Entwicklung der Telekommunikation in der arabischen Region:

Saudis von null auf EWS und Ethernet

19.06.1981

Lange Zeit haben die arabischen Länder die Bedeutung der Nachrichtentechnik für die wirtschaftliche Entwicklung verkannt und es daher versäumt, ihre nachrichtentechnischen Dienste zu modernisieren und auszubauen. Dadurch entstand zunehmend ein Nachholbedarf an Kommunikationsinfrastruktur, der vor allem in den Ölstaaten, in denen die finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung immer hektischer wurde, ein erhebliches Ausmaß erreicht hat. Aber auch in anderen Ländern wie in Ägypten, Syrien und Jordanien haben sich die unzureichenden Kommunikationsmöglichkeiten regelrecht hemmend auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt.

Wie sich die arabischen Telekommunikationsdienste im internationalen Vergleich verhalten, zeigt eine Erhebung des US-Konzerns AT&T vom Jahre 1977. Demnach verfügten sie im Durchschnitt über zwei Telefonanschlüsse je 100 Einwohner; der Weltdurchschnitt lag seinerzeit bei 14,5 je 100 Einwohner. In einigen arabischen Ländern ist es heute noch geradezu abenteuerlich, ein Ferngespräch zu führen, und in mancher Großstadt ist es gar schwierig, ein Ortsgespräch zustandezubringen. In der Acht-Millionen-Stadt Kairo, in der übrigens nicht einmal ein gültiges Telefonbuch existiert, gelingt allenfalls jede vierte Telefonverbindung. Ein amerikanischer Geschäftsmann, der wegen des Bürgerkriegs im Libanon sein Büro von Beirut nach Kairo verlegen mußte, pflegt von Zeit zu Zeit nach Athen zu fliegen, um von dort aus wichtige Telefongespräche zu führen.

Viel Arbeit im Vorfeld der Normung

Erst seit einigen Jahren bemühen sich die arabischen Länder, ihre Kommunikationsdienste an die allgemeine wirtschaftliche Situation anzupassen und schritthaltend mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung auszubauen. In Anbetracht der großen Ausdehnung der Region, der schweren Zugänglichkeit weiter Gebiete und der stark unterschiedlichen Finanzstärken der einzelnen arabischen Länder, erweist sich die Schaffung adäquater Kommunikationsnetze auf

nationaler und regionaler Ebene als sehr problematisch. Hinzu kommen politische und wirtschaftliche Randbedingungen (freie versus gelenkte Wirtschaftssysteme), die die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ländern zusätzlich erschweren.

Auf internationaler Ebene bringt die Verwendung der arabischen Sprache bei der Telekommunikation wiederum einschneidende Implikationen. Hier muß noch viel Arbeit in der Normung und im Vorfeld der Normung geleistet werden, wobei die Schaffung und Befolgung von Normen nicht gerade die starke Seite der Araber ist (CW Nr. 15 vom 10. April 1981).

In vielen dieser Länder wird inzwischen ein beachtlicher Teil der Nachrichtenübertragung über Satelliten (hauptsächlich über Intelsat) abgewickelt. Eine Bedarfsabdeckung in der Region läßt sich jedoch mit Hilfe des internationalen Satellitensystems sicherlich nicht erreichen. Man ist dort noch weitgehend auf die konventionellen Übertragungsnetze angewiesen. So bleibt vorerst das Unterseekabelnetz im Mittelmeerbassin die wichtigste Verbindung zwischen der arabischen Welt und Europa.

Der arabische Nachrichtensatellit

Große Hoffnungen setzen die arabischen Staaten in ein Großprojekt, das vor etwa drei Jahren von der "Arab Telecommunication Union" (ATU) in Zusammenarbeit mit der "Arab States Boardcasting Union" (ASBU) und der "International Telecommunication Union" (ITU) gestartet wurde und die Errichtung eines arabischen Satelliten (Arabsat) zum Ziel hat.

