Spekulationen über einen größeren Merger verdichten sich

SBS hält an der Vision des Global Players fest

12.12.2003
MÜNCHEN (gh) - Der IT-Dienstleister Siemens Business Services (SBS) will nach längerer Restrukturierung wieder wachsen. Laut Vorstandschef Paul Stodden ist dies trotz anhaltend schwieriger Marktbedingungen möglich. Seine Hoffnungen ruhen primär auf dem Ausbau des Geschäfts in Nordamerika sowie der stärkeren Fokussierung auf das Business Process Outsourcing (BPO).

Es sollte eine Art Zwischenbilanz sein - und eine sehr positive noch dazu. Stodden ließ vergangene Woche vor Journalisten in München die Zeit seit seinem Amtsantritt als SBS-Chef vor genau zwei Jahren Revue passieren. Man habe die Kosten deutlich gesenkt, die Organisation gestrafft, das Unternehmen neu ausgerichtet und das Portfolio bereinigt, hieß es. Nun könne SBS durchstarten und sich zu einem "global führenden Full-Service-Provider" entwickeln.

Geforderte Umsatzrendite erneut verfehlt

Die Siemens-Tochter hatte im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2003 bei einem Umsatz von 5,2 Milliarden Euro einen operativen Gewinn von 13 Millionen Euro erzielt. Damit war sie meilenweit von der vom Konzern geforderten Bruttoumsatzrendite zwischen fünf und sechs Prozent entfernt geblieben - ein Umstand, den Stodden zumindest teilweise erklären konnte. Ohne erneut fällige Risikovorsorgen für ein Outsourcing-Projekt bei der staatlichen britischen Investmentbank National Savings in Höhe von 91 Millionen Euro hätte man das Vorjahresergebnis von 101 Millionen knapp übertroffen und eine Ergebnismarge von zwei Prozent erzielt. Angesicht der allgemeinen Marktsituation sei das ein "durchaus darstellbarer Erfolg".

Der SBS-Chef zeigte sich dabei sichtlich bemüht, die Probleme in England herunterzuspielen, eine "Altlast", die er von seinem Vorgänger Friedrich Fröschl geerbt hatte. Schließlich war Fröschl Ende 2001 nicht zuletzt wegen der aus dem National-Savings-Projekt und einem weiteren Outsourcing-Vertrag in Großbritannien aufgelaufenen Verluste von insgesamt 192 Millionen Euro stark in die Kritik geraten. An seiner Person hielt der Konzern jedoch fest und machte ihn dank seiner Verdienste um die Siemens-interne IT-Strategie zum CIO.

Britisches Outsourcing-Projekt neu bewertet

Die erneuten Rückstellungen seien lediglich aufgrund einer "bilanziellen Neubewertung" erforderlich gewesen, erläuterte Stodden. Man verbuche jetzt unmittelbar bei Fälligkeit die Aufwände für den 1999 begonnenen BPO-Deal, der bei einer Laufzeit von zehn Jahren ein Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro hat. Operativ laufe das Projekt, in dessen Rahmen sämtliche Geschäftsprozesse der britischen Bank inklusive rund 4000 Mitarbeitern übernommen wurden, inzwischen "recht gut". Weitere Rückstellungen seien "aus heutiger Sicht nicht notwendig".

Ungeachtet der anhaltenden Kritik vieler Beobachter an diesem offenbar schlecht ausgehandelten Outsourcing-Vertrag kündigte Stodden an, dass sein Unternehmen künftig das BPO-Geschäft, das momentan knapp 50 Prozent des Umsatzes (siehe Grafik "Der SBS-Umsatzmix 2003") ausmacht, noch forcieren wolle. Der SBS-Chef begründete dies mit der Marktentwicklung, wonach immer mehr Anwender die Übernahme gesamter Geschäftsprozesse anstelle punktueller IT-Services nachfragen würden. Für IT-Dienstleister seien solche Aufträge interessant, da sie Zugang zu "höherwertigen Marktsegmenten" behielten.

