beta research bietet kreative forschungsaufgaben

Scharf auf eine verkabelte Schachtel

20.10.1999
Die Entwicklung digitaler Technologien verändert die virtuelle Welt von morgen. Kreative Forscher und Techniker sind deshalb bei Beta Research in Unterföhring bei München besonders gefragt.

"unsere techniker finden ihre Arbeit sexy", erzählt Tanja Speiser, Personalleiterin von Beta Research, und das hat angeblich nichts mit den flotten Moderatorinnen in der Kantine von Pro 7 zu tun, sondern ausschließlich mit den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die d-box.

Diese Schachtel soll die Zukunft der fernsehbegeisterten Bevölkerung von Grund auf verändern. In Unterföhring bei München entwickeln verschiedene Teams Technologien zur breitbandigen digitalen Datenübertragung. In Zukunft sollen neben digitalem Free- und Pay-TV beispielsweise Internet-Zugang, Home-Banking, Spiele und E-Commerce damit möglich sein.

Hinter dem futuristischen Namen "Beta Research" verbirgt sich das Technologieunternehmen der Kirch-Gruppe. Die 1996 gegründete Tochtergesellschaft soll die d-box weiterentwickeln und weltweit vermarkten. "Die Leute, die hier arbeiten, haben schon verstanden, daß sie etwas neues, wichtiges aufbauen", erklärt Sven-Olof Koopmann, Assistent der technischen Geschäftsführung stolz,"denn Deutschland ist der zweitgrößte TV-Markt der Welt."

Als diplomierter Luft- und Raumfahrtingenieur gehören für den 32jährigen rasante Aufstiegspläne zum Metier. Nach dem Studium in Stuttgart arbeitete Koopmann drei Jahre in Asien. Dort sammelte er Berufserfahrung in der Telekommunikationsbranche, die ihm die jetzige Arbeit erleichtert. Seit Februar letzten Jahres bereitet er für den Geschäftsführer Präsentationen vor, koordiniert Meetings, Konferenzen und Projekte. Dabei steht die Technik im Vordergrund seiner Arbeit. "Der Geschäftsführer muß bis aufs Chip-Level wissen, was die Programmierer machen, und mit ihnen die Grenzen und Möglichkeiten diskutieren."

"Hetze den ganzen Tag

Das technische Studium hat Koopmann nicht auf seine jetzigen Aufgaben vorbereitet. "Ich hatte zwar ein Traumstudium und würde es jederzeit wieder wählen, aber außer einem Grundverständnis für die Technologie und meiner Begeisterung kann ich das Gelernte hier nicht einsetzen", erklärt der Ingenieur nüchtern.

Gesunder Menschenverstand, Technikkenntnisse und Begeisterung für die Arbeit reichen neben einem abgeschlossenen Studium nach Meinung von Koopmann aus, um bei Beta Research einzusteigen, denn digitales Fernsehen ist ein neues Thema, das an den Hochschulen noch nicht unterrichtet wird.

Deshalb sind die meisten neuen Mitarbeiter in einer ähnlichen Situation: Jeder Newcomer muß anfangs eine Menge dazulernen. Studenten können bei Beta Research erste Praxiserfahrungen im Rahmen eines Praktikums oder der Diplomarbeit sammeln. "Meine Berufsroutine hat mir bei der Einarbeitung sehr geholfen; nach zwei bis drei Monaten hatte ich einen guten Überblick", so Koopmann. "Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß der Job auch nach der Uni machbar ist."

Die neuen Mitarbeiter arbeiten von Anfang an in konkreten Projekten mit und das erleichtert den Start erheblich. Der Direkteinstieg ist in allen Abteilungen möglich. Externe Schulungen und intensive Betreuung durch erfahrene Kollegen helfen mit, die Neuen zu integrieren. Auch später gehört es zum Arbeitsalltag, immer auf dem neuesten Stand der technischen Entwicklung zu sein.

"Es gibt nichts, in das man sich nicht einarbeiten kann", ist das Motto von Manfred Müller. Der promovierte Chemiker bewarb sich vor einem Jahr ebenfalls auf eine Stelle als Assistent der Geschäftsleitung. "Für diesen Job wurde jemand mit naturwissenschaftlichem Studium und kaufmännischen Kenntnissen gesucht, und das hörte sich interessant an", so Müller. "Ich kannte die Kirch-Gruppe, Beta Research war mir kein Begriff, aber die d-box."

Statt der Assistentenstelle bot man ihm einen Job als Product Manager an. In dieser Position arbeitet er an der Schnittstelle zwischen den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und den Kunden des Unternehmens. Müller organisiert Messen, arbeitet eng mit der Marketing-Abteilung zusammen und schreibt Berichte für die Geschäftsleitung. Salopp ausgedrückt heißt das: "Ich hetze den ganzen Tag durchs Haus, beschaffe Informationen und habe mit allen im Unternehmen zu tun."