Der geplante Satellit wird über eine große Reichweite verfügen und das gesamte Gebiet von Marokko bis zum Arabisch-Persichen Golf und von Syrien bis zum äquatorialen Afrika abdecken. Er wird, wie alle Nachrichtensatelliten, einen geostationären Standort (etwa 36 000 Kilometer über dem Äquator) bei 0 Längengrad haben. Das Arabsat-System besteht aus drei Einzelsatelliten: zwei im Orbit und einem dritten als Ersatz einsatzbereit auf dem Boden.

Der Satellit soll folgende Anforderungen erfüllen:

* Abwicklung des größten Teils der innerarabischen Kommunikation (Telefon-, Telegrafie-, Telex- und Datenübertragungen) für einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren,

* Simultane Übertragung von Fernsehsendungen in der ganzen Region,

* Übermittlung von Fernseh-Gemeinschaftssendungen an lokale Bodenstationen in dünn besiedelten Gegenden. Dadurch sollen kulturelle, Schul- und Informationsprogramme auch schwer erreichbaren Gebieten zugänglich gemacht werden,

* Unterstützung der inländischen Telekommunikationsdienste in einigen Ländern mit großer geografischer Ausdehnung wie Libyen, Ägypten und Saudi Arabien.

Um den Bau des arabischen Satelliten bewerben sich der US-Konzern Hughes und ein europäisches Konsortium, MESH, bestehend aus den Firmen: Engins Matra (Frankreich), Erno (Deutschland), Saab (Schweden), Aerospace Dynamics (Großbritannien), Aeritalia (Italien), Fokker (Niederlande) und Inna (Spanien). Obwohl Hughes die meisten Nachrichtensatelliten einschließlich der Intelsats konstruiert hat, werden in Kreisen der Arabischen Liga in Tunis dem europäischen Angebot große Chancen eingeräumt. Das europäische Konsortium seinerseits hat bereits mehrere europäische Nachrichtensatelliten gebaut. Der von ihm konstruierte Testsatellit OTS arbeitet seit 1978 einwandfrei.

Für die Beförderung des Arabsat in eine Orbitalbahn wird die zweite Hälfte 1983 vorgesehen. Eine entsprechende Voranmeldung ist bereits bei der Nasa eingegangen. Dabei dachte man an eine Beförderung mit Hilfe des Raumtransportes (Space Shuttle), der nach mehrmaliger Verschiebung im April 1981 erfolgreich gestartet und gelandet ist. Entgegen ursprünglicher Planung ist der Raumtransporter jedoch nicht in der Lage, den Satelliten direkt in seine Laufbahn zu bringen, sondern vielmehr aus einer Höhe von rund 4000 Kilometern mit Hilfe einer Rakete in diese Laufbahn zu schießen. Dadurch wird der Preis für die Satellitenbeförderung wesentlich über den Schätzungen liegen.

Space Shuttle bis 1984 praktisch ausgebucht

Inzwischen wächst das Interesse der Arabischen Liga für ein Angebot der "European Space Agency" (ESA), den Arabsat mit der ESA-Rakete Ariane in seine Laufbahn zu bringen. Dabei liegt das Interesse der Europäer nicht nur im wissenschaftlichen und technischen Bereich; sie zielen mit ihrem Angebot darauf ab, das US-Monopol auf dem Sektor der kommerziellen Satellitenbeförderung zu durchbrechen und mit den Ländern der Dritten Welt auf diesem exklusiven Gebiet ins Geschäft zu kommen. Die Nasa ihrerseits hat sich verständnisvoll gezeigt, falls die Araber ihre Voranmeldung rückgängig machen und das europäische Angebot wahrnehmen würden, zumal der Kostenvoranschlag von 18 bis 20 Millionen US-Dollar nicht eingehalten werden kann und das Space Shuttle bis 1984 praktisch ausgebucht ist. Mit der Ariane sind bis Ende 1982 insgesamt acht Starts geplant. Dabei sollen unter anderem die Satelliten F6, F7 und F8 der Intelsat-Serie V in ihre Orbitalbahn geschossen werden.