SBS verspricht sich von einer Verstärkung seiner BPO-Aktivitäten auch einen besseren Marktzugang in Nordamerika, speziell in den USA. Dort sei man, wie Stodden selbstkritisch einräumte, noch zu einseitig in Segmenten wie Desktop-Management präsent. Das werde sich ändern, die Nachfrage nach BPO-Projekten sei da. Bereits im laufenden Geschäftsjahr rechnet die Siemens-Tochter mit einer Verdoppelung der Einnahmen in dieser Region von zuletzt sieben auf 14 Prozent des Gesamtumsatzes - was knapp einer Milliarde Euro entsprechen würde. Mit einem geschätzten Volumen von derzeit 57 Milliarden Dollar sei der nordamerikanische Outsourcing-Markt zu groß und lukrativ, als dass sich SBS dort auf Dauer mit der Rolle eines Nischenanbieters zufrieden geben könnte, unterstrich Stodden.

Konzentration auf wenige Kernprozesse

Inwieweit die Münchner insgesamt dem Anspruch, ein Global Player zu werden, aus eigener Kraft gerecht werden können, ließ der SBS-Chef jedoch einmal mehr offen. Sicher ist indes, dass sich die Münchner künftig mehr auf Kernprozesse wie Human Resources und Finanzdienstleistungen konzentrieren werden. In Nischenmärkten wolle man sich nicht mehr "verzetteln", sagte Stodden. Insofern gebe es derzeit keine konkreten Übernahmepläne, organisches Wachstum stehe "im Vordergrund". Weniger deutlich als in der Vergangenheit distanzierte sich Stodden allerdings von anhaltenden Spekulationen, wonach der Mutterkonzern SBS in ein Joint Venture mit einem anderen großen Serviceanbieter einbringen oder zumindest eine weitere Kooperation mit einem strategischen Partner wie mit Fujitsu-Siemens in Asien befürworten könnte. Hierzu treffe er "keine Aussagen". Unweigerlich werde es aber im Markt zu einer Konsolidierung kommen, und SBS wolle daraus "als Gewinner" hervorgehen. Ziel sei es, in Europa und Nordamerika die Position unter den Top Five zu halten oder zu erreichen und/oder in einigen Schlüsselmärkten (Frankreich) zumindest einen Marktanteil von fünf Prozent zu gewinnen.

Ein Spur konkreter wurde Stodden zu anderen Plänen seiner Company. Die vom Konzern geforderte Bruttoumsatzrendite von minimal fünf Prozent wolle man mit Hilfe einer weiteren Reduzierung im Fixkostenbereich und natürlich entsprechendem Umsatzwachstum "so bald wie möglich" erwirtschaften. Schon im laufenden Jahr sei diese Absicht "nicht völlig aussichtslos". Weitere Personalmaßnahmen über den bereits angekündigten Abbau von 2500 "Mannjahren" hinaus, der weitgehend ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen soll, seien momentan aber nicht vorgesehen. Zur Umsatzentwicklung im Geschäftsjahr 2004 wollte sich der SBS-Chef indes nicht detailliert äußern - erst recht, da sich viele Analysten infolge des schwachen Auftragseingangs im vierten Quartal skeptisch gezeigt hatten. Mit der Auskunft "Warten Sie auf die Zahlen des ersten Quartals!" stellte Stodden aber zumindest indirekt eine Trendwende in Aussicht.

Kurzanalyse von PAC

Das Ziel von SBS, im laufenden Geschäftsjahr den Umsatz in Nordamerika zu verdoppeln, ist nach Ansicht von Jean-Christian Jung, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), "sehr ehrgeizig", aber nicht "völlig unrealistisch". Ein Teil des Wachstums könnte, so der Branchenkenner, mit Hilfe europäischer Kunden realisiert werden, die man im Zuge größerer Outsourcing-Projekte begleitet. Gleichzeitig dürfte der Anteil des Geschäfts mit der Konzernmutter in den USA eher zunehmen - trotz der Tatsache, dass SBS insgesamt für das Geschäftsjahr 2004 von rückläufigen kaptiven Umsätzen (2003 waren es rund 25 Prozent vom Gesamtumsatz) ausgeht. Aller Wahrscheinlichkeit nach seien aber "große Deals" bei diesem Wachstumsziel mit berücksichtigt worden. Eine Übernahme in den USA oder Frankreich könne man deshalb für die beiden kommenden Jahre nicht ausschließen.

Abb: Der SBS-Umsatzmix 2003

Einseitige Einnahmenverteilung: Noch immer ist das SBS-Geschäft sehr deutschlandlastig. Quelle: SBS