Wie bereitete ihn sein Chemiestudium auf den Job vor? "Eigentlich überhaupt nicht. Im Produkt-Management kommt es vor allem darauf an, ein Organisationstalent zu sein. Wer ein naturwissenschaftliches Studium hinter sich gebracht hat, kann mit komplexen Themen umgehen", behauptet er, und das braucht Müller bei seiner täglichen Arbeit.

Der Quoten-Chemiker

Informationen erfassen, aufnehmen und für andere verständlich aufbereiten, sind Kernbereiche seines Jobs. Trotzdem bleibt er durchaus realistisch, wenn es um spezielles Fachwissen geht. "Ich kann keine Softwarebausteine beurteilen, aber ich begreife den Gesamtzusammenhang und kann mir einen Überblick verschaffen." Hier hilft die enge Zusammenarbeit der Teams weiter. Zusätzlich präsentiert sich jede Abteilung mit ihren Projekten und Plänen im Intranet.

Im Produkt-Management von Beta Research arbeitet ein bunt zusammengewürfeltes Team. Neben Elektrotechnikern, Maschinenbauern, Physikern und Mathematikern jetzt auch ein Chemiker. Entscheidend für den neuen Job waren die Berufserfahrungen des jungen Chemikers. "Vermutlich bin ich der Quoten-Chemiker", scherzt er. Neben dem Studium jobbte er jahrelang in den Semesterferien in der Kabelindustrie.

Selbst neben Diplomarbeit und Promotion gab er diesen Job nicht auf. Die Firma bot ihm nach dem Studienabschluß einen Job an, Müller lehnte jedoch ab, "denn mit dem Diplom in Chemie wäre ich nur ein besserer Chemielaborant gewesen".

Studium und Promotion schaffte der 29jährige in 15 Semestern an der Universität in Regensburg. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl hatte Müller Vorträge vorbereitet und Studenten betreut. Tätigkeiten, die ihm in seinem jetzigen Job mehr weiterhelfen als chemische Formeln. Eine wissenschaftliche Karriere stand für ihn trotz eines Angebots nicht zur Diskussion.

Die Begeisterung für den Job ist eng mit der Überzeugung verbunden, daß die digitale Technik die Branche der Zukunft ist und die größten Wachstumsraten verspricht. Die beiden gehen davon aus, daß sie die Entwicklung bei Beta Research ganz vorne mitgestalten. Mit der d-box soll das Fernsehen und das Internet der Zukunft verändert werden. "Die d-box ist kein Pay-TV-Decoder, sondern ein digitales Multimedia-Terminal, das neben den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen Pay-TV, Internet, Spiele sowie alle digitalen Übertragungsformen ermöglicht", doziert Koopmann begeistert.

Geplant ist, die d-box mit einer Grundausstattung, die all diese Dienste ermöglicht, zu verkaufen. Die Entscheidung über die einzelnen Dienstleistungen liegt bei den Verbrauchern. Anhand von Smart Cards können sie entscheiden, mit welchem Content-Provider sie ins Netz gehen oder welche Sender sie empfangen möchten. Beta Research will die gesamte Infrastruktur dazu anbieten.

Im Wohnzimmer der Konsumenten steht lediglich eine unscheinbare schwarze Box. Um die kompletten Dienstleistungen zu ermöglichen, arbeiten die Münchner mit Partnern zusammen. Besonders eng sind die Kontakte zum Silicon Valley. Verschiedene Module entwickeln sie mit dort ansässigen Betrieben.

Das Unternehmen ist zwar Teil der Kirch-Gruppe, die Technologie wird aber unabhängig an alle Interessenten verkauft. Auf diese Weise emanzipiert sich die Technologiegruppe mehr und mehr vom Gesamtkonzern.

Weiterbildung ist gerade in einem Unternehmen, das in der Forschung neue Produkte entwickelt, von zentraler Bedeutung. "Lebenslanges Lernen und permanente Weiterbildung stehen für uns zwingend im Mittelpunkt", so Personalfrau Speiser. Die Mitarbeiter können sich die Schulungsinhalte selbst aussuchen.

Neben Projektleiterkursen, Fachtagungen oder Persönlichkeitsseminaren stehen den Mitarbeitern alle Möglichkeiten offen. Die Seminare erfüllen gleichzeitig einen Nebeneffekt: Auf diese Weise können wertvolle Kontakte zur Industrie geknüpft werden.

Die Bewerber sollten idealerweise ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium mitbringen. Mindestens genauso wichtig ist ein interessanter Lebenslauf. "Jemand, der nur studiert und weder im Ausland war noch gejobbt hat, ist für uns weniger attraktiv", erklärt die Personalchefin.

"Technisches Verständnis und Begeisterung sind wichtig, alles andere kann man lernen", ermutigt Koopmann die möglichen Newcomer. Lange Arbeitszeiten sind der Normalfall; für die verbleibende Freizeit erhält jeder Mitarbeiter eine d-box gratis dazu.

Die Entwicklungslabors sind top- secret und für Außenstehende tabu. Deshalb ließ sich nicht endgültig klären, was so reizvoll an der Box ist, die Männerherzen höher schlagen läßt.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.