Für die Durchführung des arabischen Satelliten-Projektes wurde ein Koordinierungsausschuß mit Sitz in Riad gebildet, der sich aus Vertretern und Wissenschaftlern aller arabischen Länder zusammensetzt. Dieser Ausschuß wird von einem neunköpfigen Direktorium geführt, das aus fünf permanenten Mitgliedern (Vertreter aus Ägypten, Saudi Arabien, Kuweit, Libyen und den Vereinigten Arabischen Emiraten) und vier jeweils für zwei Jahre aus den übrigen Ländern gewählten Mitglieder besteht. Die fünf Länder, die ständige Vertreter in das Direktorium entsenden, tragen 60 Prozent der Projektkosten. Der Koordinierungsausschuß verfügt über ein Gesamtkapital von 200 Millionen Mark.

Da alle Nachrichtensatelliten zwangsläufig geostationäre Standorte haben und damit in gleicher Höhe über dem Äquator liegen müssen, wird die Stationierung neuer Satelliten auf dem Orbit immer schwieriger. Besonders über dem amerikanischen Kontinent und im europäischen Bereich, wo die Stationierung der Arabsat geplant ist, herrscht schon heute regelrechter Platzmangel (siehe Schaubild). Um störungsfreie Kommunikation zu gewährleisten, muß der Abstand zwischen den einzelnen Satelliten mindestens 4,5 Längengrad beziehungsweise 3300 Kilometer betragen.

Das Satellitenprojekt genießt in den arabischen Staaten wie auch in den zuständigen internationalen und regionalen Organisationen hohe Priorität, da der Arabsat eine Ländergruppe versorgen soll, die sich durch gemeinsame Sprache und gemeinsame Kultur zusammengehörig fühlt. Hinzu kommt, daß das arabische Gebiet eine große geografische Ausdehnung mit extrem schwer zugänglichen Regionen aufweist und damit seine Versorgung mit konventioneller Telekommunikationsinfrastruktur (etwa Überlandkabel) kaum möglich ist.

In Zusammenarbeit mit dem Arabsat-Projekt und dem UN-Entwicklungsprogramm für den Mittelmeerraum unternehmen die arabischen Länder erhebliche Anstrengungen zum Ausbau, zur Verbesserung und Automatisierung ihrer Telekommunikationsnetze sowie zur Ausbildung von Fach- und technischem Personal. Einige Länder, wie Ägypten und Algerien, sind außerdem bemüht, einen Industriezweig zur Deckung des eigenen Betrafs und zum Export bestimmter Kommunikationskomponenten in andere arabische Länder aufzubauen. Bereits im Jahre 1979 hat Syrien einen Lizenzvertrag mit der französischen Firma Cit-Alcatel zur Herstellung des Systems E10 geschlossen. Auch Marokko erwarb eine Lizenz für Produktion und Vetrieb öffentlicher Telekommunikationseinrichtungen der französischen Firma Thomson-CSF.

In allen arabischen Ländern werden Empfangsstationen für Nachrichtensatelliten gebaut. So hat Bahrein einen Auftrag an die britischen Firma "Cable & Wireless" zum Aufbau einer zweiten Satelliten-Bodenstation für den Intelsat, Serie V, vergeben. Unteraufträge für dieses Projekt ergingen an die britische Firma Marconi und an den japanischen Konzern Nippon Electric Company (NEC). In Algerien erhielt der US-Konzern "General Telephone and Electronics" (GTE) einen Auftrag zur Ausrüstung der bereits von GTE errichteten 15 Satelliten-Empfangsstationen mit modernster Technik. Auch der Irak strebt die Umrüstung seines Satelliten-Empfangsnetzes auf die Intelsat Serie V an. Ein entsprechender Auftrag wurde an die französische Firma Thomson-CSF im Jahre 1979 vergeben.

Obwohl die arabischen Länder die Kommunikationsmöglichkeiten über Satelliten intensiv nutzen, sind sie nach wie vor an der Erhaltung und dem Ausbau der konventionellen Übertragungswege stark interessiert. So wurde von der libyschen Regierung im Jahre 1979 ein Auftrag an die französischen Firmen Cit-Alcatel und Cables de Lyon zur Verlegung eines Unterseekabels zwischen Tripolis und Marseille vergeben. Die neue Verbindung, El-Fatah genannt, soll 450 Telefonleitungen umfassen.

