Satellitenfunk via Inmarsat Auf dem Weg vom Lueckenbuesser zum weltweiten Netzwerkdienst

18.03.1994

HAMBURG (pi) - Das Geschaeft mit Satellitendiensten boomt, nicht zuletzt, seit die politische Oeffnung Osteuropas neue Maerkte mit wachsenden Kommunikationsbeduerfnissen nach sich gezogen hat. Vielerorts, wo auf Basis terrestrischer Netze nichts oder noch nichts geht, behilft man sich mit einem Umweg ueber die Erdumlaufbahn. Dass der Satellitenfunk indes nicht immer nur Lueckenbuesser sein muss, zeigt sich anhand zweier Anwendungsbeispiele des Inmarsat-Dienstes.

Terrestrische TK-Netze werden weltweit immer leistungsfaehiger, und Dienste wie ISDN bieten effiziente und wirtschaftliche Moeglichkeiten fuer die Uebermittlung von Daten ueber Tausende von Kilometern hinweg.

Trotzdem gibt es in vielen Faellen immer noch Probleme bei der Datenfernuebertragung, insbesondere in abgelegenen Regionen der Dritten Welt oder, ganz aktuell, in Osteuropa, wo entsprechende Netzinfrastrukturen erst im Aufbau sind. Schwierigkeiten entstehen beim Datentransfer in der Regel vor allem dann, wenn es sich um sehr grosse Datenmengen handelt. In solchen Anwendungsszenarien schlaegt meist die Stunde des Satellitenfunks, um die Luecken terrestrischer Infrastrukturen zu schliessen.

High-speed-Data-Service fuer Daten, Sprache und Fax

Wachsende Popularitaet unter den globalen Satellitenfunkdiensten hat in letzter Zeit unter anderem der "High-Speed-Data"-Service (HSD) der "International Maritime Satellite Organisation" (Inmarsat) gefunden - ein weltweites Satellitennetz fuer die Sprach-, Daten- und Faxkommunikation, das digitale Simplex- und Duplex-Datenuebertragungen mit maximal 64 Kbit/s ermoeglicht.

Einer der System- und Hardwarelieferanten fuer Inmarsat, die ABB Nera GmbH, sieht sich dabei an vorderster Stelle. So werden beispielsweise HSD-Einrichtungen der Hamburger Satellitenfunkspezialisten seit kurzem im Geologischen Forschungszentrum Potsdam (GFZ) zur Erfassung und Untersuchung der Schwankungen von Geschwindigkeit beziehungsweise Achse der Erdrotation sowie zur Bewegungsmessung der geotektronischen Platten eingesetzt. Via HSD werden dabei unter anderem Daten, die von Messeinrichtungen in China erfasst worden sind, zur Potsdamer GFZ-Zentrale uebertragen.

Dort muessen die Daten von den Stationen aus verschiedenen Regionen taeglich gesammelt, ausgewertet und anderen internationalen Forschungsorganisationen zugaenglich gemacht werden. Genau hier lag das Hauptproblem des GFZ: Viele der Aussenstellen, insbesondere im Reich der Mitte, verfuegen noch nicht ueber einen Zugang zu zeitgemaessen Uebertragungstechniken wie ISDN; und die grossen Datenvolumina, um die es hier geht - taeglich 4 bis 5 MB - haetten den Einsatz konventioneller Paketvermittlungsnetze zu einem teuren Vergnuegen im Dienste der Wissenschaft gemacht.

Die in China zum Einsatz kommende HSD-Loesung basiert auf einer Satellitentelefon-Ausruestung von ABB Nera, verwendet aber auch Computer und Software - also ein Gesamtpaket, das entsprechend konfiguriert wurde. Die Erfassung der GPS-Daten erfolgt an vier Aussenstellen in China, wobei diese in Peking gebuendelt und ueber ein Satellitenterminal an die deutsche GFZ-Zentrale uebermittelt werden. Dabei betraegt die Zeitspanne fuer die Uebertragung von 1 MB rund drei Minuten. Bei Gebuehren von rund 50 Mark pro MB bedeutet dies fuer die taeglich notwendige Uebertragung von 4 MB Kosten von lediglich 200 Mark. Das System in Peking ging im Dezember 1993 in Betrieb.

Fuer 1994 ist die Einrichtung aehnlicher Uebertragungssysteme in Suedamerika und Kasachstan geplant.

Als Satellitendienst beschraenkt sich HSD aber nicht nur auf die, wenn man so will, Ueberlandkommunikation. Eines der weiteren denkbaren HSD-Einsatzszenarien ist die Datenuebertragung von Schiffen zum Festland. So wurde in einem im Mai 1993 von ABB Nera zusammen mit der einschlaegigen Industrie durchgefuehrten Projekt erstmals die sogenannte "Oellagerstaettenerkundung" unter Zuhilfenahme des Satellitenfunks erprobt. Dabei ging es vor allem um die Uebertragung detaillierter Messdaten seismischer Untersuchungen fuer die dreidimensionale Erfassung oelfuehrenden Gesteins, das Tausende von Metern unter dem Meeresboden liegt. Hier konnte erstmals, wie man in Hamburg nicht ohne Stolz berichtet, demonstriert werden, wie HSD fuer die Datenuebertragung von den Computern der Messschiffe auf hoher See via Satellit zu den jeweiligen Rechenzentren an Land bewerkstelligt.

Welcher Art die HSD-Anwendung auch sein mag - ob es sich nun um die Uebertragung von Daten oder um digitalisierte Ton- beziehungsweise Bildinformation handelt -, eine Ausruestungskomponente ist immer erforderlich: das Satellitentelefon fuer den Inmarsat-Standard A, das fuer HSD- Uebertragungen umgeruestet werden muss. Die herkoemmliche Inmarsat-A- Kommunikation ermoeglicht den analogen Datentransfer bis zu 9,6 Kbit/s. Auf HSD-Betrieb umgestellt, bewaeltigen die Geraete Uebertragungsraten von maximal 64 Kbit/s.

Die Standard-A-Systeme sind in zwei Versionen verfuegbar: Eine fuer den mobilen Landeinsatz, eine zweite fuer die hohe See. Entsprechende Geraete - beispielsweise das "Saturn Compact" von ABB Nera, das beim GFZ zum Einsatz kommt - haben einen Umfang von 70 x 60 x 30 Zentimetern. Fuer den See-Einsatz konzipierte Endgeraete wie das "Saturn 3S90", das beim seismischen Versuchsprojekt in Sachen Erdoelsuche verwendet wurde, bestehen aus einer Antennenhaube und einer Elektronikeinheit - sprich: Bedienereinrichtung, Telefongeraet sowie mehreren Schnittstellen fuer Computer, Faxgeraete und Modems.

Um die Geraete fuer den HSD-Betrieb umzuruesten, ist eine vergleichweise einfache Modifikation erforderlich: Fuer die Bewaeltigung von digitalen Simplex-Uebertragungen (mit 64 Kbit/s in jeweils nur eine Richtung) muessen die Satellitentelefone lediglich mit speziellen High-speed-Komponenten fuer die Datenmodulation bestueckt werden. Fuer Duplex-Uebertragungen (in zwei Richtungen gleichzeitig) sind ein zusaetzlicher "Duplex-High-speed-Data- Receiver" sowie ein Demodulator erhaeltlich. Neben dem Satellitentelefon ist - abhaengig von der jeweiligen HSD-Anwendung - auch noch ein PC mit einer ISDN-Karte erforderlich, auf dem die entsprechende Kommunikationssoftware implementiert ist.