählt August-Wilhelm Scheer vor allem seine und die Geschichte der IDS Scheer AG. Der Leser kann diese Unternehmenshistorie von den Gründertagen 1984 bis zum Börsengang 1999 verfolgen. Der Autor gibt zahlreiche Anekdoten zum Besten und bekennt sich zu den Reizen der New Economy. Von Inge Steutzger*

Noch ganz unter dem Eindruck des New-Economy-Hype findet Scheer: "High Tech ist sexier als Old Tech." Während Unternehmen der Old Economy nach ihren Gewinnaussichten beurteilt würden, zählten in der New Economy vor allem Umsatzerweiterung und Wachstum der Kundenbeziehungen. Allerdings werden die herkömmlichen Maßstäbe mittlerweile auch auf die jungen Firmen der neuen Wirtschaft angewandt - mit den bekannten Folgen. Leider war Scheer beim Schreiben seines Buches ein paar Monate zu früh dran, um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Entsprechend überholt scheinen seine Lobpreisungen der New Economy, die sich vor allem durch ihre "hohe Lebensintensität" und die harte Konkurrenz auszeichne. Scheer argumentiert mit Mini-Psychogrammen von Hightech-Bossen, die ihre hohe Aggressivität auch noch in der Freizeit ausleben: Die Segelturniere zwischen Hasso Plattner und Larry Ellison sind inzwischen legendär.

Potenziellen Unternehmensgründern gibt er eine Art Patentrezept mit auf den steinigen Weg: Es ist ein Muss, in Wachstumsmärkte und begabte Personen zu investieren. Außerdem ist es wichtig, so Scheer, Produkte und Service gleichermaßen anzubieten. Wie das funktioniert, erläutert Scheer an Hand der Erfolgsgeschichte seiner Firma IDS Scheer AG.

Die Idee für das Modellierungswerkzeug Aris-Toolset (Aris = Architektur integrierter Informationssysteme) war kein blitzartiger Einfall, sondern reifte zwischen den Jahren 1980 und 1992. Dahinter steckt die Vorstellung, dass ein Benutzer, der seine Organisation ändern möchte, lediglich seine Modelle abwandeln muss. Die Software könne sich dann weitgehend an die Abläufe anpassen.

Die Doppelkompetenz als Hochschullehrer und Firmenchef nutzte Scheer in vielerlei Hinsicht. So liefen die Schritte der Internationalisierung mehrfach über ausländische Hochschulkontakte. "Normalen" Firmengründern legt er aber besonders die Kontaktpflege zu Analysten ans Herz.

Der deutsche Entrepreneur rät davon ab, beim Aufbau einer Firma nur auf Techniker zu setzen. Die Bedeutung vertrieblicher und kaufmännischer Kompetenz darf nicht unterschätzt werden. Den Business-Plan wertet er eher ab.

Scheer beschreibt die Entwicklung seiner Firma anhand eines Vier-Phasen-Modells, das nach seiner Meinung typisch ist. Dabei zeigt er, welche Veränderungen das Management jeweils durchläuft, wenn der Umsatz eine, zehn, 100 Millionen und schließlich eine Milliarde Mark überschreitet. Geht es in der ersten Phase vor allem um strategisches Denken, so sind in der nächsten neue Märkte zu erschließen und weitere Leistungen zu erarbeiten. In der dritten Phase muss der angehende Profi-Manager delegieren lernen, auch wenn es schwer fällt. In der vierten Phase kümmert sich das Management nicht mehr so sehr um das operative Geschäft, sondern vor allem um die finanzielle Seite der Medaille.

August-Wilhelm Scheer: Unternehmen gründen ist nicht schwer .... Berlin: Springer 2000. 249 Seiten, 39,90 Mark.

*Inge Steutzger ist freie Autorin in München.