Der erst spät realisierte Ausbau ihrer Telekommunikationsnetze hat den arabischen Ländern zweifellos den Vorteil gebracht, die inzwischen hochentwickelten Kommunikationstechniken und Steuerungssysteme nutzen zu können. So trifft man heute vor allem in den zahlungskräftigen Ölländern Kommunikationsnetze an, die von der technischen Ausstattung her den in Europa installierten teilweise überlegen sind. So wird das von Xerox entwickelte und im April 1981 auf der Hannover-Messe gezeigte Inhouse-Kommunikationsnetz "Ethernet" bereits in Luxushotels in Dubai und anderen Golfstaaten eingesetzt. In Bahrein baut "Cable and Wireless" eines der modernsten Radio-Telefonnetze der Welt. Dieses aufwendige, auf Mikrowellen basierende Netz soll die Suche nach Erdöl und Erdgas sowie die Überwachung der Ölquellen und Pipelines erleichtern. Auch in Saudi Arabien werden die modernsten Telekommunikationsnetze installiert, zum Beispiel bei der Ausrüstung des neuen Flughafen von Riad durch den Nippon-Konzern.

Dank seiner Finanzstärke konnte Saudi Arabien ehrgeizige Projekte auch im Bereich der Telekommunikation verwirklichen. So wurde im Dezember 1980 ein Großprojekt abgeschlossen, in dessen Rahmen 566 000 neue, vollautomatische Telefonanschlüsse verlegt wurden, ausgestattet mit entsprechenden Steuerungs- und Kontrollsystemen modernster Technik. Ferner wurden elf Satelliten-Empfangsstationen erstellt. Das Fünf-Milliarden-Mark-Projekt wurde von den Firmen LM Ericsson (Schweden), Philips (Niederlande) und Bell (Kanada) durchgeführt. Dieses Projekt steht am Anfang eines umfangreichen Programms zur Entwicklung der Telekommunikation im Königreich bis 1990.

Anders als auf dem DV-Markt, wo die US-Hersteller mehr als 90 Prozent des Marktes beherrschen, konnten die Europäer einen beachtlichen Anteil der Aufträge zum Aufbau konventioneller und auf Nachrichtensatelliten basierender Kommunikationsnetze in der arabischen Region für sich verbuchen. Vor allem deutsche, französische und britische Firmen, aber auch der niederländische Philips-Konzern haben Projekte in Milliarden-Höhe in Auftrag genommen.

Die französische Firma Cit-Alcatel hat 1978 ihren bis dahin größten ausländischen Auftrag in Höhe von 325 Millionen Francs von der Republik Nordjemen erhalten. Die bundesdeutschen Firmen Siemens und AEG-Telefunken haben ebenfalls Großprojekte in fast allen arabischen Ländern durchgeführt beziehungsweise in Auftrag genommen. So beendete AEG-Telefunken im letzten Jahr ein 55-Millionen-Mark-Projekt zur Verlegung von 65 000 Telefonanschlüssen in Kairo. Ein Folgeauftrag über 36 Millionen Mark wurde ihr von der ägyptischen Regierung in Aussicht gestellt. Zusammen mit Thomson-CSF und Siemens-Österreich übernahm die Siemens AG eine 600-Millionen-Mark-Auftrag zur Modernisierung des vorhandenen Telefonnetzes in ganz Ägypten und zur Verlegung von 150 000 zusätzlichen Leitungen.

Hand in Hand mit dem Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur werden in den arabischen Ländern großangelegte Ausbildungsprogramme für das nationale Fachpersonal auf allen Ebenen durchgezogen. Zu diesem Zweck wurde unter anderem das Schulungszentrum "ASBUTC" von der "Arab States Broadcasting Union" (ASBU) in Damaskus gegründet. Zu den Ausbildungsinstituten auf regionaler Ebene zählen auch das "Telecommunication Training-Institut" (TTI) in Kuweit und das "Telecommunication Trainings-Center" (TTC) in Jordanien.